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Demografie: Japan setzt auf seine graue Turnschuhgeneration

Demografie

Japan setzt auf seine graue Turnschuhgeneration

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    Harumi Okubo (79, rechts) und ihre Kollegin Tomoko Horiuchi (58) beim Oyaki-Backen in einem Restaurant, wo sie arbeiten.
    Harumi Okubo (79, rechts) und ihre Kollegin Tomoko Horiuchi (58) beim Oyaki-Backen in einem Restaurant, wo sie arbeiten. Foto: Lars Nicolaysen, dpa

    Harumi Okubo füllt mit ihren kleinen Händen runde Teigtaschen mit Gemüse und reiht sie neben einer qualmenden Feuerstelle auf. "Unsere Generation hat immer hart gearbeitet", erzählt die Japanerin stolz.

    Okubo ist 79 Jahre alt. Seit sechs Jahren backt sie in einem Restaurant ihres Heimatdorfes Ogawa in Japans bergiger Präfektur Nagano Oyaki, ein mit Gemüse oder süßer Bohnenpaste gefülltes Gebäck. "Hier kann ich plaudern. Zu Hause hätte ich mit meinem Mann ja gar nichts zu bereden", lacht die zweifache Ur-Großmutter. "Arbeiten, um ein Leben lang aktiv zu bleiben", laute die Philosophie seines Unternehmens, sagt Okubos Arbeitgeber Koryu Gonda. Von seinen 70 Mitarbeitern seien 25 älter als 60 Jahre alt.

    Land mit der höchsten Lebenserwartung

    Keine andere Industrienation der Welt altert so rasant wie Japan. Der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung der vor Deutschland drittgrößten Volkswirtschaft der Welt liegt laut dem Innenministerium in Tokio inzwischen bei 29,1 Prozent. Japan erfreut sich zugleich der höchsten Lebenserwartung in der Welt - 2021 lag sie bei durchschnittlich 87,6 Jahren für Frauen und 81,5 für Männer.

    Da kann es nicht verwundern, dass der Anteil der Menschen, die noch im Seniorenalter arbeiten, in Japan höher liegt als in anderen entwickelten Ländern. Inzwischen sind rund neun Millionen davon älter als 65. Das ist ein Anteil von 13,5 Prozent an der erwerbstätigen Bevölkerung. In vielen Unternehmen in Japan ist es üblich, dass Beschäftigte mit 60 oder davor offiziell ausscheiden. Mehr als 80 Prozent werden dann zwar weiterbeschäftigt, allerdings zu oft drastisch niedrigeren Löhnen. Da Pensionen oft erst ab 65 Jahren gezahlt werden, sind viele Ältere schlicht darauf angewiesen weiterzuarbeiten.

    Viele von ihnen müssen ihren Lebensunterhalt mit schlecht bezahlten, anstrengenden und oft instabilen Jobs verdienen, zum Beispiel als Wachleute an Baustellen oder Gebäudereiniger. Andererseits zeigten Statistiken, dass die Arbeitsbereitschaft älterer Japaner generell höher sei als in einigen westlichen Ländern, erklärte Miho Fujinami von der Chiba Keizai Universität in der Zeitung "Japan Times". Menschen wie Harumi Okubo und ihre Kolleginnen und Kollegen. Ihre Heimatpräfektur Nagano ist die Präfektur in Japan mit dem höchsten Anteil an Beschäftigten im Alter von über 65 Jahren: 31,6 Prozent.

    Gemeinschaftliche Einrichtung für Junge und Alte

    Beispielgebend für das ganze Inselreich achtet man hier in besonderem Maße auf die Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung. So rühmt sich die bergige Präfektur damit, dass die Bewohner dort täglich viel mehr Gemüse essen als der Landesdurchschnitt. Nach dem Motto "Vorbeugung ist besser als Behandlung" habe man schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen, Ärzte und Krankenschwestern für regelmäßige Untersuchungen in die Dörfer zu schicken, erzählt Shusuke Natsukawa, Ehrendirektor des Saku Central Hospital in Nagano. Heute sind solche Gruppenuntersuchungen in Firmen und Gemeinden in ganz Japan üblich.

    Auf einem nahen bewaldeten Hügel betreibt Satoko Fujioka eine innovative medizinische Einrichtung, die in Kooperation mit Natsukawas Krankenhaus ärztliche Hausbesuche organisiert und zugleich Alten und Jungen einen kreativen Ort der Gemeinschaft bietet. Umgeben von Büchern, Musikinstrumenten und Spielzeug betreuen Fachkräfte in dem gemütlichen Holzhaus behinderte Kinder, während neben ihnen Seniorinnen freiwillig für alle kochen. "Ein Platz mit einer Klinik und großen Küche", beschreibt Fujioka ihre "Hotch-Lodge" lächelnd.

    Die "Hotch-Lodge" will alten Menschen eine Gemeinschaft bieten und zugleich Barrieren überwinden. Immer mehr Seniorinnen und Senioren in Japan leben allein. War es früher üblich, dass mehrere Generationen unter einem Dach lebten und sich die Jüngeren um die Alten kümmerten, geht der Trend heute zunehmend zur Kernfamilie - auch in Nagano. In der "Hotch-Lodge" finden Alte wieder Anschluss. "Wir sehen hier in den Menschen nicht nur Patienten oder die Folgen des Alterns", erklärt Fujioka das Konzept. Jeder habe eine Persönlichkeit, Fähigkeiten und Erfahrungen, die sie hier für die Gemeinschaft einbringen könnten.

    Die zukünftige Demografie Japans ist ungewiss

    Initiativen wie diese tragen dazu bei, dass die Menschen bis ins hohe Alter gesund bleiben - und länger arbeiten können. Und damit zugleich das Gesundheitssystem entlasten. Denn das gerät angesichts eines Rückgangs der Geburten und der Überalterung zunehmend unter Druck. Hinzu kommt der Umstand, dass das G7-Land Japan keine aktive Immigrationspolitik betreibt. Und so ist die Nation laut Experten auf seine fitten Seniorinnen und Senioren angewiesen. Doch Japans Bevölkerung schrumpft - und damit auch die Zahl der Beschäftigten.

    Die Alten allein sind denn auch längst nicht genug, um sich gegen den zunehmenden Mangel an Arbeitskräften zu stemmen. Deswegen hat die Regierung die Ankurbelung der Geburtenrate zur wichtigsten Aufgabe des Staates erklärt. "Die nächsten sechs oder sieben Jahre werden unsere letzte Chance sein", sagt Regierungschef Fumio Kishida. Er will hierzu unter anderem finanzielle Anreize schaffen und dafür sorgen, dass sich mehr Männer an der Kindererziehung beteiligen.

    "Wir werden daran arbeiten, die nationale Mentalität zu ändern, um die Herausforderungen zu bewältigen", verspricht Kishida. Shusuke Natsukawa vom Saku Central Hospital in Nagano ist jedoch skeptisch. Der Staat habe schon oft große Dinge verkündet, sagt er. Es sei für viele junge Menschen heute einfach "unrealistisch, zu heiraten und Kinder zu bekommen", beklagt er. "Die Zukunft ist sehr ungewiss".

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    (Von Lars Nicolaysen, dpa)

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