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Familie: Konfliktthema Erziehung: Wenn Eltern Großeltern werden

Familie

Konfliktthema Erziehung: Wenn Eltern Großeltern werden

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    Wenn Kinder kommen, werden die Rollen in einer Familie neu verteilt.
    Wenn Kinder kommen, werden die Rollen in einer Familie neu verteilt. Foto: Adobe Stock

    Es ist Sonntagnachmittag in einem kleinen Ort in Bayern. Familie Kuhn hat zum Kuchenessen eingeladen. Draußen ist es kalt und vereinzelte Schneeflocken fallen vom gräulichen Himmel. Lara und Florian sitzen gemeinsam mit ihrem zweijährigen Sohn Emil und Florians Eltern Anja und Markus am Küchentisch. Das süße Aroma von Zimt und warmem Apfel liegt in der Luft. Selbst gebackener Kuchen. "Mit Äpfeln aus dem Garten", erzählt Opa Markus stolz. Als der kleine Emil sein Stückchen aufgegessen hat, beginnt er unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. 

    "Du kennst die Regel", setzt Papa Florian zur Erklärung an, "alle bleiben sitzen, bis der Letzte fertig ist." Mit liebevoller und dennoch strenger Miene ermahnt sein Papa ihn, ruhig sitzen zu bleiben – jedoch vergebens. Gerade als Florian ihn ein weiteres Mal erinnern möchte, ergreift Oma Anja das Wort: "Ach lass den Kleinen doch aufstehen." Genervt schaut Florian in das gutmütige Gesicht seiner Mutter. Für viele frischgebackene Eltern ist es eine große Unterstützung, die eigenen Eltern in der Nähe zu haben. Oft sind sie der Grund, dass junge Eltern wieder ins Berufsleben einsteigen können. Bei Erziehungsfragen gibt es jedoch oft Streit, nicht nur bei Familie Kuhn. 

    Ein Kind wirft alte Rollenmuster über den Haufen

    Die Kindererziehung zählt neben Ernährung und Freizeitgestaltung zu den häufigsten Ursachen für Konflikte zwischen Eltern und Großeltern, so Barbara Bous. Sie ist Diplompädagogin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädagogik an der Universität Augsburg. Dass es in Familien Streit gibt, ist völlig normal. Schließlich würfelt jedes neue Kind das Familiensystem durcheinander, berichtet Bous weiter. Eine Tochter wird Mutter, eine Mutter wird Oma und so weiter.

    Bei Familie Kuhn lief nach Emils Geburt zunächst alles sehr harmonisch. Der Fokus lag auf dem neu geborenen Kind und die Freude war auf beiden Seiten riesig. "Mit der Zeit schlichen sich dann immer wieder kleine Streitereien in unseren Familienalltag", erinnert sich Mama Lara. Vermeintlich gut gemeinte Tipps der Großeltern wurden von den frischgebackenen Eltern als Bevormundung und Besserwisserei aufgenommen. Es kam, wie es kommen musste: Eines Tages endete die Diskussion in einem großen Streit. 

    Wünsche und Grenzen in der Familie klar kommunizieren

    Das veränderte Familiensystem bedeutet einen immensen Umbruch, an den sich alle Familienmitglieder gewöhnen müssen. Das braucht zum einen Zeit und zum anderen eine wertschätzende Kommunikation, erläutert Bous. Auch Sara Bunge betont die Bedeutung von Wertschätzung und offener Kommunikation. Sie ist Leiterin einer Kindertagesstätte und hat in ihrem Berufsalltag regelmäßig mit familiären Konflikten zu tun. Sie empfiehlt Eltern, ihre Wünsche und Grenzen in Bezug auf die Erziehung ihres Kindes offen darzulegen. Im besten Fall sogar schon vor der Geburt des Kindes, um möglichen Konflikten vorzubeugen.Kommt es dennoch zu einem größeren Streit, sei es wichtig, dass beide Seiten die Situation in Ruhe reflektieren und anschließend einen Schritt aufeinander zugehen. In einem klärenden Gespräch sollten beide die eigene Situation erläutern und um Unterstützung und Verständnis des Gegenübers bitten.

    Auch Familie Kuhn hat gelernt, wie wertvoll eine offene Kommunikation ist. Nach dem großen Streit diskutierte Papa Florian mit seinen Eltern, insbesondere mit seiner Mutter. "Wir wissen jetzt, dass wir deutlich machen müssen, wenn unserer Meinung nach Grenzen überschritten werden", reflektiert er seine Erkenntnisse aus dem Streit. Auch Oma Anja zeigt sich einsichtig. Als die Situation zum Streit eskalierte, habe sie angefangen, über ihr Verhalten nachzudenken. "Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie ich mich gefühlt hätte, wenn meine Eltern damals meine Regeln infrage gestellt hätten", erinnert sie sich. Das sei hilfreich gewesen, um Laras und Florians Standpunkt zu verstehen. Nun versuche sie sich zurückzuhalten. "Aber leider gelingt es mir nicht immer", gibt sie zu und wirft einen schuldbewussten Blick in Richtung ihres Sohnes. 

    Von den Eltern gesetzte Grenzen sollten respektiert werden

    Für die Perspektive der Großeltern, Verständnis aufzubringen, sei ebenfalls wichtig, appelliert Bunge. "Da die Erziehung durch die eigenen Wertevorstellungen und Erfahrungen beeinflusst wird, können sich die Großeltern gar nicht genau wie die Eltern verhalten, und das ist okay", erzählt sie. Auch Bous weist auf die Bedeutung der Großeltern hin. Es sei toll, wenn die Großeltern Neues in die Erfahrungswelt ihrer Enkel einbringen. Dennoch sollten von Eltern festgelegte Regeln und Grenzen nicht vorsätzlich umgangen werden. Gegenseitige Wertschätzung und Respekt sind der Schlüssel für ein harmonisches Familienleben. Dementsprechend lautet Bous‘ wichtigster Tipp für familiäre Konflikte: "Liebevoll eine Grenze setzen und dennoch die Tür offen lassen."

    Auf dem Küchentisch von Familie Kuhn liegen mittlerweile nur noch kleine Krümel. Vom Kuchen ist nichts mehr übrig und der Duft von Zimt und warmem Apfel ist verflogen – genauso wie der Streit.

    Hinweis: Dieser Text ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts unserer Redaktion mit dem Master-Studiengang Fachjournalismus der TH Würzburg-Schweinfurt entstanden.

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