Als am ersten bundesweiten Warntag 2020 vielerorts die Sirenen stumm blieben, waren viele Menschen irritiert. Funktioniert das Warnsystem im Katastrophenfall überhaupt? Seitdem wurde viel Geld investiert - und die Behörden wollen es heuer besser machen. Sirenenalarm, Benachrichtigungen über Smartphone, Fernsehen und Radio: Alle verfügbaren Warnmittel sollen am Donnerstag, 8. Dezember, zum Einsatz kommen. Bund, Länder und die örtlichen Behörden haben geplant, wie die Übung ablaufen soll. Dabei werden aber auch in diesem Jahr nicht überall die Sirenen heulen.
Warntag 2022: Bund und Länder setzen auf Warnmittelmix
Denn die Teilnahme am bundesweiten Warntag ist freiwillig. Nicht alle Kommunen werden ihre Sirenen und andere Systeme vor Ort testen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) empfiehlt, sich in ihren Kommunen - etwa im Rathaus oder bei der Feuerwehr - zu informieren, ob und auf welchen Wegen diese plant, vor Ort zu warnen. Unabhängig vom Wohnort wollen Bund und Länder aber praktisch jede und jeden erreichen - und setzen auf einen Warnmittelmix.
Wie soll die Übung ablaufen? Alle beteiligten Kommunen, Behörden und örtlichen Einsatzkräfte werden am Donnerstag um 11 Uhr die verschiedenen Warnmittel aktivieren. Dazu zählen laut BBK digitale Stadtanzeigetafeln, Sirenen und Lautsprecherwagen. Darüber hinaus soll es Warnungen per Fernsehen, Radio und Warn-Apps für Smartphones geben. Erstmals soll außerdem eine Probewarnmeldung über das sogenannte "Cell Broadcast" verschickt werden. Das funktioniert ganz ohne App. Rund die Hälfte aller Handys in Deutschland können die Warnung empfangen. Dabei wird die Meldung an alle in einem bestimmten Abschnitt des Mobilfunknetzes befindlichen Handys versendet. Die Geräte sollen auch vibrieren, ein Lichtsignal aussenden und mit einem lauten Ton auf die Nachricht hinweisen. Um 11.45 Uhr soll es Entwarnung geben. "Mit keinem Warnmittel können wir mehr Menschen erreichen", so das BBK.
"Cell Broadcast" erreicht rund die Hälfte aller Handys in Deutschland
Aber: Ältere Geräte können die Warnung oft nicht empfangen. Auch ein Smartphone "muss über eine aktuelle Softwareversion verfügen, die den Empfang von Cell Broadcast-Warnmeldungen unterstützt", erklärt eine Sprecherin des BBK. Bei den Warnapps empfiehlt die Behörde vor allem die vom Bund betriebene App "NINA". Sie unterscheidet zwischen verschiedenen Anlässen, etwa Wetterwarnungen, Hochwasserinformationen, Großbränden oder Gefahrenstoffausbreitung. In einigen Regionen Deutschlands kommen auch andere Warnapps zum Einsatz, wie "Katwarn" oder "Biwapp".
Sinn des Warntages ist, zu sehen, ob im Ernstfall technische Abläufe und Warnmittel funktionieren. "Im Nachgang werden von den Verantwortlichen gegebenenfalls Verbesserungen vorgenommen und so das System der Bevölkerungswarnung sicherer gemacht", so die Sprecherin des BBK. Bei der letzten Warnung vor zwei Jahren offenbarten sich bereits Schwachstellen. Durch technische Fehler wurde die Probemeldung verzögert gesendet. So reagierte etwa die Warnapp "NINA" erst verspätet. Der Fehler habe im Nachgang behoben werden können. Das Warnsystem sei weiterentwickelt und stabiler gemacht worden.
130 bis 200 Millionen Euro für flächendeckenden Sirenenausbau in Bayern
Auch heuer sind aber nicht flächendeckend Sirenen vorhanden. "Die Entscheidung, ob Sirenen vorgehalten, betrieben und regelmäßig gewartet werden, treffen die Städte und Gemeinden in eigener Zuständigkeit. Die verwendete Auslösetechnik entspricht zum Teil nicht mehr den aktuellen Standards", teilt das BBK mit. Eine Verbesserung sei aber durch das Sirenenförderprogramm des Bundes eingeleitet worden. Bundesweit wurden nach Angaben der Behörde rund 6900 Förderanträge zur Ertüchtigung oder zum Aufbau von Sirenenanlagen gestellt.
Offenbar aber noch zu wenige. Das bayerische Innenministerium teilt auf Nachfrage mit, dass viele Sirenenanlagen weiterhin nicht digital angesteuert werden könnten. Bis zur digitalen Umsetzung könnten jedoch analoge Steuereinheiten genutzt werden. Zudem gebe es rein analoge Sirenen, mit denen normalerweise die Feuerwehr alarmiert wird. Sie könnten den einminütigen Heulton zur Warnung der Bevölkerung nicht aussenden. Hier müssten moderne Sirenenanlagen errichtet werden. "Für Bayern gehen wir von einem Finanzierungsbedarf von 130 bis 200 Millionen Euro aus, um einen flächendeckenden Sirenenausbau realisieren zu können", heißt es aus dem Ministerium.
Die Bevölkerungswarnung gewinne angesichts immer häufiger vorkommender Bedrohungen durch Naturkatastrophen an Bedeutung, heißt es in der Erklärung. Sie verfolge aber mehrere Zwecke und nicht allein die konkrete Warnung vor Naturgefahren. Anlass einer Warnung könne etwa auch eine gefährliche Wetterlage, eine akute Sicherheitsgefahr (etwa ein bewaffneter Angriff), ein Unfall in einem Chemiebetrieb, Störungen des Verkehrs, ein Stromausfall oder auch ein klassischer Brand unter Freisetzung von gefährlichen Gasen sein.