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Interview: Notar-Präsident im Interview: Was bedeutet Corona für Patientenverfügungen?

Interview

Notar-Präsident im Interview: Was bedeutet Corona für Patientenverfügungen?

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    Eine Patientenverfügung klärt unter anderem, wie lange ein Intensivpatient künstlich beatmet werden soll.
    Eine Patientenverfügung klärt unter anderem, wie lange ein Intensivpatient künstlich beatmet werden soll. Foto: Marijan Murat, dpa (Symbol)

    Herr Rupp, Sie sind Präsident des Deutschen Notarvereins und haben unzählige Patientenverfügungen bearbeitet. Viele sind jetzt verunsichert, was die Coronavirus-Epidemie für Patientenverfügungen bedeutet, nachdem möglicherweise die Kapazitäten auf den Intensivstationen knapp werden könnten. Kann sich eine Verfügung negativ auf die Behandlung auswirken?

    Christian Rupp: Die Patientenverfügung beschreibt Zustände, in denen sie greifen soll. Die meisten wollen verhindern, dass Leiden nur verlängert werden, wenn es keine Aussicht auf Erfolg gibt. Das heißt, wenn der Patient nur noch anhand von Maschinen und Intensivmaßnahmen, wie künstlicher Beatmung oder künstlicher Ernährung am Leben gehalten wird. Was das im Einzelnen im Fall der Corona-Erkrankungen bedeutet, hängt von der Situation ab und ist eine Frage an die Mediziner.

    Kann man bei einer entsprechenden Patientenverfügung jetzt aktuell eine Ausnahme machen und erklären, im Fall einer Corona-Erkrankung möchte man doch künstlich beatmet werden?

    Rupp: Natürlich. Eine Patientenverfügung kann jederzeit verändert werden, sie muss auch nicht notariell beurkundet werden. Eine Patientenverfügung kann auch konkret für den Fall einer Corona-Erkrankung verändert werden. Es gibt in Deutschland sehr viele notarielle Patientenverfügungen, weil sie oft zusammen mit Vorsorgevollmachten mitbeurkundet werden. Wer angesichts der jetzigen Epidemie Bedenken bekommt, kann einfach selbst einen Zusatz hinzufügen, dass im Fall einer Corona-Erkrankung die Patientenverfügung keine Anwendung findet, sondern dass alle intensivmedizinischen Maßnahmen durchgeführt werden sollen.

    Und was sollte jemand im umgekehrten Fall tun, der jetzt wegen der Epidemie schnell eine Patientenverfügung machen will?

    Rupp: Wir raten immer dazu, eine Patientenverfügung immer in Zusammenhang mit einer General- und Vorsorgevollmacht zu machen, damit alle Bereiche des Lebens im Notfall abgedeckt sind. Man muss beispielsweise Anträge bei der Kranken- und anderen Versicherungen stellen oder Bankgeschäfte erledigen. Da empfehlen wir, sich an den Notar zu wenden, damit auch diese Vorsorgevollmacht mit der Patientenverfügung beurkundet wird. Aber ansonsten findet man Entwürfe und Textbausteine für Patientenverfügungen auch bei renommierten Stellen im Internet. Ich empfehle dabei entweder die Angebote der Bundesärztekammer oder des Bundesjustizministeriums.

    Manche benutzen in privat erstellten Patientenverfügungen dennoch allgemeine Formulierungen, wie: „lebenserhaltende Maßnahmen lehne ich ab“. Reicht das aus?

    Rupp: Nein. Der Bundesgerichtshof hat vor zwei Jahren entschieden, dass Aussagen wie „Ich lehne alle lebensverlängernden Maßnahmen ab“ zu pauschal und damit unwirksam sind. In der Patientenverfügung muss erklärt sein, in welchen Krankheitszuständen sie gelten soll. Die Formulierung müsste dann entsprechend lauten, dass man keine intensivmedizinischen Maßnahmen mehr möchte, wenn der Sterbeprozess irreversibel eingesetzt hat. Und der Bundesgerichtshof hat auch festgelegt, dass in der Patientenverfügung beschrieben werden muss, was der Betroffene unter lebenserhaltenden Maßnahmen versteht: Meint er Beatmung, meint er künstliche Ernährung, Bluttransfusionen, Dialyse und so weiter…

    Was muss man formal beachten, damit die Ausnahme oder die Patientenverfügung rechtlich gültig ist?

