Als fleißig und geizig gilt der Deutsche im Ausland. Wenn mit Geiz die Vorliebe fürs Sparen gemeint ist, stimmt das auch: Im internationalen Vergleich legen die Deutschen überdurchschnittlich viel Geld auf die Seite. Das ist an und für sich keine schlechte Sache, aber seit dem Beginn der Corona-Krise haben sich die Beträge noch einmal verdoppelt, die monatlich auf dem Konto landen – dabei wären für die ohnehin schon angeschlagene Wirtschaft gerade jetzt konsumfreudige Kunden besonders wichtig.
Corona-Krise schafft Unsicherheit, die mehr Sparen lässt
Wenn Volker Hofmann, Leiter der Themengruppe Volkswirtschaft beim Bundesverband deutscher Banken (BdB), zum Weltspartag am 30. Oktober Bilanz zieht, nennt er das Angstsparen als wichtigen Grund für die Verdoppelung der Sparquote: „In der Corona-Krise ist, wie in allen großen Krisen vorher, eine Unsicherheit entstanden und in unsicheren Zeiten halten sich die privaten Sparer erst einmal zurück.“ Wer nicht wisse, ob er seinen Arbeitsplatz verliert oder wer zum Beispiel durch Kurzarbeit weniger verdiene, halte größere Anschaffungen erst einmal zurück, sagt Hofmann. Doch dieser Effekt allein könne den Trend zum Sparen nicht erklären.
Immerhin sei die Sparquote der privaten Haushalte im zweiten Quartal 2020 enorm gestiegen auf 20 Prozent. „Das heißt, 20 Prozent der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte wurden auf die Seite gelegt. Im zweiten Quartal 2019 waren es noch zehn Prozent.“ Hofmann sagt, dass neben dem Angstsparen auch die Angebotsbeschränkungen dafür verantwortlich seien: „Man kann Freizeiteinrichtungen und Kulturveranstaltungen nicht nutzen, im Tourismusbereich können die Leute ihr Geld zum Teil gar nicht ausgeben, Dienstleistungen wurden eingestellt, es war also auch ein bisschen Zwangssparen dabei.“
Mehr oder weniger Sparquote durch niedrige Zinsen?
Erschwerend komme hinzu, dass schon die Situation vor der Pandemie viele Deutsche zum vermehrten Sparen angeregt habe. Und zwar ausgerechnet wegen eines Umstands, der eigentlich für mehr Konsum und Investitionen sorgen müsste: die niedrigen Zinsen. „Dadurch, dass man den Sparern weniger Zins bietet, sollen sie mehr konsumieren, weil sich Sparen weniger lohnt“, erklärt Hofmann. „Das wirkt vielleicht kurzfristig, aber wir haben diese Phase schon sehr lange.
Immer mehr Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Sparer, die für das Alter vorsorgen, nun sogar mehr sparen, um die fehlenden Zinsen und Zinseszinsen zu kompensieren.“ Kurzfristig könnten niedrige Zinsen zwar zu mehr Konsum führen, aber je länger die Phase mit niedrigen oder negativen Zinsen anhalte, desto mehr würden Privatpersonen wieder sparen. Für die Europäische Zentralbank sei das ein „unerwünschter Nebeneffekt“.
Weltspartag 2020: Noch immer Aufklärungsbedarf zu Anlagestrategien
Der Weltspartag, der ursprünglich die Menschen zum Bilden von Rücklagen animieren sollte, muss also dieses Jahr in Deutschland keine große Überzeugungsarbeit leisten. Ihn gibt es seit 1925, seine goldene Zeit hatte er während der Nachkriegszeit. Bis heute bekommen Kinder bei vielen Banken Geschenke, wenn sie an diesem Tag, oder inzwischen auch oft in der Woche des Weltspartags, den Inhalt ihrer Spardosen am Schalter auf ihr Sparbuch einzahlen.
