Viele Leute zögern es so lange wie möglich hinaus, eine fällige Rechnung zu bezahlen. Schaltet die Gläubigerin oder der Gläubiger eine Inkassofirma ein, um das Geld einziehen zu lassen, müssen sie die Kosten dafür tragen. Durch eine Gesetzesänderung sinken die Gebühren nun – wenn die offene Forderung unbestritten ist und sofort nach dem ersten Inkassoschreiben beglichen wird. Aber Vorsicht: In manchen Fällen kann es auch teurer werden.
Die Neuregelung ist Teil eines neues Inkassorechts, das seit 1. Oktober gilt. Der Gesetzgeber will Schuldnerinnen und Schuldner damit entlasten und gleichzeitig sicherstellen, dass Inkasso-Dienstleistungen „nach wie vor wirtschaftlich erbracht werden können“. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) verwahrte sich jedoch gegen „die kategorische Behauptung, Inkassokosten seien zu hoch“ und warnte vor Umsatzeinbußen für die Branche von mindestens einem Drittel. Bei Schuldnerberatungen stößt auf Kritik, dass sich die Inkassogebühren weiterhin an der Vergütung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten orientieren. „Wir haben es beim automatisierten Mengeninkasso mit einer kaufmännischen Tätigkeit zu tun, nicht mit einer viel aufwendigeren Rechtsanwaltstätigkeit“, meint etwa Michael Weinhold von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, der die Caritas, die Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände angehören.
Inkasso-Gebühr ist seit dem 1. Oktober in vielen Fällen gesunken
Einfache Fälle: Dass Kundinnen und Kunden eine Rechnung unbezahlt liegen lassen und möglicherweise vergessen, kommt vor. Holen sie das Bezahlen nach, sobald sie ein Inkassobüro erstmals dazu aufgefordert hat, sparen sie künftig Geld. Gesprochen wird hier von „einfachen Fällen“. Hat die Kundin oder der Kunde die Rechtmäßigkeit der Forderung jedoch schon vor dem ersten Inkassobrief bestritten, ändert sich die Gebühr nicht. „Das neue Recht hat Licht- und Schattenseiten“, meint daher Kathrin Körber, Expertin für Inkassorecht der Verbraucherzentrale Niedersachsen.
Beispiel: Beläuft sich eine offene Rechnung auf 150 Euro, dürfen die Inkassofirmen ab 1. Oktober eine Gebühr von 29,40 Euro einschließlich einer Auslagenpauschale erheben, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner die unbestrittene Forderung sofort nach Erhalt des ersten Inkassobriefs begleicht. Das sind rund 23,50 Euro weniger, als die Unternehmen im Regelfall berechnen dürfen (52,92 Euro). Nach altem Recht belief sich die Gebühr nach Angaben der Bundesregierung meist sogar auf mehr als 70 Euro.
Der Unterschied ergibt sich dadurch, dass Inkassofirmen nur noch den halben Gebührensatz (0,5) gemäß Vergütungsverzeichnis für Rechtsanwälte in diesen „einfachen Fällen“ geltend machen dürfen. „Für Verbraucher, die eine Rechnung nur vergessen hatten, ist das ein echter Vorteil, vorausgesetzt sie sind finanziell in der Lage, das Geld sofort zu bezahlen“, sagt Verbraucherschützerin Körber. Noch günstiger wird es für säumige Kundinnen und Kunden bei unbestrittenen Rechnungen über höchstens 50 Euro. Ab 1. Oktober beläuft sich die Gebühr auf nur noch 18 Euro, wenn sie der Forderung nach dem ersten Inkassobrief gleich nachkommen.
Inkasso-Büros kommen oft schneller ins Spiel als gedacht
Gläubigerin und Gläubiger müssen nicht mahnen: Rechnungen werden aber nicht nur liegen gelassen, sondern nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale teils auch schlicht übersehen. Das komme häufig vor bei online abgeschlossenen Verträgen mit Zustellung der Rechnung per E-Mail, sagt Juristin Körber. Sie weist darauf hin, dass Gläubigerinnen und Gläubiger – anders als viele denken – nicht verpflichtet sind, offene Rechnungen selbst anzumahnen. Sie könnten ein Inkassobüro auch direkt einschalten, sobald die Kundin oder der Kunde mit der Zahlung in Verzug ist.
