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Bedeutendster Chemiker-Preis: Chemie-Nobelpreis für Vorhersage und Bau von Proteinen

Bedeutendster Chemiker-Preis

Chemie-Nobelpreis für Vorhersage und Bau von Proteinen

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    Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr zu einer Hälfte an David Baker (USA), zum anderen Teil zusammen an Demis Hassabis und John Jumper, die beide in Großbritannien arbeiten.
    Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr zu einer Hälfte an David Baker (USA), zum anderen Teil zusammen an Demis Hassabis und John Jumper, die beide in Großbritannien arbeiten. Foto: Steffen Trumpf/dpa

    Mit Künstlicher Intelligenz die Struktur von Proteinen vorhersagen und solche komplexen Moleküle zusammenbauen: Die diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger haben das Feld der Proteinforschung revolutioniert. Die Auszeichnung geht zu einer Hälfte an David Baker (USA), zum anderen Teil an Demis Hassabis und John Jumper, die beide in Großbritannien bei der Google-Tochter DeepMind arbeiten, wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mitteilte.

    Proteine steuern nahezu alle Prozesse in Zellen. Ihre Funktion hängt maßgeblich von ihrer dreidimensionalen Struktur ab, der sogenannten Faltung. Baker (62) erhält den Preis für rechnergestütztes Proteindesign, Hassabis und Jumper für die Vorhersage der Faltung von Proteinen durch Künstliche Intelligenz (KI).

    Freudenschreie am Telefon

    «Ich fühle mich zutiefst geehrt», sagte Baker, als er telefonisch zu der Preisbekanntgabe zugeschaltet wurde. Der Forscher in den USA war vom berühmten Anruf aus Stockholm aus nächtlichem Schlummer gerissen worden. Seine Frau habe vor Freude so laut zu schreien begonnen, dass er den Anrufer nicht gut habe verstehen können, sagte er. «Es war sehr, sehr aufregend.»

    Hassabis (48) und der 1985 geborene Jumper hätten ein KI-Modell entwickelt, um ein jahrzehntealtes Problem zu lösen: die Vorhersage der Strukturen von Proteinen, hieß es vom Nobelkomitee weiter. Jumper zählt zu den wenigen Chemie-Nobelpreisträgern, die bereits vor ihrem 40. Lebensjahr mit der Auszeichnung geehrt werden. Der bislang jüngste Preisträger war im Jahr 1935 der damals 35-jährige Frédéric Joliot.

    Vom Schachmeister zum Proteinzauberer

    Hassabis, der schon als Vierjähriger Schach spielte und mit 13 Jahren Schachmeister wurde, programmierte als Jugendlicher Computerspiele und wandte sich dann der Künstlichen Intelligenz zu. 2010 gründete er das Unternehmen DeepMind mit, das KI-Modelle für Brettspiele wie Go entwickelte und 2014 an Google verkauft wurde. DeepMind erregte unter anderem Aufsehen, als die KI Go-Champions besiegte.

    Danach begann Hassabis mit seinem Team, an der KI-gestützten Vorhersage von Proteinstrukturen zu arbeiten. Das Ergebnis von Hassabis' Forschung war das erste KI-Modell «AlphaFold», das Proteinstrukturen mit einer Genauigkeit von fast 60 Prozent vorhersagte. Verbessert wurde es, als Jumper 2017 zum Unternehmen stieß. Gemeinsam leiteten er und Hassabis die Arbeit, die das KI-Modell grundlegend reformierte.

    2020 präsentierte das Team «AlphaFold2». Diese Version nutzt neuronale Netzwerke, um die Faltung von Proteinen anhand ihrer Aminosäurenabfolge vorherzusagen. Das Programm schneidet dabei fast so gut ab wie die Röntgenkristallographie, die fünf Jahrzehnte lang das gängigste, aber aufwändige Werkzeug für die Erstellung von Bildern verschiedener Proteine war.

