Besitzer einer Eigentumswohnung kennen das: Wenn nachträglich ein Aufzug eingebaut werden soll oder die Heizung erneuert werden muss, kommt es regelmäßig zu Streit in der Eigentümergemeinschaft. Den einen kann das Haus, in dem sie leben, gar nicht proper genug sein. Den anderen ist die Investition viel zu teuer. Entsprechend groß ist der Sanierungsstau in vielen Wohnanlagen. Mit einer Reform des fast 70 Jahre alten Wohneigentumsgesetzes will die Koalition Modernisierungen nun deutlich erleichtern. Am 1. Dezember tritt die Neuregelung in Kraft.
Was ändert sich mit Wohneigentumsgesetz für Wohnungsbesitzer?
Egal ob es um den Anbau eines Balkons gehe oder um neue Außenjalousien: „Allzu oft blockieren einzelne Eigentümer mehrheitlich gewollte Umbauten“, kritisiert Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl (SPD) aus dem Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz gegenüber unserer Redaktion.
Künftig können die Eigentümer solche Veränderungen je nach Fall mit einer einfachen bzw. mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen – vorausgesetzt, die Kosten sind, erstens, nicht unverhältnismäßig hoch und amortisieren sich, zweitens, nach zehn Jahren. Bisher sind Änderungen am Gemeinschaftseigentum in der Regel nur möglich, wenn alle Eigentümer einer Wohnanlage zustimmen oder zumindest drei Viertel von ihnen.
Eine Ladesäule für mein Elektroauto kann ich auf meinem Stellplatz also nur aufstellen, wenn die Mehrheit der anderen Eigentümer zustimmt?
Nein. Das neue Gesetz sieht vier Arten von Baumaßnahmen vor, die ein Eigentümer alleine in Auftrag geben kann – sofern er sie auch alleine bezahlt. Dazu gehören die Ladesäule für das Elektroauto, der barrierefreie Aus- und Umbau etwa durch die Installation eines Treppenliftes, der Einbau einbruchssicherer Fenster und ähnliche Maßnahmen zum Sichern der Wohnung sowie die technischen Voraussetzungen für ein schnelles Internet – zum Beispiel der Anschluss des Hauses ans Glasfasernetz.
„Mit Gesetzen“, sagt Staatssekretärin Hagl-Kehl, „verhält es sich manchmal wie mit Wohnungen und Häusern: Was vor langer Zeit geplant war, passt nicht mehr zu den Bedürfnissen von heute.“ Vor allem mit der Regelung zu den Ladesäulen erweise sich das neue Gesetz jetzt jedoch als „regelrecht visionär“.
Die Reform ist relativ geräuschlos über die Bühne gegangen – untypisch für Berlin. Hatte die Opposition nichts auszusetzen?
Mit Ausnahme der AfD und der Linken sind sich die Parteien darin einig, dass das alte Wohneigentumsgesetz nicht mehr zeitgemäß ist. „Die jetzt getroffenen Regelungen gehen in die richtige Richtung“, sagt beispielsweise der FDP-Experte Daniel Föst.
Wer mehr altersgerechte Wohnungen wolle und den Klimaschutz ernst nehme, müsse dafür in den Wohnanlagen auch die Voraussetzungen schaffen. Nachholbedarf sieht Föst allerdings noch bei der Organisation der Eigentümerversammlungen. Einzelne Mitglieder können sich hier künftig zwar online zuschalten, komplette Online-Veranstaltungen aber sieht das neue Gesetz bisher nicht vor.
Haben Hausverwalter durch das Wohneigentumsgesetz jetzt weniger Macht?
Zumindest können die Eigentümer eines Hauses ihren Verwalter jetzt auch ohne triftigen Grund abberufen und seinen Handlungsspielraum auf Maßnahmen beschränken, die zu keinen teuren finanziellen Verpflichtungen führen. Außerdem können sie verlangen, dass ein Verwalter einen sogenannten Sachkundenachweis vorlegt – ein Zertifikat über eine entsprechende Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer.
„Die Verwaltung von Wohneigentum ist heute zumeist eine Sache für Profis“, sagt Staatssekretärin Hagl-Kehl. „Eigentümer erwarten von ihren Verwaltern vertiefte rechtliche, kaufmännische und technische Kenntnisse.“ Wo Hausgemeinschaften schon seit Jahren mit einem Verwalter ohne solchen Sachkundenachweis vertrauensvoll zusammenarbeiten, soll dies allerdings auch künftig möglich sein.
Benachteiligen die neuen Regelungen nicht ältere und finanziell weniger gut gepolsterte Eigentümer?
Wie eine Eigentümergemeinschaft sich verhalten soll, wenn Mitglieder sich größere Baumaßnahmen nicht leisten können oder wollen, ist allerdings nicht explizit geregelt. FDP-Mann Föst hätte hier gerne eine Art Härtefallklausel gesehen. In letzter Konsequenz, sagt Gabriele Heinrich vom Verband „Wohnen im Eigentum“, müssten Betroffene ihre Wohnung verkaufen. Auch sei nicht geklärt, was Eigentümer nachträglich bezahlen müssen, wenn sie sich doch noch an einer Maßnahme wie dem Einbau eines Aufzuges beteiligen wollen.
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