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Finanzkolumne: Wie die Bargeldstrukturen in Europa verschwinden

Finanzkolumne

Wie die Bargeldstrukturen in Europa verschwinden

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    Eine Frau lässt sich in einer Bankfiliale am Schalter Bargeld auszahlen. In vielen europäischen Ländern gehen Barzahlungen weit schneller zurück als in Deutschland.
    Eine Frau lässt sich in einer Bankfiliale am Schalter Bargeld auszahlen. In vielen europäischen Ländern gehen Barzahlungen weit schneller zurück als in Deutschland. Foto: Angelika Warmuth, dpa (Archivbild)

    Auch wenn in Deutschland diese Entwicklung langsamer voranschreitet, nähern wir uns einem Kipppunkt an, ab dem es mit der Bargeldversorgung kritisch wird. So hat sich seit 2006 die Zahl der Bankfilialen halbiert, es gibt immer weniger Geldautomaten, und der Anteil von Bargeld bei Bezahlvorgängen sinkt. Fragwürdige Hygienekampagnen des Handels während der Pandemie haben ihren Teil dazu beigetragen, dass mehr Menschen auf bargeldloses Bezahlen an der Kasse umgestiegen sind. Mit der Folge, dass sich heute immer mehr Geschäfte erlauben können, gar kein Bargeld mehr anzunehmen.

    In einer zunehmend digitalen Wirtschaft möchte man auch digital bezahlen, mag man argumentieren. Deshalb das Bargeld herauszudrängen, ist jedoch fatal. Denn ein Weg zurück ist kaum möglich. Sinkt die Nutzung von Bargeld, steigt der Kostendruck im privatwirtschaftlichen Bargeldkreislauf. Damit wird Bargeldinfrastruktur teurer und muss noch weiter zurückgebaut werden. In der Folge gibt es immer weniger Stellen, die Bargeld ausgeben und letztlich auch annehmen.

    Bargeld im Safe als Notgeldreserve nutzt niemandem

    Bevor wir also leichtfertig unser einziges gesetzliches Zahlungsmittel preisgeben, kann ein Blick auf dessen Funktionen hilfreich sein: Bargeld kann seine Eigenschaften nur entfalten, wenn es im Umlauf ist, man damit also in Geschäften bezahlen kann. Als reine Notfallreserve im Safe nutzt es niemandem, da es so nur an Wert verliert.

    „Du bist, was du kaufst.“ Anhand digitaler Finanztransaktionen können sensible persönliche Informationen offengelegt werden. Neben dem Offensichtlichen wie dem Kauf von Antidepressiva oder Sexspielzeug ist auch der regelmäßige Einkauf alkoholischer Produkte für ein Käuferprofil aufschlussreich. Wer hingegen bar bezahlt, schützt seine Privatsphäre. Eine Welt ohne Bargeld ist auch eine Welt ohne Geheimnisse voreinander. Die Fähigkeit und der Wille, digitale Bezahlsysteme zu nutzen, um am Wirtschaftsleben teilzunehmen, ist Voraussetzung für das bargeldlose Bezahlen. Wer dies nicht will oder kann, wird faktisch ausgeschlossen, wenn es kein Bargeld mehr gibt.

    Bargeld ist Resilienz und Versorgungssicherheit. Im Mai 2022 kam es tagelang zu flächendeckenden Ausfällen von Kartenterminals. In vielen Geschäften war keine Kartenzahlung möglich. Betroffene mussten sich erst mal Bargeld besorgen, um ihre Einkäufe nach Hause mitnehmen zu können. Der wirtschaftliche Schaden war enorm und die Wiederholung solcher und ähnlicher Vorfälle zu erwarten, da die Eintrittswahrscheinlichkeit dafür in Zeiten von Cyberattacken durch Kriminelle und fremde Mächte gestiegen ist. 

    Kleine Händler und Gastronomen haben Vorteile von Barzahlungen

    Bargeld schafft Wettbewerb. Gerade kleine Händler und Gastronomen ziehen die Barzahlung der oft mit hohen Händlergebühren belegten elektronischen Bezahlverfahren vor. Ohne diese Auswahlmöglichkeit müssten Händler viel mehr an Zahlungsdienstleister abführen, was sie letztlich über die Endpreise an die Verbraucher weitergeben müssten.

    Es liegt viel an unserem Verhalten an der Kasse heute, ob wir morgen noch bar bezahlen können.

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