Der BDIU vertritt hingegen die Auffassung, dass Mahnschreiben eines Inkassounternehmens „niemals völlig unerwartet“ kommen, wie ein Sprecher sagte. In der Praxis habe die Gläubigerin oder der Gläubiger zuvor „normalerweise zwei- bis dreimal“ den Kundinnen und Kunden schriftlich an die ausstehende Zahlung erinnert. Zwar gebe es auch Fälle, in denen säumige Zahlerinnen und Zahler ohne die Mahnung der Gläubigerin oder des Gläubigers in Zahlungsverzug kommen könnten – etwa bei einer Kartenzahlung an der Supermarktkasse ohne ausreichende Kontodeckung. Nach dem Verhaltenskodex des BDIU solle aber auch dann „mindestens eine Mahnung erfolgen“.
Unbezahlte Rechnungen: Es kann auch richtig teuer werden
Schwierige Fälle: In bestimmten Fällen können die Inkassofirmen künftig auch erhöhte Gebühren geltend machen, nämlich wenn sie „besonders schwierig oder umfangreich“ sind (Gebührensatz 1,3). Bei unstrittigen Rechnungen bis zu 500 Euro liegen die Kosten dann bei 70,20 Euro. Überwacht der Inkassodienstleister eine Raten-Zahlungsvereinbarung, weil die oder der Betroffene knapp bei Kasse ist, kommt eine „Einigungsgebühr“ noch obendrauf. Bei strittigen Forderungen kann der Gebührensatz sogar auf 2,5 steigen.
Der Gesetzgeber nennt als Beispiel eines schwierigen Falles die Überwachung einer zweistelligen Anzahl an Ratenzahlungen durch das Inkassobüro. Nach Einschätzung der AG Schuldnerberatung der Verbände ist das jedoch keine außergewöhnliche Tätigkeit, die eine erhöhte Gebühr rechtfertigen würde. Außerdem kritisiert die AG die Gesetzesformulierung als zu unbestimmt.
„Die Regelung ist nicht eindeutig, und das könnten Inkassofirmen für sich ausnutzen“, sagt AG-Experte Weinhold. Viele Betroffene seien überfordert, die Rechtmäßigkeit einer verlangten Gebühr zu überprüfen. „Und wer sich gegen die Gebühr wehrt, geht vor Gericht ein Risiko ein“, so Weinhold. Er rät Schuldnerinnen und Schuldnern daher, sich im Zweifel unbedingt Rat einzuholen bei einer Verbraucherzentrale, einer Schuldnerberatungsstelle oder etwa einer Rechtsanwältin oder einem -anwalt.
Die neuen Regelungen sollen auch Verbraucherinnen und Verbraucher schützen, die ein Inkassoschreiben bekommen, obwohl sie sicher sind, das geforderte Geld nicht zu schulden. Das ist häufig Folge eines Identitätsmissbrauchs: Betrügerinnen und Betrüger hacken die Online-Bezahldaten ihrer Opfer, kaufen damit im Internet ein und lassen sich die Waren liefern. Die Rechnungen und Inkassoschreiben gehen an die Opfer – die sie aber oft ignorieren, so die Erfahrungen der Verbraucherzentrale.
„Ihnen ist völlig klar, dass sie keinen Vertrag abgeschlossen haben, und sie reagieren deshalb nicht“, erläutert Juristin Körber. Nach dem neuen Recht sind die Inkassofirmen nun verpflichtet, es den Empfängerinnen und Empfängern von Inkassobriefen mitzuteilen, wenn sie ihre Postadresse zunächst ermitteln mussten. „Das ist eine gute Regelung, weil Missbrauchsopfer so erst auf den Missbrauch ihrer Bezahldaten aufmerksam werden“, befindet Körber.