Bei Familie Seibold läuft seit Tagen der Anrufbeantworter über. „So viele Menschen wollen wissen: Wann sperrt ihr eure Erdbeerplantagen auf?“, erzählt Barbara Seibold. Die Obst- und Gemüsebäuerin aus Inningen bei Augsburg freut sich zwar, weil in den Vorjahren das Interesse am Selberpflücken etwas nachgelassen hatte: „Keiner wollte mehr selbst Marmelade kochen, jetzt ist wegen der Pandemie wieder Zeit dafür.“ Auf der anderen Seite macht es sie angesichts der Auflagen etwas nervös, die ihr gerade erst zum Schutz vor Corona von den Behörden übermittelt wurden: „Ob wir das auch alles so umsetzen können, wenn so viele Kunden kommen?“
Hygiene-Maßnahmen: Mundschutzpflicht am Erdbeerfeld
Selbst am Feld wird Mundschutz zu tragen sein, obwohl sich die Kunden an der frischen Luft aufhalten. Desinfektionsmittel müssen gestellt werden und für manches Problem (Einhaltung der Abstandsregel) wird noch an einer Lösung getüftelt. Trotzdem ist sie froh, dass die Saison jetzt startet. Endlich sind die Eisheiligen vorüber und die Obstbauern können das Vlies entfernen, das die Beerenfrüchte vor dem Frost schützte. Ein Jahr Vorarbeit und mehrere zu unterschiedlicher Zeit blühende Sorten stecken die Landwirte in ein Feld, bis es erstmals hoffentlich reiche Früchte trägt.
Fotografen, Grafiker und Selbstständige helfen bei der Erdbeer-Ernte
Besonders dankbar ist Familie Seibold für die Unterstützung durch sehr engagierte und fleißige deutsche Studenten und Selbständige, darunter Fotografen und Grafiker, die wegen Corona nicht in ihrem Beruf arbeiten können. Sie sprangen für die Erntehelfer aus Osteuropa ein, die Familie Seibold nicht einfliegen lassen konnte: „Manche unserer Stammkräfte kommen aus militärischem Sperrgebiet, andere würden nie in ein Flugzeug steigen, weil sie sich in ihrer Heimat noch mit dem Pferdekarren bewegen. Außerdem müssten wir die Kosten für die Tickets tragen. Dafür kommt keine Regierung auf.“
Preise für Erdbeeren haben sich wegen Corona-Krise leicht erhöht
Auch Obstbauer Josef Kraus in Gessertshausen, einer der größeren der Branche, öffnet in Kürze seine elf Selbstpflückplantagen. Sie machen etwa ein Viertel seiner Anbaufläche aus. Dieses Jahr holte Kraus seine Erntehelfer per Flugzeug aus Rumänien. Die Pandemie machte außerdem die Anmietung größerer Quartiere und zusätzlicher Busse für den Transport der Arbeiter nötig. Der Landwirt, der seit 35 Jahren Obstanbau betreibt, weiß, dass er die Mehrkosten nicht auf den Verbraucher umlegen kann. „Wir werden nur leicht erhöhen, kalkulieren mit etwa 3,30 Euro pro selbst gepflücktem Kilo.“ Das ist nur noch etwas mehr als die Hälfte des Preises, der für die erste heimische Ware im Laden verlangt wurde.
Die Mühe, sich selbst auf dem Acker nach den leckeren roten Früchten zu bücken, lohnt sich nicht nur aus Spargründen. Das Sammeln macht ja auch Spaß, vor allem wenn Kindern dabei sind. „Man kann sich die reifsten Früchte rauspicken und nebenbei auch die eine oder andere Erdbeere naschen“, erklärt Gartenbauingenieurin Ines Mertinat.
Das meiste Vitamin C haben Erdbeeren aus Deutschland
Früchtefans wie sie freuen sich schon darauf. Denn Erdbeeren gibt es zwar oft schon weit vor der Saison. Doch dann werden sie aus Südeuropa oder Nordafrika herbeigekarrt. Knapp die Hälfte der in Deutschland verarbeiteten Früchte wird im Ausland produziert, hauptsächlich in Spanien (rund 92.000 Tonnen) und den Niederlanden (rund 13.000 Tonnen). Den echten Beeren-Genuss und viel Vitamin C liefern Erdbeeren (ihr lateinischer Name heißt übersetzt „essbarer Duft“) aber erst, wenn sie bei uns geerntet werden. Weil die hierzulande angebauten Sorten nicht so fest und transportfähig sein müssen wie Importware, können sie etwas weicher und damit auch aromatischer sein.
Rund drei Kilo Erdbeeren essen Deutsche durchschnittlich
Erdbeeren gehören zu den liebsten Früchten der Deutschen. Rund drei Kilo verzehrt jeder von uns im Durchschnitt. Die meisten gehen beim Discounter (44 Prozent) über den Tresen. Direkt beim Erzeuger und an sonstigen Einkaufsstätten, etwa Selbstpflückplantagen, wird jede zehnte Erdbeere gekauft.
Ines Mertinat, die für den Landesverband für Gartenbau und Landespflege tätig ist, zieht ihre Erdbeeren selbst auf dem Balkon: „Für einen Kuchen reicht die Ernte zwar nicht, dafür habe ich immer leckere frische Früchte zum Naschen parat.“ Ob in einer Weinkiste, einem großen Terrakotta-Topf (speichert zusätzlich Wasser!) oder in einem Balkonkasten kann man bis zu fünf Pflanzen pro Meter reifen lassen, beispielsweise die Sorten Gento oder Korona (kein Witz). Schön machen sich dazu Kräuter wie Melisse, Minze oder Kapuzinerkresse. Sehr aromatisch sind kleine Walderdbeeren, zum Beispiel die Sorte Fontaine.
Aufbewahrungs-Tipp: Ungewasche Erdbeeren nur zwei Tage lagern
Weil die Früchte druckempfindlich sind, beim Ernten am besten am Stiel fassen und abknipsen. Erdbeeren ungewaschen (!) maximal zwei Tage lang im Kühlschrank aufbewahren. Erde nur abpinseln oder vorsichtig und ganz kurz mit kühlem Wasser abspülen. Sonst leidet das Aroma der roten Diven und das wäre doch schade.
Ein ebenso feines wie einfaches Erdbeerkuchen-Rezept finden Sie beispielsweise auf dem Blog treatandfeet.de von Ernährungswissenschaftlerin Sonja Schäche. Erdbeeren machen sich aber auch in Salaten oder mit Spargelgerichten kombiniert gut.
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