Der Weltspartag ist aber nicht nur eine Ermahnung zum Bilden von Geldreserven, sondern soll von den Banken auch als Anlass genommen werden, über die Möglichkeiten der Geldanlage aufzuklären. Da gibt es offenbar auch dieses Jahr noch viel zu tun, wenn man den Ausführungen von Andreas Martin, Mitglied des Vorstands des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Glauben schenkt. Er stellt fest, dass sich die Strategie, mit der die Deutschen ihr Geld sparen, sich im vergangenen Jahr nicht nennenswert verändert hat.
Deutsche haben auch 2020 noch wenig Aktien
Sie seien bei der Geldanlage weiterhin risikoscheu: Im Zeitraum vom zweiten Quartal 2019 bis zum ersten Quartal 2020 hätten die privaten Haushalte 282 Milliarden Euro neues Geldvermögen gebildet, von dem mit 49 Prozent fast die Hälfte in Form von Bargeld und Bankeinlagen geflossen sei. Sehr hoch liege mit 28 Prozent auch der Anteil des Versicherungssparens. Das Wertpapiersparen, wozu neben Investmentfonds, Aktien und an anderen Anteilsrechten auch Schuldverschreibungen zählen, habe bei 23 Prozent gelegen.
Wertpapiere hätten in Deutschland als Anlageform zuletzt etwas an Bedeutung gewonnen, sagt Martin, im internationalen Vergleich sei ihr Anteil aber ausbaufähig. Beispielsweise liege der Anteil der Wertpapieranlage in Schweden und Finnland bei rund 50 Prozent. „Mit einer stärkeren Geldanlage in Investmentfonds und Aktien können Sparer höhere Renditechancen bei überschaubaren Risiken erreichen, wenn grundlegende Anlageprinzipien eingehalten werden“, sagt Martin. Dazu gehöre eine breite Streuung der Investments, wie sie über Investmentfonds erreicht werden könne, eine langfristige Anlageperspektive und ausreichende Geldreserven für den Fall unvorhergesehener Kosten.
Für eine repräsentative Meinungsumfrage hat das Marktforschungsunternehmen Ipsos im Auftrag des Bankenverbands im April und Mai 2020 tausend Menschen am Telefon interviewt. Die Umfrage ergab:
- Wer spart? 62 Prozent der Deutschen legen regelmäßig einen Teil ihres frei verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante. Besonders häufig sparen Jüngere unter 30 Jahren (74 Prozent) und Berufstätige (69 Prozent).
- Corona-Effekt: 21 Prozent der Befragten geben an, seit Ausbruch der Corona-Pandemie mehr zu sparen als vor der Krise. Wieder sind es die unter 30-Jährigen (36 Prozent) und die Berufstätigen (25 Prozent), die jetzt mehr Geld zurücklegen.
- Sparverhalten: Trotz der finanziellen Einbußen, die viele Bürger erleiden, sparen nur elf Prozent)weniger als vor der Krise. (67 Prozent – vor allem die ältere Generation – haben ihr Sparverhalten nicht verändert.
- Geldmenge: Deutsche Sparer legen zurzeit monatlich rund 450 Euro zurück. Von den 72 Prozent der Deutschen, die regelmäßig oder ab und zu sparen, legen 37 Prozent monatlich bis zu 200 Euro, 25 Prozent bis zu 500 Euro und 18 Prozent sogar über 500 Euro zurück. Wobei Männer mit 580 Euro deutlich mehr sparen (können) als Frauen mit lediglich 318 Euro.
- Spargrund: Der von den Befragten mit 45 Prozent am häufigsten genannte Spargrund ist das Sicherheitssparen für Notfälle. Danach folgt das Sparen, um sich später etwas Größeres leisten zu können (37 Prozent) und der Vermögensaufbau (30 Prozent, Mehrfachnennungen).
- Vertrauen: Über drei Viertel der Sparer sind überzeugt, dass ihr Geld bei der Bank sicher (55 Prozent) oder sehr sicher (22 Prozent) ist. 19 Prozent glauben, das Geld sei nicht oder gar nicht sicher.
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