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Kampf um den Bürgersteig: Radler, Skater, Fußgänger - Wer darf auf den Gehweg?

Kampf um den Bürgersteig

Radler, Skater, Fußgänger - Wer darf auf den Gehweg?

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    Seit vielen Jahrzehnten schon treffen sich Fußgänger und Radler mitunter hart im öffentlichen Raum.
    Seit vielen Jahrzehnten schon treffen sich Fußgänger und Radler mitunter hart im öffentlichen Raum. Foto: Wolfgang Kumm, Eric Lalmand, dpa

    Nennen wir unseren Paradepassanten Gottlieb Sänger. Der Mann ärgert sich. Und zwar täglich. Er fühlt sich in seiner Stadt bedrängt: Straßenbahnen, halb auf dem Bürgersteig geparkte Automobile und Fahrradfahrer, die ihn auf dem Gehweg frech umkurven. Der aufbrausende Gottlieb war eine Paraderolle für den unvergessenen Schauspieler und Kabarettisten Heinz Erhardt – „Der letzte Fußgänger“ aus dem Jahr 1960 wurde ein Kassenschlager. In einer Zeit also, als der Fußgänger wenig, der Autoverkehr alles war. Das hat sich in den letzten knapp 60 Jahre insoweit geändert, als dass die uneingeschränkte Vorfahrt für Autos immer stärker infrage gestellt wird.

    Dem Fußgänger sind allerdings neue Konkurrenten in seinem angestammten Umfeld erwachsen. Immerhin scheint es so, als werde er vor einem völlig neuen Eindringling geschützt: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer erklärte, dass er E-Scooter – das sind mit Elektromotoren betriebene Tretroller – generell nicht über die Bordsteinkante lassen will. Zunächst hatte der CSU-Politiker vorgesehen, schwach motorisierte E-Scootern auf dem Trottoir zuzulassen. Doch Experten hatten erfolgreich vor den Gefahren für Passanten gewarnt.

    Der älteste Rivale des Fußgängers ist der Radfahrer

    Da stellt sich die Frage: Wer oder was hat überhaupt das Recht, auf dem Gehweg unterwegs zu sein? Der älteste Rivale des Fußgängers ist derRadfahrer. Begegnungen enden nicht selten im Streit, manchmal auch im Krankenhaus oder vor Gericht. Dabei dürften sich die Beiden eigentlich nur in Ausnahmefällen über den Weg laufen oder fahren. Während Kinder bis zu acht Jahren den Gehweg benutzen müssen, dürfen ihn Mädchen und Jungen bis zehn Jahren befahren. Danach ist Schluss – es sei denn, ein Abschnitt des Gehwegs ist per Verkehrsschild ausdrücklich auch für Radfahrer ausgewiesen.

    Mit Inline-Skatern und Rollschuh-Fahrern dagegen müssen Fußgänger jederzeit rechnen. Das liegt daran, dass Zeitgenossen, die kleine Rädchen unter ihren Schuhen haben, rechtlich gesehen nichts anderes als rollende Passanten sind. Krach ist vorprogrammiert, weil Skaten einfach mehr Spaß macht, wenn man Tempo aufnimmt – insbesondere in Fußgängerzonen. Dabei werden Flaneure oft zu Slalomstangen. Spätestens wenn eingefädelt wird, kommt es zu Konflikten.

    In einer Grauzone bewegen sich die ebenfalls meist jüngeren Verkehrsteilnehmer, die auf Skateboards, den einachsigen Wave- oder den besonders langen Longboards über den Bürgersteig surfen. In der Straßenverkehrsordnung werden sie als „besondere Fortbewegungsmittel“ eingestuft. Das heißt, sie dürfen den Gehweg benutzen – vorausgesetzt, sie behindern oder gefährden Fußgängern nicht. Dass es schnell zur Ermessensfrage wird, ob eine solche Gefährdung im Einzelfall tatsächlich vorliegt, ist nicht wirklich überraschend. Für seltener anzutreffende Gefährte wie Gokarts, oder Drei- oder Einräder gelten im Prinzip die gleichen Regeln.

    In touristisch attraktiven Städten trifft man aus Segway-Fahrer-Rudel

    In attraktiven Städten mit vielen Sehenswürdigkeiten trifft man auf Segway-Fahrer-Rudel. Die elektrisch betriebenen Geräte lassen sich auf einer Plattform stehend durch Körperverlagerung bremsen und beschleunigen. Gelenkt wird über ein Gestänge. Für diese Vehikel sind Gehwege tabu. Ausflüge von Touristengruppen in Fußgängerzonen müssen genehmigt werden.

    Übersichtlicher jedenfalls ist die Gemengelage auf unseren Gehwegen nicht geworden. Immerhin sind die Bürgersteige in vielen Städten deutlich verbreitert worden, ja ganze Plätze und Straßen sind längst autofrei. Darüber hätte sich der „letzte Fußgänger“ Gottlieb Sänger sicher gefreut. Aber vielleicht nicht allzu lange: Denn die Sehnsucht nach südlich geprägtem Flair schmälert den Raumgewinn vielerorts ganz erheblich. Immer mehr Cafés und Restaurants bewirten ihre Gäste an schönen Tagen im Freien.

    Cafés und Restaurants wollen im Freien bewirten 

    So wie in Augsburg: „Vor 30 Jahren gab es auf unserem Rathausplatz ein bis zwei gastronomische Angebote – heute sind es fünf“, sagt Ordnungsreferent Dirk Wurm unserer Redaktion. Doch in den letzten fünf Jahren sei die Fläche – trotz vieler Anfragen – für Stühle und Tische auf Gehwegen und Plätzen nicht erweitert worden. „Wir achten darauf, dass für Fußgänger genug Raum bleibt“, sagt Wurm. Konflikte und Beschwerden gebe es immer da, wo es eng zugeht.

    Dass die E-Scooter die Städte erobern, gehört für den Ordnungsreferenten zu den Veränderungen, die eine moderne Mobilität mit sich bringt. Dass die Roller nun wohl doch nicht auf das Trottoir dürfen, hält er für sinnvoll: „Wir müssen die Schwächsten im Verkehr schützen – und das sind die Fußgänger.“

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