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Zahlungsverkehr: Bereiten Banken das Aus der Ein-Cent-Münze vor?

Zahlungsverkehr

Bereiten Banken das Aus der Ein-Cent-Münze vor?

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    Kupfermünzen im Wert von bis zu fünf Cent werden von der Volksbank Jever künftig nicht mehr auf die Nordseeinsel Wangerooge geliefert.
    Kupfermünzen im Wert von bis zu fünf Cent werden von der Volksbank Jever künftig nicht mehr auf die Nordseeinsel Wangerooge geliefert. Foto: Ralf Lienert (Symbol)

    Die Finanzwelt revolutioniert sich schleichend. Nachdem das örtliche Bankennetz in den vergangenen Jahren durch Internet-Filialen ersetzt wurde, scheint sich die Branche aktuell des Bargelds zu entledigen. In fast allen Supermärkten kann man nicht mehr nur mit Karte, sondern gar kontaktlos bezahlen. Daneben ermöglichen Anbieter wie Apple den Kauf des Apfelsafts. Nun auch noch das: Die einzige Volksbank auf der ostfriesischen Insel Wangerooge beliefert die ortsansässigen Geschäfte nicht nicht mehr mit Münzen im Wert von ein, zwei und fünf Cent. Stattdessen sollen die Preise beim Bäcker oder Metzger künftig gerundet werden. Alternativ kann der Kunde gleich bargeldlos zahlen. Eine Insel ohne Kupfer also – ist das die Zukunft?

    Grünen-Politiker Oliver Krischer fordert Abschaffung der kleinen Münzen

    Nach Ansicht von Oliver Krischer sollte es jedenfalls so sein. Der Grünen-Fraktionsvize forderte bereits vor Monaten ein Aus für die Ein- und Zwei-Cent-Münzen. Sie seien komplett überflüssig und „ein Ärgernis in der Geldbörse“, sagte er. Die Bundesbank solle sich ein Vorbild an EU-Staaten wie Finnland oder Irland nehmen, wo die kleinen Münzen überhaupt nicht mehr geprägt werden. Krischer zufolge kostet die Prägung von einem Cent gut 1,65 Cent – also mehr, als die Münze hinterher wert ist. Wie das Finanzministerium berichtet, wurden 2018 in Deutschland rund 453 Millionen Ein-Cent-Stücke und 479 Millionen Zwei-Cent-Münzen geprägt. Demnach wurden in den vergangenen drei Jahren 416 Tonnen Kupfer und 7026 Tonnen Stahl benötigt, um Münzgeld herzustellen – für Krischer „eine große Verschwendung an Geld, Metallen und Energie“.

    Handel: Bargeldloses Bezahlen auf dem Vormarsch

    Ohnehin wenden sich Kunden zunehmend vom klassischen Schein-Münz-System ab. Im Gegenzug sei bargeldloses Bezahlen auf dem Vormarsch, sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. Bestätigt habe sich diese Entwicklung zuletzt im Einzelhandel: Dort bezahlten bereits 51 Prozent der Kunden mit sogenanntem „Plastikgeld“ in Form von EC-Karten oder anderweitigen Bezahlmodellen, während knapp die Hälfte der Klientel weiter Scheine und Münzen bevorzugte. Neuen Schwung hat die Diskussion laut Ohlmann durch kontaktloses Zahlen mit Smartphone-Apps wie Google Pay und Apple Pay bekommen. „Bisher nutzen zwar nur sechs Prozent dieses Angebot“, erklärt Ohlmann. Das aber werde sich bald ändern.

    Für diesen Wandel hin zur Bargeldlosigkeit sprechen in seinen Augen mehrere Gründe. Nummer eins: Geld ist wortwörtlich dreckig. „Hygienischer ist es, wenn der Bäckereifachverkäufer Geld also gar nicht anfassen muss.“ Zweitens, die Fehlerquote sinkt: „Weder Kunden noch Verkäufer können Geld und Wechselgeld falsch herausgeben.“ Außerdem ersparten Bezahlsysteme unnötiges Warten an der Kasse – ganz abgesehen von Bankraub und Schwarzarbeit, was in einer bargeldlosen Realität unmöglich würde.

    Dass das Bargeld irgendwann aussterben könnte, glaubt der Sprecher vom Handelsverband Bayern dennoch nicht. Zumal Bargeld unbestrittene Vorteile berge. Dazu zählt etwa Anonymität: Anders als Kreditkarten nämlich hinterlässt Bares keine Datenspuren. Das aber sei den Deutschen wichtig, betont Ohlmann. „In ihrer Mentalität sind diese Bedenken fest verankert.“ Um hierzulande erfolgreich zu sein, müssten mobile und Online-Bezahlsysteme ebendiese Sicherheitsaspekte besser berücksichtigen.

    Genossenschaftsverband Bayern: Jeder soll bezahlen können, wie er will

    Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank werden tatsächlich auch heute noch 80 Prozent der Zahlungen in Deutschland in bar abgewickelt. Deshalb plädiert Susann Enders, Generalsekretärin der Freien Wähler in Bayern, für eine Zukunft mit beiden Varianten: Bardgeld und bargeldlosem Bezahlen, „um den Bedarf eines jedes Bürgers abzudecken“. Ähnlich argumentiert Jürgen Gros als Präsident des Genossenschaftsverband in Bayern. Seiner Meinung nach sollten Verbraucher selbst entscheiden können, wie sie einkaufen. Mit Blick auf Wangerooge spricht er von einer Situation mit „sehr speziellen örtlichen Rahmenbedingungen“, die als solche auch bewertet werden solle.

    Denn für die Kupferlosigkeit auf der Nordseeinsel waren der Volksbank Jever zufolge zu hohe Kosten verantwortlich. So sei der Transport von Münzrollen für die Bank wie auch für die Firmenkunden teurer als der Geldwert, heißt es. „Wir bringen jedes Jahr etwa zehn Tonnen Hartgeld hinüber“, erklärte Martin Schadewald als einer von drei Vorständen der betroffenen Volksbank. Zurück sei es mehr, weil die Münzen aus den Portemonnaies der Feriengäste dazu kämen. Nach Wangerooge müssten die Geldkuriere meist mit dem Flugzeug fliegen, weil die Fähre abhängig von den Gezeiten verkehre. Dass der Betrieb der Filialen auf den beliebten Ferieninseln besonders aufwendig ist, bestätigen auch andere Banken der Region. Wobei auf Borkum, Norderney oder Juist noch mehrere vertreten sind – auf Wangerooge gibt es nur die Volksbank.

    Trotzdem steht die Nordseeinsel mit ihrem Experiment bislang alleine da. Nachahmer hat die Abschaffung von Kleinmünzen zumindest keine gefunden. (mit dpa)

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