    Rupp: Eine Patientenverfügung muss nicht wie ein Testament handschriftlich verfasst sein. Es reicht ein Ausdruck mit Datum und Unterschrift. Aber ich persönlich finde es dennoch gut, wenn eine Patientenverfügung handschriftlich komplett zu Papier gebracht wird. Dann sieht der Arzt, dass sich der Betroffene Gedanken gemacht und nicht irgendeinen Wisch aus dem Internet unterschrieben hat.

    Bekommt man in Corona-Zeiten überhaupt noch einen persönlichen Termin beim Notar?

    Rupp: Die Notare haben in der Regel immer noch auf und bieten Beurkundungstermine an. Denn Notare haben nach dem Berufsrecht einen Beurkundungszwang. Wir können nicht einfach zwei Wochen unser Büro schließen. Das heißt, bei uns finden auch jetzt ganz normal Termine statt, auch wenn wir versuchen, alles, was möglich ist, telefonisch zu erledigen. Aber die Beurkundungstermine, bei denen der Notar die gesamte Urkunde vorliest und erklärt, finden ganz normal persönlich statt.

    Sind Vorsorgevollmachten auch für Ehepaare ratsam?

    Rupp: Ja. Denn prinzipiell hat der Gesetzgeber nur für eine Gruppe eine Vertretungsvollmacht festgelegt. Jeder kennt sie: Eltern handeln für ihre minderjährigen Kinder. Mit 18 Jahren endet diese Vertretungsregelung. Das heißt, auch wenn ich verheiratet bin, kann mein Ehepartner nicht automatisch für mich handeln, sondern auch hier muss der Weg über die Generalvollmacht gegangen werden. Und das ist auch keine Frage des Alters. Jeden kann ein Unfall oder eine Krankheit treffen. Das heißt, jeder über 18 sollte eine solche Vollmacht haben.

    Was sollte man sich vorher überlegen?

    Rupp: Es ist eine Generalvollmacht, sie gilt für alle Bereiche. Das heißt, es ist eine große Vertrauensangelegenheit. Man braucht also eine Vertrauensperson, bei der man weiß, die macht das richtig und in meinem Sinne. Zu empfehlen ist, mindestens zwei Personen einzusetzen, weil ein Bevollmächtigter schnell ausfallen kann. Bei Ehegatten empfehle ich, dass sie sich gegenseitig als Hauptbevollmächtigte einsetzen, und danach die Kinder. Die Generalvollmacht beinhaltet zum einen sämtliche finanziellen Dinge: Haus, Bankgeschäfte, sämtliche Versicherungsangelegenheiten oder im Notfall die Wohnung aufzulösen. Das Zweite ist der Gesundheitsbereich: die Vertretung im Krankenhaus mit Akteneinsicht, die Entbindung des Arztes von der Verschwiegenheitspflicht.

    Brauche ich einen Notar dazu?

    Rupp: Die notarielle Beurkundung ist aus mehreren Gründen anzuraten. Wir haben im Gesetz bestimmte Formerfordernisse. Sobald ich die Vollmacht beispielsweise für ein Immobiliengeschäft oder eine Handelsregister-Angelegenheit brauche, muss sie notariell sein. Hier reicht eine rein private Vollmacht nicht. Auch bei Behörden ist nicht sicher, dass sie eine private Vollmacht anerkennen, denn oft ist nicht sichergestellt, ob auch der Richtige unterschrieben hat und dabei noch geschäftsfähig war. Ohne anerkannte Vollmacht kann es sein, dass ein amtlicher Betreuer eingesetzt wird. Also grundsätzlich ist eine notarielle Generalvollmacht immer besser, Corona hin oder her.

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