    «Das neue, KI-basierte Werkzeug hat zunächst einen Schock ausgelöst», sagte der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer. «Zehntausende Forscher haben ihre ganze Karriere damit verbracht, Proteinstrukturen zu ermitteln oder Wege zu finden, diese vorherzusagen», sagte der Molekularbiologe. «Nun ist die Vorhersage mit einem Schlag gelungen.»

    Immens gesteigerte Geschwindigkeit

    Mit Hilfe von «AlphaFold2» lasse sich aus der DNA oder der Abfolge von Aminosäuren sehr schnell die 3D-Struktur vorhersagen. Davor war das anders: «Ich habe während meiner Doktorarbeit ganze zwei Proteinstrukturen ermittelt», erinnert sich Cramer. «Die KI hat die Regeln gelernt, nach denen die Natur Proteine faltet.» Das sei mit Hilfe von rund 200.000 experimentell von Forschern bestimmten Proteinstrukturen gelungen. «Der Beitrag der weltweiten Forschercommunity war, über 50 Jahre lang diese Strukturen zu bestimmen und zu sammeln. So schufen sie eine Basis für das Training der KI.»

    Inzwischen hat Google DeepMind «AlphaFold 3» vorgestellt, das noch effizienter und genauer arbeitet. «Es ist eine Technologie, die die Lebenswissenschaften revolutioniert. Strukturen der Proteine werden verlässlich vorhergesagt und Veränderungen der Proteine, die Krankheiten zugrunde liegen, können schneller interpretiert werden», erklärte MPG-Präsident Cramer.

    Proteine aus dem KI-Baukasten

    Neben der möglichst exakten Beschreibung blieb auch die Schaffung neuer Proteine lange Zeit nur ein Wunschziel chemischer Forschung - bis zur Arbeit von Baker. Der Biochemiker entwickelte an der University of Washington in Seattle Ende der 1990er Jahre die Software «Rosetta» zur Vorhersage der Faltung von Proteinen.

    Gemeinsam mit seinem Team kam Baker auf die Idee, das Programm umgekehrt zu nutzen: Anstatt Aminosäureabfolgen einzugeben und Proteinstrukturen zu erhalten, sollte es möglich sein, eine gewünschte Proteinstruktur einzugeben und Vorschläge für die Aminosäureabfolge zu erhalten. Das Ergebnis waren völlig neue, am Computer geschaffene Proteine.

    Solche Proteine mit neuen Funktionen können zu «neuen Nanomaterialien, zielgerichteten Pharmazeutika, einer schnelleren Entwicklung von Impfstoffen, kleinsten Sensoren und einer umweltfreundlicheren chemischen Industrie führen – um nur einige Anwendungen zu nennen, die zum größten Nutzen der Menschheit sind», hieß es vom Nobelkomitee.

    Diesmal nur Männer

    Alle sieben Preisträger der diesjährigen wissenschaftlichen Nobelpreise sind Männer. Die meisten forschten in den USA. Die Auszeichnung ist in diesem Jahr mit elf Millionen Kronen (rund 970 000 Euro) für jeden der drei Bereiche dotiert.

    Die US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun werden für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt. Den Physik-Nobelpreis erhalten zwei Wegbereiter Künstlicher Intelligenz: John Hopfield (USA) und Geoffrey Hinton (Kanada).

    Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben der diesjährigen Nobelpreisträger für Literatur und für Frieden. Die Reihe endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten sogenannten Wirtschafts-Nobelpreis.

    Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

    Johan Åqvist (r), Mitglied des Nobelkomitees für Chemie, erläutert die Arbeit von David Baker, Demis Hassabis und John M. Jumper, den diesjährigen Nobelpreisträgern für Chemie.
    Johan Åqvist (r), Mitglied des Nobelkomitees für Chemie, erläutert die Arbeit von David Baker, Demis Hassabis und John M. Jumper, den diesjährigen Nobelpreisträgern für Chemie. Foto: Christine Olsson/TT News Agency/AP/dpa
    Das neue, KI-basierte Werkzeug habe zunächst einen Schock ausgelöst, sagte Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). 2023 sprach er bei einem Festakt zum 75-jährigen Jubiläum der MPG abgebildert. (Archivbild)
    Das neue, KI-basierte Werkzeug habe zunächst einen Schock ausgelöst, sagte Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). 2023 sprach er bei einem Festakt zum 75-jährigen Jubiläum der MPG abgebildert. (Archivbild) Foto: Swen Pförtner/dpa
    Demis Hassabis, Mitbegründer von DeepMind Technologies, spricht auf einer Veranstaltung in Mountain View.
    Demis Hassabis, Mitbegründer von DeepMind Technologies, spricht auf einer Veranstaltung in Mountain View. Foto: Jeff Chiu/AP
    Demis Hassabis, CEO von DeepMind Technologies, nahm am britischen Sicherheitsgipfel für künstliche Intelligenz (KI) im Bletchley Park teil.
    Demis Hassabis, CEO von DeepMind Technologies, nahm am britischen Sicherheitsgipfel für künstliche Intelligenz (KI) im Bletchley Park teil. Foto: Toby Melville/Pool Reuters/AP/dpa
    Der US-amerikanische Forscher John Jumper erhält 2024 den Nobelpreis für Chemie für ein Programm zur Vorhersage komplexer Strukturen von Proteinen.
    Der US-amerikanische Forscher John Jumper erhält 2024 den Nobelpreis für Chemie für ein Programm zur Vorhersage komplexer Strukturen von Proteinen. Foto: Ben Peter Catchpole/Google DeepMind/AP/dpa
    Der Biochemiker Baker entwickelte an der University of Washington in Seattle Ende der 1990er Jahre eine Software zur Vorhersage der Faltung von Proteinen. Später schuf er ein Programm, zur Schaffung von Proteinen. (undatiertes Foto)
    Der Biochemiker Baker entwickelte an der University of Washington in Seattle Ende der 1990er Jahre eine Software zur Vorhersage der Faltung von Proteinen. Später schuf er ein Programm, zur Schaffung von Proteinen. (undatiertes Foto) Foto: Uncredited/UW Medicine/AP/dpa
    Diese Bildkombo zeigt die frisch gekürten Chemie-Nobelpreisträger David Baker (l-r), John Jumper und Demis Hassabis.
    Diese Bildkombo zeigt die frisch gekürten Chemie-Nobelpreisträger David Baker (l-r), John Jumper und Demis Hassabis. Foto: UW Medicine/Google DeepMind/AP/dpa
    Der Biochemiker Baker entwickelte an der University of Washington in Seattle Ende der 1990er Jahre eine Software zur Vorhersage der Faltung von Proteinen. Später schuf er ein Programm, zur Schaffung von Proteinen. (undatiertes Foto)
    Der Biochemiker Baker entwickelte an der University of Washington in Seattle Ende der 1990er Jahre eine Software zur Vorhersage der Faltung von Proteinen. Später schuf er ein Programm, zur Schaffung von Proteinen. (undatiertes Foto) Foto: Ian C. Haydon/UW Medicine/AP/dpa
    Der US-amerikanische Biochemiker David Baker telefoniert in seinem Haus in Seattle mit Demis Hassabis und John Jumper, die ebenfalls frisch gekürte Chemie-Nobelpreisträger sind.
    Der US-amerikanische Biochemiker David Baker telefoniert in seinem Haus in Seattle mit Demis Hassabis und John Jumper, die ebenfalls frisch gekürte Chemie-Nobelpreisträger sind. Foto: Ian C Haydon/Ian C Haydon/AP/dpa
    Demis Hassabis hat bereits die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford erhalten.
    Demis Hassabis hat bereits die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford erhalten. Foto: Andrew Matthews/PA Wire/dpa
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