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Nachhaltigkeit: Umweltbewusste Ernährung: Experten geben Tipps

Nachhaltigkeit

Umweltbewusste Ernährung: Experten geben Tipps

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    Zu einer umweltbewussten Ernährung gehört einiges. Auch die Frage: Woher kommen eigentlich die Lebensmittel und welchen CO2-Fußabdruck haben sie?
    Zu einer umweltbewussten Ernährung gehört einiges. Auch die Frage: Woher kommen eigentlich die Lebensmittel und welchen CO2-Fußabdruck haben sie? Foto: Julian Leitenstorfer (Symbolbild)

    Die Herstellung unserer Lebensmittel trägt erheblich zum Ausstoß von Treibhausgasen bei. Das bestätigte erst kürzlich eine Studie: Wie das internationale Forscherteam um Atula Jain von der University of Illinois im Fachblatt Nature Food berichtet, verursacht die weltweite

    Forscher ermitteln CO2-Fußabdruck für die einzelne Produkte

    Um mehr Klarheit zu schaffen, hat das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) 2020 erstmals einheitlich Bilanzen für mehr als 200 Lebensmittel aus fünf Gruppen ermittelt: Obst, Gemüse, Fleisch- und Milchprodukte sowie vegetarische und vegane Ersatzprodukte. Dabei berücksichtigten die Wissenschaftler sowohl Produktion, Transport und Verpackung als auch die Erstellung der Lebensmittel. Der ermittelte CO2-Fußabdruck für die einzelnen Produkte „solle Verbrauchern als Hilfestellung auf dem Weg zu einer klima- und umweltbewussten Ernährung dienen“.

    „Bei unseren Lebensmitteln im Supermarkt hängt die Umwelt- und Klimabilanz häufig weniger am Produkt als daran, wo und wie diese Produkte angebaut und danach transportiert und verpackt wurden“, sagt Studienleiter Guido Reinhardt. Ein Beispiel: Der CO2-Fußabdruck einer Ananas, die per Flugzeug nach Deutschland importiert wurde, ist wesentlich größer, als wenn die Südfrucht per Schiff transportiert wird.

    CO2-Fußabdruck Pilze in Dose fast doppelt so hoch wie von frischen Pilzen

    Neben den Lieferwegen spielt den Forschern zufolge auch die Verpackung eine Rolle. So ist etwa der CO2-Fußabdruck einer Dose Champignons fast doppelt so hoch wie der von frisch gekauften Pilzen. „Einwegverpackung aus Metall oder Glas haben oft einen größeren Klimaeffekt als die eigentlichen Lebensmittel, die sie enthalten“, erklärt Reinhardt.

    Das gelte auch für viele Getränke wie Wein und Bier: „Oft kommt es mehr auf die Hülle als den Inhalt an.“ Daneben berücksichtigte die Studie die Art der Fläche, auf der ein Lebensmittel angebaut wurde. Hier bestätigte die Untersuchung, dass frisches, saisonal und regional angebautes Obst und Gemüse im Schnitt deutlich klimafreundlicher sind als außerhalb der Saison importierte Produkte.

    CO2-Emissionen zeigen nur Teil der ökologischen Bewertung

    Erstaunlich wirkt auf den ersten Blick der ermittelte Klimaeffekt von Fleisch, Milch und Eiern aus Bio-Landwirtschaft: Der ist der ifeu-Studie zufolge in einigen Fällen nicht besser oder manchmal sogar schlechter als bei Produkten aus konventioneller

    „Hier zeigt sich allerdings, dass ein alleiniger Fokus auf CO2-Emissionen kein vollständiges Bild der ökologischen Wahrheit zeichnet“, betont Reinhardt. „Die etwas höheren Emissionen werden durch den deutlich geringeren Pestizideinsatz, nachhaltigere Bodenbewirtschaftung und Erhöhung der Artenvielfalt mehr als wieder wettgemacht.“ Gerade in der Landwirtschaft könne ein nur auf die CO2-Emissionen verengter Blick die ökologische Gesamtbewertung stark verfälschen.

    Fleisch schneidet am schlechtesten bei CO2-Fußabdruck ab

    Auch in der ifeu-Studie schneidet Fleisch am schlechtesten ab: Für dessen Produktion seien nicht nur enorme Mengen Futtermittel nötig, sondern auch viel Dünger und ein großer Flächenverbrauch. Hinzu komme der Methanausstoß von Wiederkäuern, also Rindern und Kühen: Das Treibhausgas gilt als deutlich klimaschädlicher als CO2. Entsprechend empfiehlt das Institut in seinen Leitlinien für eine nachhaltige Ernährung erst eine möglichst fleischarme Kost, gefolgt von einer Reduktion von Milchprodukten.

