Erfahrene Manager von Privathaushalten haben es immer schon gewusst: Hinter den Artikeln, die Discounter und Handelsketten als Eigenmarke oder No-Name-Produkt verkaufen, steckt häufig ein fast identisches Markenprodukt. Seit mehr als einem Jahrzehnt befassen sich Markenexperten mit dem Phänomen. Der Hamburger Stefan Duphorn ist einer von ihnen und erklärt die Hintergründe.
In welchen Branchen kommt es vor, dass Marken- und No-Name-Produkt aus einem Betrieb stammen?
Zu beobachten sei das Phänomen hauptsächlich in der Lebensmittelbranche, sagt Duphorn. „Teils gibt es das Phänomen auch bei Drogerie- und Reinigungsartikeln, doch da ist es schwierig nachzuweisen.“
Wie erkenne ich als Verbraucher, ob zwei Produkte fast gleich sind?
Gut zu vergleichen ist immer die Adresse des Betriebsstandorts. Auf No-Name-Produkten und Eigenmarken steht aber oft nur, für welche Handelskette sie gefertigt wurden. Ist es ein tierisches Produkt, lohnt sich ein Blick auf die Veterinärkontrollnummer, die in einem Oval ausweist, in welchem Betrieb es verarbeitet und verpackt wurde.
Stimmt es, dass Restmengen von Markenprodukten umetikettiert als Discountware in den Handel gehen?
Duphorn ist sicher: „Das ist nur ein Gerücht!“ Für Hersteller wäre das schlicht unpraktikabel. Schließlich müssten sie No-Name-Produkte in riesigen Mengen an Discounter liefern, sagt der Markenexperte. „Da reicht es nicht aus, wenn sie Restmengen von Markenprodukten umetikettieren. Was als No-Name-Produkt in den Handel geht, hat diese Bestimmung von Anfang an.“
Sind die Rezepturen, die Zutaten und die Qualität gleichwertig?
Mit Sicherheit weiß das im Einzelfall nur der Herstellerbetrieb. Manchmal genügt aber ein Blick auf die Zutatenliste, um zu erkennen, wie ähnlich sich Produkte sind. Experte Duphorn vermutet, dass die Rezepturen bei Milchprodukten häufig identisch sind: „Am Rezept etwas zu ändern, ist kompliziert und teuer. Da wird meist nur die Endverpackung ausgetauscht.“ Selbst in der Qualität gebe es kaum Unterschiede: „Einfache Produkte wie Milch bleiben in der Produktion gleich. Da gibt es nichts zu ändern.“
Wann lohnt es sich überhaupt noch, zum Markenprodukt zu greifen?
Je vielschichtiger das Produkt verarbeitet wird, desto wahrscheinlicher sei es, dass sich das Markenprodukt vom No-Name-Produkt in Qualität und Geschmack unterscheidet, sagt Duphorn. Das liege allein an der Vielfalt der Zutaten. Markenfertiggerichte seien mit denen vom Discounter nicht vergleichbar. „Ich würde jedem raten, im Zweifel eher zum teuren Tiefkühlprodukt zu greifen als zur Billigvariante.“
Kann man Discounterprodukte guten Gewissens kaufen?
Das hänge davon ab, worauf man als Verbraucher Wert legt, sagt Duphorn. „Aldi beispielsweise ist ein Händler, der regional einkauft und verkauft – weil das für den Discounter selbst billiger ist.“ Marken wie Landliebe Milch dagegen produzieren an einem Standort und fahren zum Verkauf durch das Land. Discounter führen harte Preiskämpfe, sagt er. „Wer faire Preise für Erzeuger will, greift besser zur Marke.“
Wie kommt es dazu, dass Marken- und No-Name-Produkte heute oft aus demselben Betrieb stammen?
Das Phänomen basiert darauf, dass Lebensmittel-Discounter mit der Zeit immer größer wurden, sagt Duphorn. „Ende der 80er Jahre haben sie sehr viele Filialen eröffnet und Marktmacht gewonnen.“ Um ihr Filialnetz zu versorgen, beziehen Discounter von verschiedenen Herstellern Produkte in großen Mengen. Lieferanten nehmen die Aufträge an, um ihre Produktion auszulasten.
Wer profitiert in diesem System?
Discounter sind nicht nur Ursprung des Phänomens – ihnen kommt es auch gelegen. Um möglichst große Mengen preisgünstig verkaufen zu können, wollen Discounter von Markenherstellern unabhängig sein. Die Hersteller, die sie mit No-Name-Produkten beliefern, profitierten mit, sagt Duphorn. „Ohne großen finanziellen Mehraufwand können sie mehr verkaufen.“ Auch preisbewusste Verbraucher sind Gewinner bei No-Name-Produkten. Sie freuen sich, Marken-Qualität zu Discountpreisen zu erhalten.
Wer sind die Verlierer dabei?
Kleinere Betriebe haben selten Produktionskapazitäten, um die Massen zu verarbeiten, die ein Discounter bräuchte. Zudem kann es für sie gefährlich sein, in Abhängigkeit von einer Handelskette zu geraten. Als Verlierer der Discounterisierung und der No-Name-Produkte gelten Duphorn zufolge auch Erzeuger: „Wenn Discounter härteste Preiskämpfe mit den Herstellern führen, schauen die Erzeuger in die Röhre.“
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