Immer mehr Menschen verzichten bewusst auf Alkohol oder reduzieren zumindest ihren Konsum. Die Gründe sind vielfältig – neben gesundheitlichen Aspekten spielen auch der Wunsch, den eigenen Lebensstil zu verbessern, oder religiöse Motive eine Rolle. Dazu passt, dass alkoholfreie Alternativen zu Bier, Sekt und Wein nicht nur im „Dry January“ an Beliebtheit gewonnen haben. Immerhin versprechen sie Genuss ohne die negativen Folgen des Alkoholkonsums.
Alkoholfreier Wein wird bei Konsumenten immer beliebter
Bei alkoholfreiem Wein stieg der Absatz laut dem Deutschen Weininstitut (DWI) von alkoholfreiem Wein allein im Jahr 2023 um etwa 27 Prozent. Mit rund einem Prozent am Gesamtweinmarkt ist der Marktanteil noch gering, der Trend zeigt jedoch deutlich nach oben.
Doch ist alkoholfreier Wein tatsächlich ein Genuss ohne Reue? Wie funktioniert der Herstellungsprozess und wie schneidet diese Alternative im Hinblick auf Geschmack und Qualität ab?
Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist Alkohol problematisch. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt es keine risikofreie Menge für den Alkoholkonsum. Selbst kleine Mengen können das Risiko für Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Alkohol wird zudem in Verbindung mit über 200 gesundheitlichen Problemen gebracht, darunter auch Lebererkrankungen und verschiedene Krebsarten.
Vorsicht: Alkoholfreier Wein ist oft nicht ganz ohne Alkohol
Will man auf Alkohol aber nicht auf den Weingenuss verzichten, erscheint alkoholfreier Wein die logische Alternative. Allerdings kommen nicht alle alkoholfreien Weine komplett ohne Alkohol daher. Lebensmittelrechtlich darf ein alkoholfreier Wein in Deutschland bis zu 0,5 Volumenprozent Restalkohol enthalten. Menschen, die vollständig auf Alkohol verzichten müssen – etwa Schwangere, Kinder oder trockene Alkoholiker – sollten beim Verzehr unbedingt darauf achten, dass auf dem Etikett neben der Bezeichnung „alkoholfrei“ auch „0,0%“ steht. Dann darf tatsächlich kein Alkohol mehr enthalten sein.
Wer auf seine Linie achtet oder abnehmen möchte, kann vom üblicherweise geringeren Kaloriengehalt alkoholfreien Weins profitieren. Er kommt in der Regel mit nur einem Drittel der Kalorien üblicher Weine daher. Verzichtet man auf alkoholhaltigen Wein, kann das dabei helfen, die Kalorienzufuhr zu senken.
Woher kommt der höhere Preis für alkoholfreien Wein?
Für viele überraschend ist der oft höhere Preis. Der resultiert unter anderem aus der aufwendigeren Herstellung und den Mengenverlusten durch die Entalkoholisierung.
Und wie stellt man alkoholfreien Wein her? Alkoholfreier Wein startet wie jeder andere Wein mit der Traubenlese. Danach werden die Trauben gepresst und vergoren. Hefen verwandeln während der Gärung den in den Trauben enthaltenen Zucker in Alkohol und Kohlendioxid. Alkoholfreiem Wein wird der Alkohol nach dem Gärvorgang wieder entzogen.
Dafür gibt es verschiedene Verfahren. Als besonders aromaschonend gilt die sogenannte Vakuumdestillation: Wein wird hierbei unter Vakuum gesetzt, der Siedepunkt des Alkohols sinkt. Dieser verdampft so schon bei rund 30 Grad, die Aromen des Weins bleiben in größerem Umfang erhalten. Eine weitere schonende Methode ist die Umkehrosmose. Hierbei wird der Wein durch spezielle Membranen gefiltert und der Alkohol aus dem Wein entfernt.
Warum nicht jeder Weinliebhaber von der alkoholfreien Variante überzeugt ist
Beide Verfahren haben das Ziel, die charakteristischen Aromen des Weins weitestgehend zu erhalten. Noch erfreut aber nicht jeder alkoholfreie Wein den anspruchsvollen Gaumen eines Weinliebhabers. Denn auch bei diesen fortschrittlichen Techniken zur Entalkoholisierung gehen Aromen, Geschmack und bis zu 20 Prozent Flüssigkeit verloren. Außerdem fehlt der Geschmacksträger Alkohol. Damit alkoholfreie Weine dem Original geschmacklich möglichst ähneln, setzen Hersteller Aromen, Fruchtkonzentraten, Zucker und Kohlensäure ein. Im Gegensatz zu herkömmlichem Wein findet man daher auf den Etiketten alkoholfreier Varianten auch eine Zutatenliste und ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Qualitativ hochwertige Grundweine und schonende Verarbeitung verbessern die Qualität.
Ganz ohne Reue bleibt der Genuss alkoholfreien Weins also nicht. Für diejenigen, die Abweichungen in Zusammensetzung und Geschmack sowie gegebenenfalls Restalkohol akzeptieren, kann alkoholfreier Wein aber durchaus eine Alternative sein.
Zur Person: Anja Schwengel-Exner ist Fachberaterin für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Bayern.
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