Steuererklärungen auszufüllen macht selten Freude. Die Formulare sind schwer verständlich und man muss sich durch Unterlagen wühlen, die man doch eigentlich so schön übersichtlich abgeheftet hatte – dann aber doch die Übersicht verloren hat. Noch weniger Freude macht es aber, wenn es kaum möglich ist, die Unterlagen einzureichen, da alles am besten nur noch online funktioniert.
So ergeht es älteren Menschen oft, ganz aktuell etwa, wenn sie versuchen, ihre Grundsteuererklärung abzugeben, aber an den Vorgaben scheitern. So schildert es eine Leserin, die lieber nicht genannt werden möchte. Sie hat keinen Computer, niemanden der ihr helfen kann. Normalerweise bekommt sie Hilfe, ihre Lohnsteuer einzureichen - bei der Grundsteuer ist das aber nicht erlaubt. Formulare hat es beim Finanzamt gegeben, die sind aber schwer verständlich. Online gibt es Hilfestellungen. Aber für Menschen ohne Internetzugang bleiben sie verschlossen.
Nicht nur an dieser Stelle scheinen Ältere abgehängt. Dabei stellen sie keine Randgruppe dar: 2020 gab es laut Statistischem Bundesamt 18,3 Millionen Menschen, die 65 Jahre oder älter sind. 2037 werden schätzungsweise 23,3 Millionen Menschen in diese Altersgruppe fallen. Und die Digitalisierung schreitet voran: Erst kürzlich wurde eine neue Digitalstrategie beschlossen, mit der flächendeckende Glasfaserversorgung sowie digitale Verwaltungsleistungen erreicht werden sollen. Die Faxe sollen aus den Amtsstuben verschwinden, manchen würden sie aber helfen.
"Corona hat das deutlich gemacht, als Ältere ewig in den überlasteten Hotlines festhingen und andere über das Internet viel schneller einen Impftermin machen konnten", sagt Nicola Röhricht, Projektleiterin des "Digitalpakt Alter". Gleiches gelte für Testzentren, in denen erforderlich ist, dass sich zu Testende online anmelden und eine E-Mail-Adresse angeben müssen, um das Ergebnis zu erhalten. "Auch die öffentliche Verwaltung geht immer stärker auf eine Online-Terminvergabe über", sagt Röhricht. Im Alltag dasselbe Bild: Eine Fahrkarte der Bahn ist online meist günstiger. "Man hat also finanzielle Nachteile, man kann als Offliner keinen Preisvergleich machen."
Wenn die Angst zum Hindernis wird – Senioren machen sich aus unterschiedlichen Gründen Sorgen
Was sollte man also machen, wenn man Eltern oder Großeltern helfen möchte? "Denen, die noch nichts wissen, sollte man zeigen, was es online gibt", sagt sie. Das könne beispielsweise bedeuten, dass die Leute sich Videos zu ihrem Hobby anschauen können, oder per Google Earth über die Welt reisen können. "Wenn sie sehen, wie toll das ist, lernen sie viel schneller, die Technik zu beherrschen", erklärt Röhricht. Wenn die Frauen und Männer schon ein Gerät besitzen, sei wichtig, dass sie selbst die Smartphones bedienen, Helfende es also nicht selbst nehmen und ihnen fertig eingestellt in die Hand drücken. Nur so könnten Kompetenzen erworben werden.
Generell seien die Seniorinnen und Senioren gewillt, digitale Angebote zu nutzen. Die Ängste seien aber sehr groß, weil sie etwa von Internet-Kriminalität lesen. An dieser Stelle bessere der Staat glücklicherweise nach. "Die Leute sehen nur, wie wir auf unsere Geräte schauen und in der Bahn und zu anderen Gelegenheiten gar nicht mehr miteinander in Kontakt treten. Das schreckt viele ab", sagt Röhricht. Andere würden den Nutzen nicht sehen. "Viele haben eben auch Ängste, dass sie gar nicht mehr in der Lage sind, die moderne Technik zu bedienen. Aber wir können lebenslang Neues lernen", ermutigt Röhricht. Vielleicht hätten die Leute auch schon einen Kurs gemacht, um den Umgang mit Technik zu lernen, der ihnen aber Angst gemacht hat, weil er nicht auf Anfänger ausgelegt war. Deswegen brauche es niedrigschwellige, kostenlose Angebote.
Digitalisierung bedeutet nicht, dass Dienste nur noch online angeboten werden können
Ein Recht auf analoge Angebote gibt es nicht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) setzt sich allerdings dafür ein – während Wirtschaft und Politik auf zunehmende Digitalisierung setzen. Röhricht fordert daher: „Dienstleister, zum Beispiel die öffentliche Verwaltung, sollten persönlich oder telefonisch erreichbar sein.“ Generell müssten mehr Stellen durch hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besetzt werden. Zudem sollen die öffentliche Verwaltung den Menschen weiterhelfen und die Geräte so gebaut werden, dass sie besonders anfängerfreundlich sind.
Auch die Verbraucherzentrale Bayern erkennt bei der zunehmenden Digitalisierung des Alltags kritische Punkte. Tatjana Halm, Referatsleiterin Markt und Recht und Rechtsanwältin sagt: "Immer mehr Abläufe und Prozesse im normalen Alltag werden digital, seien es Bezahlmethoden, Ticketkäufe oder Terminbuchungen. Teilweise lässt sich schon feststellen, dass analoge Alternativen gar nicht mehr mitgedacht werden. Es wird daher sicher immer schwieriger für Menschen, gesellschaftlich gleichberechtigt teilzunehmen, wenn sie die digitalen Angebote nicht nutzen wollen oder können."
Halm versichert, dass behördliche Angelegenheiten grundsätzlich auch analog zu erledigen sein müssten. Hier dürfe niemand ausgeschlossen werden. "Allerdings ist zu befürchten, dass es immer umständlicher werden kann, dies auch ohne die digitalen Angebote umzusetzen." Zu der Frage, wie sich die Älteren digital fit machen können, sagt sie: "Sie können die vielen Angebote nutzen, die speziell für Seniorinnen und Senioren erarbeitet wurden. Zum Beispiel bieten auch wir immer mal wieder Veranstaltungen an, bei denen wir ganz praktische Tipps geben, wie man ein Smartphone oder ein Tablet sicherer machen kann."