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Messe "Eurobike": Wird das Lastenrad zum neuen Zweitwagen?

Messe "Eurobike"

Wird das Lastenrad zum neuen Zweitwagen?

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    Die Einkäufe nach Hause bringen: Das klappt mit einem elektrischen Lastenrad wie diesem schnell und einfach.
    Die Einkäufe nach Hause bringen: Das klappt mit einem elektrischen Lastenrad wie diesem schnell und einfach. Foto: Wolfram Kastl, dpa

    "Dürfen wir mal ein Lastenrad Probe fahren?" Thomas Bernds hört diese Frage in letzter Zeit oft. Er baut in einer Halle am Überlinger Osthafen Fahrräder – weitgehend von Hand und nach Maß gefertigt. Bekannt geworden ist sein Familienbetrieb eigentlich durch seine Falträder und Tandems. "Aber als ich 2006 bei einem Urlaub in Amsterdam gesehen habe, wie viele Lastenräder dort herumfuhren, wollte ich so etwas auch bauen", sagt Thomas Bernds. Er war damals erst der zweite Hersteller in Deutschland, der sich überhaupt an den Transporträdern versuchte. Und Thomas Bernds hatte den richtigen Riecher.

    Denn inzwischen erfreuen sich die Lastenräder auch in Deutschland wachsender Beliebtheit. Rund 40.000 elektrisch betriebene Lastenräder, auch Cargobikes genannt, wurden im Jahr 2018 hierzulande verkauft. Das bedeutet einen Marktzuwachs von 80 Prozent. Zum Vergleich: Die Zahl der neu zugelassenen E-Autos liegt bei 36.000. "Das ist eine enorme Entwicklung", sagt David Eisenberger vom Zweirad-Industrieverband. Er betont aber auch, dass es sich bei den Lastenrädern nach wie vor um eine Nische innerhalb des Fahrradmarktes handelt. "Sie machen einen Anteil von vier Prozent an allen verkauften E-Bikes aus", sagt David Eisenberger. Und die Zahl der verkauften Lastenräder ohne Antrieb ist so gering, dass sie statistisch gar nicht gesondert erfasst wird.

    "Große Hersteller erweitern Sortiment zunehmend um Lastenräder"

    Auch auf der Fahrradmesse Eurobike, die am Mittwoch in Friedrichshafen beginnt, sind die Lastenräder dieses Jahr ein klarer Trend. "Die Entwicklung der E-Fahrräder hat dem Lastenrad definitiv den entscheidenden Schub gegeben", sagt Stefan Reisinger, Eurobike-Bereichsleiter der Messe Friedrichshafen. Denn während sich die Postmitarbeiter früher mit ihren schwer beladenen Lastenrädern ordentlich abstrampeln mussten, spielt es heute – elektrischem Antrieb sei Dank – keine spürbare Rolle mehr, ob man die Transportboxen mit bis zu 200 Kilo belädt.

    "Es gibt immer mehr kleine Firmen, die sich darauf spezialisieren. Und die großen Hersteller erweitern ihr Sortiment zunehmend um Lastenräder", sagt Reisinger. Waren im vergangenen Jahr bei der Eurobike noch 24 Aussteller in der sogenannten Cargo Area der Messe, teilen sich den Platz dieses Jahr bereits 32 Aussteller. "Das Segment differenziert sich immer mehr aus, manche Räder können zum Beispiel besonders große Lasten tragen, andere lassen sich zusammenfalten", sagt Stefan Reisinger.

    Preis eines Lastenrads zwischen 4000 und 6000 Euro

    So gibt es inzwischen allein in Deutschland mehr als 60 Hersteller von Cargobikes. Einer der bekanntesten ist Riese&Müller. Das Darmstädter Unternehmen, das auf hochwertige E-Bikes und E-Cargo-Bikes spezialisiert ist, hat in den vergangenen drei Jahren seinen Umsatz jedes Jahr mehr als verdoppelt. "Die deutsche Industrie ist bei den Lastenrädern inzwischen gut am Ball", sagt auch Hersteller Thomas Bernds aus Überlingen. Insbesondere die reinen Lastenrad-Hersteller spüren auch ein deutlich wachsendes Kaufinteresse, seit es vonseiten des Bundes, der Länder und von einzelnen Kommunen verschiedene finanzielle Fördermöglichkeiten gibt.

    Denn die Lastenräder gelten insbesondere in Städten mit Stauproblemen als eine Lösung für die täglichen Verkehrsinfarkte. Pizzadienste, Schornsteinfeger, Handwerker und Privatpersonen sollen über die Fördergelder nun dazu motiviert werden, das Auto möglichst oft stehen zu lassen. "Bei einem Anschaffungspreis von 4000 bis 6000 Euro für ein gutes Lastenrad spielt das Geld natürlich eine Rolle", sagt Bernds.

    Ob die Förderungen ausreichen, den Lastenrad-Markt aus der Nische herauszuholen, daran hat Hersteller Thomas Bernds dennoch seine Zweifel. Zwar hört er von seinen Kunden inzwischen häufig, dass sie das Fahrrad nicht mehr vorwiegend in ihrer Freizeit nutzen wollen, sondern als wichtiges Verkehrsmittel im Alltag – weil es günstiger ist als Autofahren und besser für die Umwelt. Die Ergebnisse einer Studie des EU-Projekts CycleLogistics, wonach bald 50 Prozent der motorisierten Transporte in europäischen Städten auf Fahrräder, Radanhänger und Lastenräder verlagert werden könnten, hält er dennoch für zu optimistisch. "Dazu stimmt die Infrastruktur für den Fahrradverkehr in Deutschland einfach noch nicht." Das Lastenrad werde in absehbarer Zeit nicht das neue Auto. "Aber wenn es der neue Zweitwagen wird, dann haben wir viel erreicht", sagt Thomas Bernds.

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