Der Immobilienboom in Deutschland ist ungebrochen: Laut Immobilienpreisindex des Statistischen Bundesamtes sind die Immobilienpreise für Wohngebäude allein seit 2015 um 17,7 Prozent gestiegen. Dieser Preissprung macht sich auch bemerkbar, wenn es um das Erbe geht: Denn wer sich die Raten für Haus oder Wohnung jahrelang vom Mund abgespart hat, könnte jetzt Eigentümer eines Millionenobjektes sein. Das wiederum kann für Streit unter den Erben sorgen und hat eine hohe Erbschaftssteuer zur Folge. Wird nicht rechtzeitig zu Lebzeiten für Transparenz und eine Aufteilung des Nachlasses gesorgt, ist nach dem Tod Streit zwischen den Erben programmiert. "Ziele wie eine klare Erbaufteilung und die Vermeidung von Streit im Erbfall lassen sich nur durch eine rechtzeitige und wohlüberlegte Nachlassplanung verwirklichen", mahnt Paul Grötsch, Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht und Fachanwalt für Erbrecht in München. Was Immobilieneigentümer und -erben beachten müssen.
Wann müssen Erben die Erbschaftssteuer fürchten?
Ob die Sorge vor der Erbschaftssteuer berechtigt ist, hängt zum einen vom Wert der Immobilie ab, zum anderen von der Anzahl der Erben, heißt es in der September-Ausgabe der Zeitschrift "Finanztest". "Jedem Erben steht ein allgemeiner Freibetrag zu, in dessen Rahmen er erben kann, ohne dass Erbschaftssteuer fällig wird", erklärt Stiftung-Warentest-Expertin Sophie Mecchia. "Gibt es mehrere Erben, kann jeder seinen Freibetrag nutzen, sodass sogar sehr teure Immobilien steuerfrei von einer Generation zur anderen gehen, wenn es nur genug Erben gibt." Ob überhaupt Erbschaftssteuer zu zahlen ist, lässt sich also schnell ausrechnen. Ehepartner und Kinder können darüber hinaus das Eigenheim steuerfrei erben, sofern sie es anschließend als Hauptwohnsitz nutzen und mindestens zehn Jahre dort wohnen bleiben.
Unter welchen Umständen schützen Freibeträge vor der Steuer?
Der Ehepartner kann 500.000 Euro steuerfrei erben, die Kinder und Stiefkinder jeweils 400.000 Euro und die Enkel 200.000 Euro. Für sonstige Abkömmlinge wie Urenkel oder auch die eigenen Eltern sind Erbschaften bis 100.000 Euro steuerfrei. Für alle übrigen Bedachten – Freunde, aber auch unverheiratete Lebenspartner – liegt die Freibetragsgrenze bei 20.000 Euro. Erst wenn das geerbte Vermögen die Freibeträge überschreitet, verlangt das Finanzamt Geld, und zwar nur für die Differenz zwischen dem Freibetrag und dem Wert der Erbschaft. Dann greifen verschiedene Steuersätze, die sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erben und Vererbendem richten.
Was ist, wenn die persönlichen Freibeträge der Erben nicht ausreichen?
Wenn schon frühzeitig klar ist, dass die Kinder nach dem Tod der Eltern deren Eigenheim nicht selbst nutzen werden, kann man, wenn man es richtig macht, trotzdem erheblich Steuern sparen. "Hier gibt es Gestaltungsmöglichkeiten", sagt Fachanwalt Grötsch: "Zum Beispiel die lebzeitige Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt." Eine solche Schenkung bei Zusicherung des lebenslangen Wohn- und Nutzungsrechts erfordert allerdings eine rechtzeitige Planung. Denn zwar gelten für eine Schenkung die gleichen Freibetragsgrenzen wie für eine Erbschaft. Die Freibeträge können jedoch nur alle zehn Jahre geltend gemacht werden. Das bedeutet, dass die Schenkung mindestens zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgen muss, damit sie die Erbmasse und damit auch die Erbschaftssteuer wirklich mindert. Allerdings sollte der Schenker dabei eine simple Grundregel bedenken: Was weg ist, ist weg – und auch wenn sich das persönliche Verhältnis in der Familie ändert, ist eine Rückforderung kaum möglich. Ein Ausweg ist ein sogenannter Rückforderungsvorbehalt, den sich der Schenker für den Fall der Fälle zusichern lassen kann. Hier muss dann ein entsprechender Schenkungsvertrag geschlossen werden.
Wer bekommt das Haus, wenn nichts geregelt ist?
Ohne Testament greift die gesetzliche Erbfolge. Demnach erben zunächst die Kinder sowie der Ehepartner beziehungsweise eingetragene Lebenspartner. Alle Erben zusammen bilden eine Erbengemeinschaft und können nur gemeinsam über die Erbschaft entscheiden. "Dieses Konstrukt ist äußerst konfliktträchtig", betont Stiftung-Warentest-Expertin Mecchia. "Personen aus verschiedenen Generationen müssen sich darüber einig werden, was mit der Immobilie geschehen soll." Noch komplizierter wird es, wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft noch minderjährig oder aus anderen Gründen nicht geschäftsfähig ist. Auf die gesetzliche Erbfolge solle man sich daher nur verlassen, wenn sichergestellt ist, "dass es zu keinerlei Interessenkonflikten und Streit in der Erbengemeinschaft kommt", so Mecchia. Eine Nachlassregelung mithilfe eines notariellen Testaments ist daher meist die bessere Wahl.
Was gilt für Patchworkfamilien?
Bei unverheirateten Paaren mit Kindern aus verschiedenen Partnerschaften ist die Lage nicht nur zu Lebzeiten kompliziert, sondern erst recht, wenn einer der Partner stirbt. Ohne Trauschein gehen dann Partner und Stiefkinder leer aus, einzig die leiblichen Kinder erben dann das Vermögen. Patchworkfamilien können aber Vorsorge betreiben, indem sie einen Erbvertrag schließen oder mittels eines notariellen Testaments einzelne Vermögensgegenstände wie etwa Immobilien aus der Erbmasse herausnehmen und diese mittels eines Vermächtnisses an den aktuellen Lebenspartner oder die Stiefkinder übertragen. Beachten muss man dabei jedoch auch die steuerlichen Freibetragsgrenzen von nur 20.000 Euro bei nicht verwandten Erben. Die Begriffe Vererben und Vermachen haben juristisch eine unterschiedliche Bedeutung, wie die Notarkammer Berlin erläutert. Während ein Erbe den gesamten Nachlass des Verstorbenen erhält, beinhaltet ein Vermächtnis die Übertragung einzelner Vermögensgegenstände. Vermächtnisnehmer müssen diese innerhalb einer bestimmten Frist bei den Erben einfordern.
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