Nach langem Tauziehen haben sich die 16 Bundesländer auf eine weitreichende Reform des deutschen Glücksspielmarktes geeinigt. Danach sollen ab Mitte 2021 Online-Poker und Online-Casinos in Deutschland erlaubt werden. Der neue Staatsvertrag sieht eine neue länderübergreifende Kontrollbehörde vor. Zum Schutz von Spielern ist eine Obergrenze für den monatlichen Einsatz von 1000 Euro geplant.
In Deutschland sind private Online-Casinos im Internet bisher eigentlich verboten. Trotzdem ist der Schwarzmarkt seit Jahren gewachsen. Dessen Umsatz bezifferte der baden-württembergische Toto-Lotto-Chef Georg Wacker kürzlich auf jährlich 2,8 Milliarden Euro. Die Anbieter, die oft auf Malta sitzen, sind schwer zu belangen. Mit der Einigung der Chefs der Staatskanzleien scheint die Gefahr gebannt, dass in Deutschland ein Flickenteppich entsteht. Die von Schleswig-Holstein vorübergehend erteilten Lizenzen waren Einfallstor für die mittlerweile illegalen Angebote.
Glücksspiel im Internet - der Durchbruch kam überraschend
Der Durchbruch zur Einigung zum jetzigen Zeitpunkt kam überraschend. Zwischen den Ländern war lange umstritten, ob Online-Spiele überhaupt zugelassen werden sollen. Die Einwände versucht man, mit scharfen Regeln auszuräumen:
Eine länderübergreifende Kontrollbehörde soll die Lizenzen vergeben und die Geschäfte überwachen. Die Anbieter müssen für jeden Spieler ein Konto einrichten. Die Veranstalter werden zudem auf ein „automatisiertes System“ zur Früherkennung von Glücksspielsucht verpflichtet. Pro Monat dürfen Spieler höchstens 1000 Euro einsetzen. Diese Obergrenze gilt nicht nur für Internetspiele, sondern zum Beispiel auch für staatliche Spielbanken. Das Limit greift aber nicht, wenn vorangegangene Gewinne genutzt werden. Eine eigene Sperrdatei soll für Online-Casinos, Online-Poker und Sportwetten aufgebaut werden. Dort können sich Zocker auch selbst eintragen lassen.
Vorgesehen ist auch eine Beschränkung der TV-Werbung
Vorgesehen sind zeitliche Beschränkungen für die Werbung. Von 23 bis 6 Uhr darf künftig im Rundfunk und im Internet nicht mehr für Live-Sportwetten geworben werden.
Der Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, Konrad Landgraf, äußerte sich gegenüber unserer Redaktion skeptisch über den Kompromiss. Das Problem an der neuen Regelung sei, dass es bei einer streng regulierten Öffnung des Online-Glücksspielmarkts passieren könne, „dass es weiterhin ein illegales Angebot geben“ werde. „Das ist für Spieler attraktiver, weil dort mehr erlaubt ist. Die Behörden tun sich jetzt schon schwer damit, gegen die illegalen Anbieter vorzugehen.“ Landgraf zweifelt daran, ob sich der Markt tatsächlich regulieren lasse. „Die Gefahr droht, dass es dann zwei Märkte gibt: den regulierten und den illegalen. Und dann haben wir nichts gewonnen.“
Die Frage, die sich Fachleute schon seit geraumer Zeit stellen, ist, wie ein effektiver Kampf gegen illegale Anbieter aussehen soll. Landgraf sieht zwei Optionen: „In der Schweiz werden die Seiten der Anbieter teilweise geblockt, das ist aber verpönt, weil so ein Vorgehen schnell mit einer Zensur des Internets gleichgesetzt wird.“ Effektiver wäre es aus seiner Sicht, die Zahlungsströme zwischen den Spielern und den Anbietern zu unterbinden. Schließlich laufe jede Zahlung „über die Zwischeninstanz eines Zahlungsdienstleisters wie etwa PayPal“. Doch diese Zahlungswege zu kappen sei „relativ schwer durchzusetzen“.
Im Februar soll es eine umfassende Anhörung geben
Wie geht es jetzt weiter? Zunächst ist im Februar eine umfassende Anhörung von rund 100 Verbänden geplant. Schon Anfang März sollen die Ministerpräsidenten den Staatsvertrag unterzeichnen. Nicht geregelt ist der Sitz der Aufsichtsbehörde. Das für den Vertrag federführende Nordrhein-Westfalen hat schon den Finger gehoben. „Nordrhein-Westfalen hat in den Verhandlungen erklärt, als Sitzland zur Verfügung zu stehen“, sagte ein Sprecher der Staatskanzlei. Insider gehen davon aus, dass – abhängig von der genauen Aufgabenzuteilung – bis zu 300 Mitarbeiter notwendig sind. Bisher gelten die in den Ländern vorhandenen Aufsichten als personell unterbesetzt.
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