Zu wenig Bewegung? Sitzfleisch? Davon sehen sich die meisten Deutschen nicht betroffen. 63 Prozent, also knapp zwei Drittel aller Bundesbürger, schätzen den Zustand ihrer eigenen Gesundheit als gut oder sogar sehr gut ein. Doch diese Selbsteinschätzung entspricht in den meisten Fällen nicht der Realität. Die Deutsche Krankenversicherung (DKV) sammelte für ihren Gesundheitsreport 2016 Informationen in den Bereichen Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stressempfinden und stellte fest: Nur wenige Deutsche leben wirklich rundum gesund. Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich die Daten sogar noch verschlechtert. 2010 haben noch 14 Prozent der Befragten in allen Bereichen gut abgeschnitten, 2016 hingegen sind es nur noch 11 Prozent.
DKV-Report 2016: Die Deutschen bewegen sich immer weniger - der Büroalltag ist Schuld
Welche Faktoren haben sich seit 2010 verschlechtert?
Im Laufe der Jahre konnten Deutsche durchaus besser lernen, mit Stress umzugehen, so der DKV-Gesundheitsreport 2016. Auch eine ausgewogene Ernährung ist wichtiger geworden. Ein wesentlicher Faktor für die schlechten Zahlen jedoch: Die Deutschen sitzen viel, bewegen sich zu wenig. Die Auswirkung sind vorallem langfristig besorgniserregend: "Wer länger sitzt, hat ein höheres Risiko, früher zu sterben", warnt Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln, der die Befragung leitete. Durchschnittlich sieben Stunden täglich verbringt der Deutsche sitzend, am häufigsten bei der Arbeit, aber auch vor dem Fernseher oder Computer. "Schreibtischarbeiter" sitzen insgesamt sogar elf Stunden.
Was kann gegen zu viel Sitzen im Büro getan werden?
Zu wenig Bewegung aufgrund der beruflichen Tätigkeit ist für viele Menschen ein Problem. Doch mit nur wenigen Maßnahmen kann jeder Berufstätige mehr Bewegung in seinen Alltag einbauen. Glücklicherweise ist der Mensch ein Gewohnheitstier - so gilt es lediglich die alten Gewohnheiten abzulegen. Es ist wichtig, den Drang zu sitzen so oft wie möglich zu unterdrücken. Die Treppe statt den Aufzug zu nehmen, möglichst an einem Stehpult arbeiten, kurze Gehpausen einführen, Meetings im Stehen abhalten - ein Bürojob muss nicht zum Sitzen verpflichten. Nach Möglichkeit sollte man dreimal pro Stunde aufstehen.
So bleiben sie trotz Bürojob fit
Bewegung im Alltag ist sehr wichtig für die Gesundheit, doch wer im Büro arbeitet, kann es oft nicht ändern: Er sitzt fast den kompletten Arbeitstag vor dem Computer. Doch es gibt ein paar Tricks, trotz der Schreibtischarbeit im Alltag in Bewegung zu kommen:
Mindestens einmal in der Stunde aufstehen: Hilfreich ist dafür, den Drucker außer Reichweite aufzustellen oder beim Telefonieren etwas auf- und abzugehen.
Täglich einige Kilometer gehen: Mindestens fünf oder besser zehn Kilometer pro Tag empfehlen Mediziner. Bahnfahrer und Pendler können eine Station früher aussteigen als erforderlich und dann zügig zur Arbeit gehen.
Es kann auch hilfreich sein, Kollegen in anderen Teilen des Gebäudes zu besuchen, statt sie nur anzurufen.
Auf die richtige Sitzposition achten: Der Rücken sollte entlastet werden, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin empfiehlt dynamisches Sitzen. Dabei wippen Sie hin und wieder mit dem Becken vor und zurück oder verlagern das Gewicht von einer Gesäßhälfte auf die andere.
In der Freizeit einen Ausgleich schaffen: Eine halbe Stunde Bewegung pro Tag sollte das Minimum sein. Es muss nicht immer Sport sein, auch Fahrradfahren oder Spazierengehen reicht aus - wenn man leicht ins Schwitzen gerät. (dpa)
DKV-Report 2016: Je höher der Bildungsabschluss ist, um so länger sitzen die Menschen
Gibt es soziale Unterschiede beim Gesundleben?
Ja. Von den Menschen mit Hauptschulabschluss erreichen nur sieben Prozent eine gesundheitsförderliche Lebensweise, bei Mittlerer Reife und Abitur sind es 12 beziehungsweise 13 Prozent und bei Menschen mit Studium sind es 10. Hier wird dann aber auch deutlich: Je höher der Bildungsabschluss ist, um so länger sitzen die Menschen.
Interessant ist auch, dass bei den 18- bis 29-Jährigen nur 5 Prozent einen ausgeglichenen Lebenswandel pflegen. Bei den 30- bis 45-Jährigen sind es 10 Prozent, bei den 46- bis 65-Jährigen 12 Prozent und ab 66 sogar 14 Prozent. Mit zunehmendem Alter wird ein gesundheitsfördernder Lebensstil angestrebt. Übrigens: Hundebesitzer leben gesünder. 16 Prozent der Befragten besitzen einen Hund. 14 Prozent von ihnen leben rundum gesund. Vor allem, weil sie sich viel bewegen.
Gibt es Geschlechterunterschiede?
Frauen sind das gesundheitsbewusstere Geschlecht. Sie liegen bei fast allen Gesundheitsfaktoren vorne. Aber: Männer (47 Prozent) bewegen sich etwas mehr als Frauen (44 Prozent).
Zu wenig Bewegung in Deutschland: Mecklenburger sind die gesündesten Deutschen
Wo lebt man in Deutschland am gesündesten?
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es den höchsten Anteil von Menschen, die rundum gesund leben. 19 Prozent von ihnen "bewegen sich ausreichend, essen ausgewogen, rauchen nicht, trinken wenig Alkohol und haben kein Problem mit Stress". Weshalb Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren an der Spitze liegt, weiß man noch nicht so richtig - vielleicht ist es die Seeluft. Allerdings sind viele junge Menschen aus dem Bundesland weggezogen. Der Altersdurchschnitt ist relativ hoch. Ältere sorgen sich zwar mehr um ihre Gesundheit. Eine alternde Bevölkerung hat aber auch eine höhere Sterblichkeitsrate, erläutert Froböse.
Bundesweit leben nach dieser Auswertung etwa 11 Prozent der Menschen in allen Bereichen gesund. Schlusslichter sind Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit jeweils 9 Prozent. In Baden-Württemberg senke vor allem eine unausgewogene Ernährung das Niveau. Und in Berlin gibt es im Verhältnis die meisten Raucher. Über den allgemeinen Gesundheitszustand oder Einzelfaktoren sagt dieser Vergleich aber nicht unbedingt viel aus. So gibt es andere Studien, die Mecklenburg-Vorpommern etwa beim Stress (Studie der Techniker Krankenkasse von 2013) ganz hinten sehen.
Könnten Fitnessarmbänder bei der Gesundheitsüberwachung helfen?
Die DKV ist skeptisch. Der Vorstandsvorsitzende der privaten Krankenversicherung, Clemens Muth, erklärte, nach der Umfrage sähen die meisten Menschen keinen Nutzen der heutigen so genannten Wearables am Handgelenk zum Messen von Blutdruck, Herzfrequenz oder Bewegung. Sie seien auch noch zu ungenau, sagt Froböse. AZ/dpa