Startseite
Icon Pfeil nach unten
Geld & Leben
Icon Pfeil nach unten

Interview: Trotz Corona-Krise erfolgreich bewerben - wie geht das, Herr Hesse?

Interview

Trotz Corona-Krise erfolgreich bewerben - wie geht das, Herr Hesse?

    • |
    Die Jobsuche wird durch die Corona-Pandemie nicht gerade erleichtert. Wie bewirbt man sich trotzdem erfolgreich?
    Die Jobsuche wird durch die Corona-Pandemie nicht gerade erleichtert. Wie bewirbt man sich trotzdem erfolgreich? Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild)

    Herr Hesse, Sie beschäftigen sich seit fast vierzig Jahren mit dem Thema Bewerbungen und allem, was dazugehört. Was ist heute anders als früher?

    Jürgen Hesse: Es hat sich eine Menge verändert: Das Auswahlverfahren ist komplexer, schwieriger und unangenehmer geworden. Das Entscheidende aber ist, dass sich Personaler genauer über ihre Bewerber informieren können. Sie recherchieren im Internet und machen sich ein Bild von den Kandidaten. Viele Bewerber wissen dabei noch gar nicht, wo sie überall Spuren hinterlassen. Außerdem sind die Ansprüche an neue Mitarbeiter gestiegen. Bewerber müssen heute viel schneller auf den Punkt bringen, was sie können und wofür sie stehen.

    Was bedeutet das konkret? Ist es durch die Corona-Krise schwieriger geworden, an einen Job zu gelangen?

    Hesse: Ja, auf jeden Fall. In schwierigen Zeiten, wenn die Personaletats kleiner werden, werden Unternehmen wählerischer und wollen noch mehr für noch weniger Geld. Die Arbeitgeber sagen sich: ‚Wenn wir jetzt schon viel Geld in jemanden investieren, dann muss der mindestens zaubern können‘. Wer heute auf Jobsuche ist, braucht daher mehr Kraft, mehr Ausdauer und eine höhere Frustrationstoleranz, als noch vor wenigen Jahren.

    Das sagt sich so leicht. Wie kann man die eigene Frustrationstoleranz erhöhen?

    Hesse: Man muss lernen, dass man nicht immer erfolgreich sein kann. Und trotzdem darf man nicht aufgeben. Es ist auch ganz normal, dass man sich fünf oder zehn Mal bewirbt und nur ein einziges Mal zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird. Genau dafür müssen sich Bewerber aber heute ganz anders und viel intensiver vorbereiten.

    Und zwar wie?

    Hesse: In jedem Vorstellungsgespräch tauchen immer wieder die drei gleichen Fragen auf. Erstens: ‚Wer sind Sie, erzählen sie mal … ?‘ Zweitens: ‚Warum bewerben Sie sich bei uns?‘ Und die dritte Frage lautet: ‚Warum sollen wir uns für Sie entscheiden?‘ In abgewandelter Form kommen diese Kardinalfragen in jedem Vorstellungsgespräch vor. Und entsprechend wird dann ausgewählt: Neue Mitarbeiter müssen die nötige Qualifikation mitbringen, lernbereit und sehr leistungsmotiviert sein sowie aufgrund der Persönlichkeit in das Unternehmen passen.

    Jetzt haben Sie aber noch nicht gesagt, wie sich Bewerber auf diese Fragen vorbereiten und im Gespräch dann letztlich überzeugen können…

    Hesse: Auch dafür gibt es drei Schritte: Vor einem Vorstellungsgespräch sollte man sich ein Kommunikationsziel überlegen, daraus Botschaften entwickeln und diese Botschaften mit Geschichten und Argumenten unterfüttern. Als Bewerber sollte ich idealerweise in der Lage sein, dem Gegenüber in 30 Sekunden zu erklären, warum er sich für mich und meine Mitarbeit entscheiden sollte.

