Wer häufig Zug fährt, kennt es: Wieder einmal ist die Bahn verspätet. Den Anschlusszug zu bekommen wird unmöglich. Der einzige Lichtblick: Wenn die Verspätung groß genug ist, bekommen Fahrgäste einen Teil des Fahrtpreises erstattet. Bislang war das recht kompliziert - nun soll es deutlich leichter gehen.
Ab Juni braucht man kein Fahrgastrechteformular mehr
Um Schadenersatz bei Zugproblemen und -verspätungen zu bekommen, mussten Zugreisende bisher das "Fahrgastrechteformular" analog ausfüllen und im Reisezentrum eines Bahnhofs einreichen oder per Post an den Konzern schicken. Ab dem ersten Juni soll es möglich sein, das Formular komplett digital in der DB-Navigator-App einzureichen. Das soll laut Bahn innerhalb von fünf Minuten funktionieren.
Um das Papier-Formular auszufüllen mussten bisher Zugnummern herausgesucht und Fahrkarten eingereicht werden. In der App sind diese Informationen bereits hinterlegt. Schon jetzt gibt es Firmen, die einem den lästigen Schriftverkehr abnehmen, doch diese wollen einen Teil der Rückerstattung als Provision. Das soll beim hauseigenen Angebot des Konzerns wegfallen.
Einzige Bedingung für das neue Verfahren: Die Fahrkarte muss über die App gebucht worden sein, oder im Falle einer Zeotkarte, oder Bhncard dort eingespeichert sein. Nach Angaben der Bahn, trifft das aber ohnehin bereits für vier von fünf gekauften Tickets zu. Wer die App nicht nutzen möchte oder kann, hat weiterhin die Möglichkeit, sein Geld mit dem Papierformular zurückzubekommen.
Ihre Rechte, wenn Ihr Zug Verspätung hat
Aber wann haben Reisende Anspruch auf Schadensersatz? Die Rechte von Zugfahrgästen sind über die europäische Fahrgastverordnung europaweit einheitlich geregelt. Ab einer Stunde Verspätung gibt es 25 Prozent des Kaufpreises zurück. Ab zwei Stunden Verspätung wird die Hälfte des Fahrpreises erstattet. Es zählt der Abstand zwischen geplanter und tatsächlicher Ankunft am Ziel, auch wenn dieser durch mehrere Züge entstanden ist. Allerdings gelten nur die Verspätungen, die bei der Fahrt mit einem Ticket angefallen sind. Wer zum Beispiel mit einem Bayern-Ticket an die Freistaatsgrenze fährt und dann mit einem anderen Ticket nach Stuttgart weiter, muss etwaige Verspätungen getrennt berechnen. Für Zeitkarten gibt es eine pauschale Entschädigung.
Wer ein Ticket mit Zugbindung gekauft hat - also nur bestimmte Verbindungen nutzen darf - muss sich ab einer Verspätung von mehr als 20 Minuten nicht mehr daran halten und darf auch eineteurere Verbindung nehmen. Ab 60 Minuten angekündigter Verspätung kann man sein Ticket zurückgeben und bekommt den vollen Kaufpreis erstattet. Das kann Sinn ergeben, wenn man durch die Verspätung etwa einen Termin verpasst hat. Wer erst unterwegs von der Verspätung erfährt, kann in diesem Fall auf Kosten der Bahn den nächsten Zug nach Hause nehmen.
Anders als Fluglinien muss die Bahn dank eines Urteils des europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2013 auch geradestehen, wenn die Verspätung durch sogenannte "höhere Gewalt" entstanden ist, also wenn die Bahn nichts dafür kann. Etwa bei einem Lokführerstreik, Suizidversuch oder Sturmschäden. Für Folgeschäden, wie einen verpassten Flug, muss sie aber nicht haften. Das soll sich 2023 allerdings ändern. Dann soll eine neue Fassung der europäischen Fahrgastverordnung in Kraft treten, nach der Bahnunternehmen nicht mehr für "außergewöhnliche Umstände" haften sollen.
Brauche ich eine Bestätigung, wenn meine Bahn sich verspätet?
Eine schriftliche Bestätigung der Verspätung wird normalerweise nicht gebraucht, denn die Deutsche Bahn archiviert die Ankunfts- und Abfahrtszeiten ihrer Züge. Falls die Bahn sich aus irgendeinem Grund weigert, zu zahlen, kann eine schriftliche Bestätigung allerdings hilfreich sein. Bekommen kann man sie bis zu fünf Tage später an der jeweiligen Bahnhofsinformation.
Wenn die Bahn sich nachts verspätet, hat man als Fahrgast besondere Ansprüche. Kosten für die Bahnalternative werden dann in Höhe von bis zu 80 Euro zurückerstattet. Wenn es ganz hart kommt, hat man sogar einen Anspruch auf eine Hotelübernachtung inklusive An- und Abfahrt. Die Kostenrückerstattung funktioniert mit dem gleichen Formular, wie die der Fahrkarte. Allerdings braucht man hier einen Beleg. Einen Anspruch auf Hotel oder alternative Beförderung gibt es jedoch nur unter zwei Bedingungen.
- Der Zug hätte zwischen null und fünf Uhr am Zielbahnhof ankommen sollen und hat mehr als 60 Minuten Verspätung.
- Die letzte Zugverbindung des Tages ist ganz ausgefallen, sodass der Zielbahnhof nicht bis Mitternacht erreicht werden kann.
Für Konflikte und Probleme haben die Deutschen Zugunternehmen ein Servicezentrum Fahrgastrechte (Telefonnummer: 030/ 58 60 20 920) eingerichtet. Wenn es hier keine Lösung gibt, muss die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr eingreifen. Diese kann unter 030/64 49 93 30 erreicht werden.
Lesen Sie auch:
- Anwalt, Schäfer, Lehrer, Student: Wie viel verdienen Sie, wofür geben Sie Geld aus?
- So wird die Reisesaison im Corona-Sommer 2021
- Bahnhof in Westheim ohne Dach? Die Umbaupläne stoßen auf Zorn