Die Fliesenarbeiten wurden nicht richtig ausgeführt, die Photovoltaikanlage bringt nicht die erwartete Leistung, die Sanierung wurde dreimal teurer als angekündigt – mit solchen Fällen, und die Liste ließe sich wohl beliebig verlängern, hat Angela Rundt zu tun. Angela Rundt ist Juristin bei der Handwerkskammer Schwaben und dort für Vermittlungsverfahren zuständig. An sie können sich Auftraggeber von Handwerksbetrieben wenden, wenn es Streit um die Rechnung oder die Qualität der Arbeit gibt.
Voraussetzung für ein solches Vermittlungsverfahren ist, dass die Firma, die die Arbeiten ausgeführt hat, Mitglied der Handwerkskammer ist. „Das ist ein freiwilliges Verfahren, beide Seiten müssen zur Teilnahme bereit sein. Kosten entstehen keine“, erläutert Rundt und fügt hinzu: „Ziel ist eine schnelle außergerichtliche und gütliche Einigung.“
Ziel ist eine schnelle, außergerichtliche und gütliche Einigung
Dabei schildert der Antragsteller zunächst einmal schriftlich aus seiner Sicht den Sachverhalt und macht einen Vorschlag, wie das Problem zu lösen wäre. Die Juristin nimmt dann mit der Gegenseite Kontakt auf und fordert sie zu einer schriftlichen Stellungnahme plus Lösungsvorschlag auf. „In über der Hälfte der Fälle kommt es so zu einer Einigung. Man trifft sich in der Mitte“, bilanziert Rundt. Jährlich erhält die Handwerkskammer Schwaben rund 100 Anfragen für das Vermittlungsverfahren. Dabei geht es auch in die umgekehrte Richtung: Auch Handwerksbetriebe können von sich aus die Dienste von Rundt in Anspruch nehmen, wenn beispielsweise ein Kunde die Rechnung nicht zahlt.
Stephan Leupertz, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, kennt sich mit Fällen aus, bei denen es mitunter um Millionenbeträge geht. Seine Firma Leupertz Baukonfliktmanagement mit Sitz in Köln vermittelt im Fall von Baustreitigkeiten bei Großprojekten wie der Hamburger Elbphilharmonie. Der Baujurist erntet bei Konfliktparteien verwunderte Blicke, wenn er darauf hinweist: „Niemand ist gezwungen, das Recht auszuschöpfen. Wenn bei der Elbphilharmonie alle auf ihr Recht bestanden hätten, wäre dort heute noch eine Baustelle.“
Leupertz plädiert dafür, Regelungen für einen Streitfall schon im Bauvertrag zu treffen. Er hat an den Strukturen und der aktuellen Praxis im Bauwesen viel auszusetzen: „Ein Unternehmer bekommt einen Auftrag, wenn er als günstigster Anbieter einen Vertrag unterschreibt und später Nachforderungen stellt.“ Früher habe es kein Nachtragsmanagement gegeben. „Da müssen wir wieder hinkommen“, ist er überzeugt. Dann werde die Frage, welches Angebot unterm Strich am günstigsten ist, neu beantwortet.
Die Vorteile: Keine Gerichtskosten, eine schnelle Entscheidung, Erhalt der Geschäftsbeziehung
Gunnar Meyer ist Geschäftsführer eines Malerbetriebs mit 100 Beschäftigten im niedersächsischen Liebenau. Er hat die Vermittlung des Malerverbandes Niedersachsen in Anspruch genommen, als ein Kunde 30.000 Euro nicht zahlen wollte, weil es Uneinigkeit über die Fläche gab, die von der Malerfirma gestrichen und abgerechnet wurde. „Wir haben vor Ort unsere Standpunkte vorgetragen. Der technische Betriebsberater des Landesinnungsverbandes hat dann erläutert, welches Messverfahren korrekt ist und 15.000 Euro als Kompromiss vorgeschlagen. Dem haben wir und die Gegenseite zugestimmt“, sagt Meyer. Er sieht nur Vorteile: Keine Gerichtskosten, eine schnelle Entscheidung, Erhalt der Geschäftsbeziehungen zum Kunden.
Aus Rundts langjähriger Erfahrung sind meist Kommunikationsprobleme Ursache für den Ärger: „Es wird zu wenig über Geld gesprochen. Bei einer Sanierung sind anfangs die Kosten oft nicht abzusehen. Wird es dann deutlich teurer, ohne dass dies dem Bauherren klargemacht wird, ist Streit vorprogrammiert.“ Der Rat der Juristin lautet deshalb: „Vor Beginn sollten die vereinbarte Leistung und der Preis immer schriftlich festgehalten werden.“
Kontakt Die Vermittlungsstelle der Handwerkskammer für Schwaben in Augsburg erreichbar unter Telefon 0821 / 3259-1231 oder per E-Mail angela.rundt@hwk-schwaben.de
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