    Dieser Empfehlung schließt sich Melanie Speck an: Sie ist Hauptautorin eines „Zukunftsimpulses“ des Wuppertal Instituts, in der es um nachhaltige Ernährungssysteme und Konsummuster geht. In dem Papier wird unter anderem ein „Umweltbudget“ mit orientierungsgebenden Zielwerten vorgestellt, mit denen jeder Mensch ein nachhaltiges Leben führen könne.

    So werden für die Ernährung circa 0,35 Tonnen CO2-Äquivalente pro Person und Jahr genannt. CO2-Äquivalente beziffern, wie groß die Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase wie etwa Methan oder Lachgas im Vergleich zu CO2 ist. Was heißt das für einen Verbraucher? „Für das Beispiel eines Mittagsmenüs bedeutet das, dass dieses maximal 600 Gramm CO2-Äquivalente mit sich bringen sollte“, beschreibt Speck. Damit kämen die Mittagessen rechnerisch pro Jahr auf knapp 0,22 Tonnen CO2-Äquivalente.

    Verbraucher können eigenen CO2-Fußabdruck ihres Essens berechnen

    Wie aber können Verbraucher herausfinden, wie groß der CO2-Fußabdruck ihrer Mahlzeiten ist? Im Internet sollen Rechner bei der Abschätzung der Klimaeffekte helfen, darunter „Nahgast“ für die Großgastronomie, „Klimateller“ für Privathaushalte oder die „Susla“-App, die Klima- und Ressourcenverbrauch für viele Aspekte des Lebensstils berechnet. Durch solche Rechner und Apps würde nachhaltige Ernährung wesentlich konkreter werden, sagt Speck.

    Diese beinhalte allerdings nicht nur ökologische, sondern auch soziale und gesundheitliche sowie nicht zuletzt ökonomische Aspekte. „Gerade in der Großküche müssen nachhaltigere Menüs stärker beworben und darüber hinaus subventioniert werden – entweder durch den Betrieb in Kantinen oder durch Kommunen, wenn wir über die Verpflegung in Kitas oder Schulen sprechen“, betont die Ökotrophologin. Hier sollten vegetarische oder vegane Speisen im Vordergrund stehen. Dafür müsse aber pflanzliche Ernährung stärker in der Ausbildung von Köchinnen und Köche behandelt werden.

    Expertin sieht große Gastronomen in der Verantwortung

    Insgesamt nimmt der „Zukunftsimpuls“ die Außer-Haus-Verpflegung und dabei vor allem die Großgastronomie in den Fokus. Eine Ernährungswende könne dort eine besondere Hebelwirkung entfalten. „Überzeuge ich einen Küchenchef, ändert dieser innerhalb kürzester Zeit 2000 Menüs pro Tag“, so Speck. Im Vergleich dazu werde der Einfluss privater Haushalte oft überbewertet. Aber unterschätzt werden sollten auch sie nicht: „Wenn sich eine Privatperson dafür entscheidet, klimafreundlicher und nachhaltiger zu leben, kann sie von heute auf morgen 20 bis 30 Prozent des Ressourcenverbrauchs, der aufgrund ihres Lebensstils anfällt, reduzieren, indem sie zum Beispiel weniger Auto fährt oder eben ihre Ernährung umstellt.“

    Auch für einkommensschwächere Haushalte sei nachhaltige Ernährung möglich, so Speck, wenn sie primär auf pflanzliche, wenig verarbeitete Lebensmittel ziele. Eine gute Orientierung dafür biete die „Planetary Health Diet“, die 2019 von der „Eat-Lancet“-Kommission vorgestellt wurde. Darin gibt das Expertengremium Empfehlungen. Ausgehend von einem durchschnittlichen Energiebedarf von 2500 Kilokalorien pro Person enthält der empfohlene Speiseplan täglich durchschnittlich 232 Gramm Vollkorngetreide, 300 Gramm Gemüse, 200 Gramm Obst und 250 Gramm Milchprodukte, aber nur 14 Gramm Rind, Lamm oder Schwein.

    Tipps für eine nachhaltigere Ernährung

    Grundsätzlich komme angesichts der Klimakatastrophe niemand mehr darum herum, das eigene Konsumverhalten und eben auch die eigene Ernährung zu überdenken, unterstreicht Speck. Sie nennt konkrete Tipps: „Einkaufen beginnt schon vor dem Betreten des Ladens, nämlich damit, zu Hause eine Liste zu schreiben.“ Zu einem nachhaltigen Konsum gehöre Planung, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Außerdem sollten mehr pflanzliche als tierische sowie mehr unverarbeitete als verarbeitete Lebensmittel im Einkaufswagen landen.

    „Danach kann man auf Biolebensmittel, die Saisonalität und Regionalität der Produkte achten“, sagt die Wissenschaftlerin Speck. Sie betont: „Nachhaltige Ernährung ist überhaupt nicht schwierig, sondern bedeutet in den meisten Fällen eine Rückbesinnung auf das, was früher normal war: der Einkauf beim Laden um die Ecke, wenig verarbeitete Produkte und ein durchdachter Speiseplan.“ (dpa)

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