    Jürgen Hesse hat zusammen mit Hans Christian Schrader mehr als 250 Bücher rund um das Thema Bewerbung und Karriere geschrieben.
    Jürgen Hesse hat zusammen mit Hans Christian Schrader mehr als 250 Bücher rund um das Thema Bewerbung und Karriere geschrieben.

    Wegen der Corona-Pandemie werden immer mehr Vorstellungsgespräche als Videokonferenz stattfinden. Wie verändert das die Situation?

    Hesse: Ich weiß gar nicht, ob es dadurch wirklich schwieriger wird. Natürlich kann es erst einmal irritierend wirken, wenn man sich selbst und die anderen Gesprächsteilnehmer auf dem Bildschirm sieht. Aber das muss man einfach üben. Selbstverständlich sollte man für den richtigen Hintergrund sorgen und sicherstellen, dass man nicht gestört wird. Was die Körpersprache betrifft, gibt es eine goldene Regel, die für persönliche und digitale Gespräche gilt: Hände weg vom Kopf.

    Angenommen, die Bewerbungsunterlagen sind abgeschickt und man hört erst einmal längere Zeit nichts vom potenziellen Arbeitgeber. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um nachzufragen?

    Hesse: Am klügsten ist es, anzurufen, noch bevor man sich bewirbt. Das machen ganz wenige und das unterscheidet einen schon von anderen Bewerbern. Wenn die Unterlagen dann abgeschickt sind, sollte man sich zehn Tage gedulden, ehe man nachfragt – natürlich höflich und nicht vorwurfsvoll. Auch das kann einen von der Konkurrenz unterscheiden. Im Anschluss an ein Vorstellungsgespräch sollte man nach fünf oder sechs Tagen nachfragen. Auf der Seite der Arbeitgeber gibt es auch welche, die wochenlang für eine Absage brauchen. Das ist schlechter Stil.

    Sie haben eingangs bereits gesagt, dass Personaler ihre Kandidaten intensiver durchleuchten. Wie präsentiert man sich online am besten?

    Hesse: Vereinfacht gesagt: Privat muss privat bleiben. Wer Bilder von einer Mallorca-Feier oder von einem Bungee-Sprung veröffentlicht, ist selber schuld, wenn man diese Bilder leicht findet. Und natürlich kann man sein eigenes Image auch selber steuern: Wer angelt und Rosen züchtet, gibt ein anderes Bild von sich ab als jemand, der Klavier und Schach spielt.

    Welche Rolle spielen dabei Karriere-Portale wie LinkedIn oder Xing?

    Hesse: Das kommt natürlich auf die Person und ihren Hintergrund an. Aber wer studiert hat, ein paar Zusatzqualifikationen vorweisen kann und über ein gewisses Einkommen verfügt, für den ist das ein Muss. Wenn Sie den nächsten Karrieresprung machen wollen, können Sie es sich eher leisten, kein Smartphone zu haben, als nicht auf diesen Portalen zu sein.

    Und wenn es am Ende nicht geklappt hat? Wie geht man mit einer Absage um?

    Hesse: Da sind wir wieder beim Thema Frustrationstoleranz. Das bedeutet auch, das Risiko einzugehen zu verlieren. Man muss allerdings aus diesen Niederlagen lernen. Der erste Punkt ist Nachfragen – aber nicht vorwurfsvoll. Zweitens sollte man sich fragen, wie man seine Methode verbessern kann. Dazu hilft es, nach dem Gespräch ein Protokoll zu schreiben. Auch eine Mail im Anschluss an das Gespräch, in der man noch einmal vermittelt, was man anzubieten hat, kann helfen.

    Jürgen Hesse ist Diplom-Psychologe. Zusammen mit Hans Christian Schrader hat er in den vergangen 35 Jahren mehr als 250 Sachbücher rund um das Thema Bewerbung, Karriere und Arbeitswelt herausgegeben. Die Bücher des Autorenpaars erreichten eine Gesamtauflage von acht Millionen Exemplaren. 1992 gründete Jürgen Hesse außerdem sein eigenes Beratungsunternehmen für Berufsstrategie.

    Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie immer in unserem Live-Blog.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden