Millionen Strom- und Gaskunden haben die Hiobsbotschaft längst schwarz auf weiß, dass ihre Versorger die Tarife erhöhen, schlimmstenfalls um das Doppelte. Anderen steht die unangenehme Post noch bevor, wie Peter Lassek betont, Rechtsanwalt bei der Verbraucherzentrale Hessen. Wer auf Discount-Anbieter gesetzt hat, müsse gar mit „Wild-West-Methoden“ wie Lieferstopp und Vertragskündigung rechnen, mit der Verdoppelung von Abschlägen, mit Ignorieren von Preisgarantien oder gar Insolvenz des Versorgers. Doch aufgepasst: Auf die Schnelle wechseln kann zum Bumerang werden, mahnen Verbraucherschützer zur Zurückhaltung. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was tun, wenn die Preiserhöhung für Strom oder Gas kommt?
Über 300 Gasgrundversorger haben bereits Preiserhöhungen von durchschnittlich 22,1 Prozent und mehr angekündigt, hat das Vergleichsportal Check24 beobachtet. 118 Stromgrundversorger verlangen im Schnitt um die zehn Prozent mehr. Grundsätzlich sollten Kundinnen und Kunden jedes Schreiben genau durchlesen, auch wenn es wie Werbung wirkt. Informationen zu Tarifverteuerungen werden oft auf der zweiten oder dritten Seite versteckt. Generell haben Verbraucher das Recht, bei Preisveränderung fristlos zu kündigen und sich eine Alternative zu suchen.
Wer von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht, kann den Vertrag zu dem Zeitpunkt beenden, an dem die Erhöhung in Kraft tritt. Gilt die Verteuerung also beispielsweise ab 1. Januar, muss die Kündigung bis zum 31. Dezember beim Unternehmen eingehen. Selbst kündigen statt auf ein Vergleichsportal zu setzen sei wichtig, damit die Frist gewahrt bleibe, rät Lassek.
Steigende Energiepreise: Lohnt sich ein Wechsel des Anbieters?
Normalerweise kann bei einem Umstieg ordentlich Ersparnis drin sein. Vor allem für die, die noch nie gewechselt haben. Aktuell ist aber eher Abwarten angesagt. „Viele Wechselwillige sollten momentan lieber die Füße stillhalten“, mahnt Lassek. Denn noch immer haben einige Gasversorger ihre Preise noch nicht erhöht. „Momentan fischen viele Billiganbieter nach Kundschaft. Sie können schon nach einem Monat höhere Preise verlangen“, gibt der Jurist zu bedenken. Der günstige Neue kann nach wenigen Wochen schon der Teuerste sein. Eine klassische Kundenfalle.
Wer zu schnell wechselt, hat womöglich schon bald höhere Kosten als vorher am Bein, erläutert auch Lorenz Bücklein, Energiereferent der Verbraucherzentrale Sachsen. Boni können zudem flöten gehen. „Zu bedenken gilt auch: So mancher lokale Grundversorger kann bessere Preise anbieten als die vermeintlich günstigere Konkurrenz“, betont Lassek. Einige große Anbieter nehmen zurzeit aber keine Neukunden mehr auf. Beim Strom gilt: Ab Januar sinken die Umlagen auf den Strompreis erheblich. Strom muss dann nicht zwingend teurer werden, je nach Anbieter.
Was passiert, wenn der Anbieter pleite geht und nicht mehr liefert?
Viele Energiekunden sind besorgt, weil ihr Strom- oder Gasanbieter offenbar in finanzieller Schieflage ist, kurzfristig die Belieferung einstellte oder gleich komplett kündigte. Und das nach oft nur kurzen Vertragslaufzeiten von wenigen Monaten oder Wochen – und trotz vorheriger Preisgarantie. Betroffen sind unter anderem Kunden von Unternehmen wie Strogon, Fuxx – Die Sparenergie, Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mit ihrer Marke „Immergrün“ oder die Deutsche Energiepool GmbH. Wird die Lieferung gekappt, sitzen die Kunden zwar nicht im Dunkeln oder müssen frieren. Sie fallen aber automatisch in die teure Ersatzversorgung des örtlichen Anbieters.
So ein dreister Rauswurf sei „klar vertragswidrig“, erläutert Lassek, Betroffene hätten gute rechtliche Chancen, sich zu wehren, Schadenersatz geltend zu machen und entgangene Boni einzufordern. Verbraucherzentralen bieten Unterstützung gegen Gebühr. Der Wechsel zu einem seriösen Anbieter ist zugleich ratsam.
Und wenn Versorger die Abschläge verdoppeln?
Zu den „Wild-West-Methoden“ so mancher Discount-Anbieter gehört zurzeit auch, von Kunden mit konstantem Verbrauch plötzlich doppelt so hohe Abschlagszahlungen zu verlangen, wie Lassek berichtet. Angeblich, um später hohe Nachzahlungen zu vermeiden. Doch das sei nicht rechtens, so Lassek. Und ein Vorkasse-Risiko obendrein, sollte dem Anbieter finanziell die Luft ausgehen. Wer sich gegen zu hohe Abschläge zur Wehr setzen will, für den halten die Experten des Online-Verbraucherportals Finanztip kostenfreie Musterschreiben bereit.
Aber: Lehnt man als Kundin oder Kunde ab, folgt meist eine deftige Preiserhöhung, so die Erfahrung Lasseks: „Deshalb kann es ratsam sein, fristlos zu kündigen und gleich einen seriöseren Anbieter zu suchen, statt lang zu streiten.“ Inzwischen beschäftigt sich die Justiz mit den umstrittenen Praktiken: So hat zum Beispiel das Landgericht Köln dem Anbieter Immergrün die Ankündigung und Einzug erhöhter Abschläge ohne vorherige Information für unzulässig erklärt und die Netzabmeldung von Kunden untersagt.
Warum geht’s online nicht immer zum besten Tarif?
Aufgepasst: Online-Vergleichsportale wie Verivox oder Check24 seien momentan zu intransparent, um für echten Durchblick etwa für Gaskunden zu sorgen, warnt Hans Weinreuter, Energieexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Stichproben hätten nachgewiesen, dass Grundversorger aktuell die günstigsten Tarife bieten. Wer über die genannten Portale sucht, bekommt diese aber gar nicht angezeigt, sondern nur ein Ranking überregionaler Versorger. „Unserer Ansicht nach wird ganz bewusst darauf verzichtet. Die Preisdifferenz wäre zu offensichtlich und die Kundinnen und Kunden würden nicht wechseln“, kritisiert Weinreuter.
Sein Tipp: Wer einen überregionalen Anbieter hat, sollte bei starker Preiserhöhung direkt beim örtlichen Versorger anrufen und nach günstigen Alternativen fragen. Für alle mit Sondervertrag bei einem Grundversorger gilt: nichts verändern. Und wer noch nie gewechselt hat und in der Grundversorgung steckt, sollte höchstens unternehmensintern nach günstigeren Tarifen suchen. Laufzeit: maximal ein Jahr.