Sie nennen sich Legal Techs. Dahinter verbergen sich Online-Portale, die für Verbraucherrechte eintreten. Zum Beispiel für Flugpassagiere oder Mieter. Strittig war bisher aber, ob die Geschäftsmodelle von Flightright, Myright, wenigermiete.de & Co. tatsächlich legal sind. In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch festgestellt, dass die Rechtsberatung von Legal Techs nicht gegen das Gesetz verstößt.
Anwaltsverbände hatten beklagt, die Online-Portale böten unter dem Deckmantel von Inkassozulassungen verbotenerweise anwaltlichen Rat. Zu urteilen hatten die Karlsruher Richter über das Berliner Unternehmen Lexfox, das hinter wenigermiete.de steckt. Dessen Angebot richtet sich an Verbraucher, die prüfen wollen, ob sie eine unzulässig hohe Miete zahlen. Das Portal ermittelt auf die Schnelle, ob dies der Fall ist, lässt sich den Forderungsanspruch übertragen und treibt die Entschädigungssumme ein – gegen eine Provision von 30 Prozent.
Landet ein Fall vor Gericht, wird wenigermiete.de von Rechtsanwälten vertreten. Auch dies ist durch die Provision gedeckt. Dieses erfolgsabhängige Geschäftsmodell, das manch klassischer Anwaltskanzlei die Kundschaft streitig macht, ist laut BGH durch das Rechtsdienstleistungsgesetz gedeckt.
Zahlen nur bei Erfolg - Anwälte dürfen solche Angebote nicht machen
"Das Urteil ist ein Meilenstein für den Verbraucherschutz und die gesamte Legal-Tech-Branche, weil sich die Richter vom konkreten Fall gelöst und einige ganz grundsätzliche Fragen geklärt haben", sagt Philipp Plog, der für die Hamburger Kanzlei Fieldfisher Legal-Tech-Unternehmen wie Flightright, Advocado, Rightmart oder Chevalier berät. Fest stehe nun, dass Inkassounternehmen bei der Durchsetzung von Forderungen auch umfassend rechtlich beraten dürfen. Die Anwaltsverbände müssten jetzt Sturm laufen, vermutet Plog. Denn Rechtsanwälte dürfen anders als Legal Techs keine erfolgsabhängigen Honorare anbieten – was die Portale in einigen Fällen deutlich attraktiver macht als den Gang zum Anwalt. Denn das finanzielle Risiko ist für die Verbraucher von vornherein kalkulierbar.
Die Verbraucherzentralen sehen in den Legal Techs indes keine Konkurrenz. "Wir finden es sehr gut, dass die Start-ups Verbrauchern ermöglichen, kleine Ansprüche niederschwellig durchzusetzen", sagt Florian Stößel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Bevor Legal Techs aufkamen, hätten Verbraucher etwa ihre Forderungen aus Flugverspätungen oft nicht weiterverfolgt, weil Entschädigung und Anwaltshonorar in keinem Verhältnis zueinanderstanden. Den neuen, vereinfachten Zugang zum Recht, den Legal Techs Verbrauchern bieten, lobte der BGH in seinem Urteil ausdrücklich.
Bei Lexfox ist man zufrieden: "Mit unserer Technologie und dem Inkassomodell senken wir Kosten so weit, dass es sich endlich lohnt, auch kleine Rechtsansprüche von Verbrauchern zu verfolgen und durchzusetzen", sagte Daniel Halmer, Chef von Lexfox und Gründer von wenigermiete.de. Er habe mächtige Lobbies gegen sich gehabt, darunter die Autoindustrie, die Anwälte und die Immobilienkonzerne. Halmer kündigte an, seine Firma werde auch in anderen Bereichen des Rechtsmarktes wie bei zu geringer Bandbreite von Internetanschlüssen aktiv.
Auch bei Flightright war die Euphorie am Mittwoch groß. "Die Champagnerkorken haben bei uns heute innerlich geknallt", sagte dort Juristin Stephanie Genz. "Die Legal-Tech-Branche hat Planungssicherheit gewonnen und wird nun sicher schauen, wo Verbraucher noch mehr Schutz benötigen."
Legal-Tech-Experte Philipp Plog erwartet durch das Urteil in Zukunft eine noch stärke Verschiebungen auf dem Rechtsmarkt: "Anwälte sollten sich auf komplexe Beratungen konzentrieren, während schematische Sachverhalte bei Legal Techs gut aufgehoben sind."
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