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Kommentar: Wer Billig-Milch kauft, gefährdet unsere Bauern

Kommentar

Wer Billig-Milch kauft, gefährdet unsere Bauern

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    Niedrige Preise belasteten die Milchbauern schon seit längerem, sie schätzen die Situation als existenzbedrohend ein.
    Niedrige Preise belasteten die Milchbauern schon seit längerem, sie schätzen die Situation als existenzbedrohend ein. Foto: Martin Gerten, dpa (Symbolbild)

    Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass Christian Schmidt ein Versprechen abgegeben hat. Ein „Weiter so“, sagte der Bundeslandwirtschaftsminister damals, dürfe es nicht geben. Es war die Zeit für dramatische Worte, denn die schon lange schwelende Milchkrise hatte ihren traurigen Höhepunkt erreicht. Der Milchpreis war mancherorts bis auf 20 Cent pro Liter gesunken. Tausende Landwirte gaben ihren Hof auf, ein Großteil davon seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten im Familienbesitz. Viele weitere Bauern fürchteten um ihre Existenz.

    Nach Soforthilfen in Millionenhöhe stieg der Milchpreis wieder an

    Schmidt verteilte also nach dem Milchgipfel Soforthilfen in Millionenhöhe. Und danach? Gab es tatsächlich erst einmal kein „Weiter so“. Die Landwirte produzierten weniger Milch, der Milchpreis stieg wieder an, aktuell steht er in Bayern zwischen 33 und 34 Cent. Nur: Der Minister hatte damit nicht viel zu tun. Die Finanzspritze hat sicher nicht geschadet. Die Erholung der Märkte setzte aber unabhängig davon ein.

    Ist jetzt also alles wieder gut? Leider nicht. Denn nun müssen viele Landwirte die zum Teil gewaltigen Löcher stopfen, die die Krise gerissen hat. Überbrückungskredite müssen zurückgezahlt, aufgeschobene Investitionen getätigt werden. Und das alles bei einem Milchpreis, der immer noch sechs bis sieben Cent unter dem liegt, was ein Milchviehhalter benötigt, um seine Kosten zu decken. Die Folge: Zumindest ein Teil der Bauern wird wieder mehr produzieren – um mehr Geld einzunehmen. Das führt aber zu neuen Problemen. Denn ist mehr Milch auf dem Markt, dürften auch die Preise auf lange Sicht wieder fallen.

    Wer verhindern will, dass die Bauern erneut in eine Krise schlittern, muss sich deshalb mit den Ursachen der letzten Misere befassen: Zum Beispiel mit dem globalisierten Handel, der es kleineren Betrieben schwer macht, sich über Wasser zu halten. Mit dem Krisen-Markt in Russland, der durch den Einfuhrstopp weggebrochen ist. Oder mit Umweltauflagen, durch die sich viele Bauern gegängelt fühlen.

    Auch Verbraucher, die zu Billig-Milch greifen, tragen eine Mitschuld

    Und auch der Verbraucher ist nicht unschuldig. Denn nirgendwo sonst in Europa greifen so viele Menschen im Supermarkt zur Billig-Milch wie hierzulande. Sie machen es dem Handel leicht, die Preise weiter zu drücken. Aus dem wertvollen Lebensmittel ist ein Produkt geworden, das der Kunde im Vorbeigehen mitnimmt, so wie einen Schokoriegel oder eine Zahnbürste. Hier und dort gilt für viele das Prinzip: Je billiger, desto besser. Ihr Geld wollen viele Verbraucher lieber in andere Dinge stecken: das Auto oder Urlaubsreisen.

    Damit die Bauern nicht wieder in eine Existenzkrise geraten, dürfen also nicht nur – wie im vergangenen Jahr – die Symptome des Problems behandelt werden. Stattdessen braucht es Anreize für Landwirte, nicht über den Bedarf hinaus zu produzieren. Und es braucht ein Instrument, mit dem das Angebot in Krisenzeiten gesteuert werden kann – und zwar nicht nur auf nationaler Ebene, sondern in der EU.

    All das funktioniert aber nur, wenn mehr Verbraucher bereit sind, angemessene Preise für Milch und Milchprodukte zu zahlen. Dem Kunden muss wieder bewusst werden, welchen Wert Lebensmittel haben. Dazu gehört eine offene und vor allem eine ehrliche Debatte über die heimische Landwirtschaft. Denn fast nirgends klaffen Vorstellung und Realität derart auseinander. Viele Verbraucher haben ein romantisch verklärtes Bild und wissen gar nicht, wie ein Bauernhof wirtschaftlich geführt wird. Den technologischen Fortschritt sehen sie eher als Risiko. Dabei muss jedem klar sein, dass ein Betrieb nur dann zukunftsfähig ist, wenn er technisch auf einem neuen Stand ist.

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