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Gesundheit: Schlafstörungen: Was bringen Schlafmittel?

Gesundheit

Schlafstörungen: Was bringen Schlafmittel?

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    Tabletten sollten das letzte Mittel gegen Schlafstörungen sein.
    Tabletten sollten das letzte Mittel gegen Schlafstörungen sein. Foto:  Franziska Koark (dpa)

    Der Sandmann kommt nicht, und die Nacht will nicht enden: Wer sich stundenlang im Bett hin- und herwälzt und sich tagsüber wie zerschlagen fühlt, der träumt von rascher Hilfe. Wie verführerisch ist es da, das Problem schnell mit einer Schlaftablette zu beseitigen – zumal, wenn es sich um ein vermutlich harmloses Medikament handelt, das rezeptfrei zu haben ist. Aber Achtung: Oft handelt es sich dabei um sogenannte Antihistaminika, die mit Vorsicht zu genießen sind. „Bei ihnen sind die Risiken höher als bei vielen verschreibungspflichtigen Schlafmitteln“, sagt Dr. Peter Geisler, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums Regensburg.

    Derzeit sind zwar viele verschiedene Schlaftabletten auf dem Markt. Die meisten davon muss der Arzt aber verschreiben. Bei Mitteln, die ohne Rezept erhältlich sind, handelt es sich vor allem um pflanzliche Präparate wie Baldriantabletten oder um Antihistaminika. Zu dieser Wirkstoffgruppe gehören Doxylamin (z.B. „Hoggar Night“, „Schlafsterne“) und Diphenhydramin. Solche Mittel machen schläfrig, indem sie den Einfluss von Histamin, ein wachmachender Botenstoff im Gehirn, herabsetzen. In erster Linie werden mit Antihistaminika Allergien behandelt – um sie als Schlafmittel zu verwenden, hat man sich eine unliebsame Nebenwirkung älterer Anti-Allergika, nämlich dass sie müde machen, zunutze gemacht.

    Erhebliche Nebenwirkungen

    Geisler zufolge können Antihistaminika dabei helfen, schneller einzuschlafen. „Das Schlafmuster verändert sich dadurch nicht sehr“, sagt er. Außerdem schätzen Experten das Risiko, von diesen Mitteln abhängig zu werden, als gering ein. Dafür können Antihistaminika erhebliche Nebenwirkungen haben. So erklärt Prof. Dr. Markus Schwaninger vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Lübeck: „Sie werden vom Körper nur langsam abgebaut, sodass man sich manchmal noch am nächsten Tag matt fühlt.“

    Außerdem blockieren die Wirkstoffe den Neurotransmitter Acetylcholin, wie Schwaninger berichtet. Dadurch kann es – vor allem bei hohen Dosen – zu Konzentrationsstörungen bis hin zu Verwirrtheitszuständen kommen. „Es wird auch diskutiert, ob solche Mittel eine Demenz auslösen können“, sagt der Pharmakologe. Allerdings lässt sich schwer sagen, ob in den beobachteten Fällen wirklich die Präparate am geistigen Abbau schuld waren – oder ob die Schlafprobleme, deretwegen sie genommen wurden, nicht schon Symptom einer beginnenden Demenz waren.

    „Vor allem alte Leute sollten bei der Einnahme von Antihistaminika vorsichtig sein“, betont Schwaninger. Wegen der Überhang-Effekte kann es nämlich leichter zu Stürzen kommen, auch das Autofahren wird gefährlich. Abgesehen davon ist der Nutzen der Mittel sehr begrenzt. So sagt Dr. Hans-Günter Weeß von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin: „Antihistaminika können bei leichten Schlafstörungen helfen. An grundlegenden Schlafproblemen ändern sie aber nichts.“ In seinen Therapiegruppen, in der Patienten mit

    Große Bandbreite bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten

    Bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten gibt es eine große Bandbreite. Am gängigsten sind Benzodiazepine und sogenannte Z-Substanzen wie Zopiclon und Zolpidem (Benzodiazepin-Rezeptoragonisten). Die Mittel wirken im Allgemeinen gut, haben aber auch ein weites Spektrum an Nebenwirkungen. Benzodiazepine können beispielsweise die Atmung beeinträchtigen und sind dafür für Asthmatiker und Menschen, die im Schlaf Atemaussetzer haben (Schlaf-Apnoe), gefährlich. Einen schlechten Ruf haben die „Benzos“ aber vor allem deshalb, weil sie abhängig machen können. Nach einer Weile gewöhnt sich der Körper an die Mittel, sodass sie nicht mehr wirken. Das verleitet dazu, die Dosis immer weiter zu steigern. Dadurch kann man in eine Spirale körperlicher Abhängigkeit geraten.

    Das hilft beim Schlafen

    Regelmäßige Zeiten Immer ungefähr zur selben Zeit zu Bett zu gehen und wieder aufzustehen, ist wichtig für den biologischen Rhythmus.

    Schlafdruck aufbauen Wer sich abends erst dann hinlegt, wenn er richtig müde ist, schläft in der Regel besser. Deshalb sollte man insgesamt nicht zu lange schlafen und auf längere Nickerchen tagsüber verzichten.

    Wenig Alkohol, kein Koffein Zwei Gläser Wein am Abend helfen zwar, schneller einzuschlafen. Insgesamt verschlechtert Alkohol die Schlafqualität aber gravierend. Zudem reagieren manche Menschen sehr empfindlich auf Koffein. Wer dazu gehört, sollte ab etwa 13 Uhr weder Kaffee noch Schwarztee trinken.

    Viel Bewegung Wer regelmäßig Sport treibt, schläft meistens besser. Empfehlenswert ist vor allem, sich bei Tageslicht an der frischen Luft zu bewegen.

    Maß halten Nach umfangreichen Menüs schläft es sich schlecht. Besser ist es, abends in Maßen zu essen und zu trinken. Manchen Menschen hilft es, tryptophanreiche Kost wie dunkle Schokolade, Nüsse oder Milch zu sich zu nehmen.

    Abendliche Rituale Von Einschlafritualen (etwa eine Bettlektüre oder ein Entspannungsbad) profitieren nicht nur Kinder. Sie helfen dem Körper, auf Entspannung umzuschalten.

    Nicht im Bett herumliegen Wer längere Zeit nicht mehr einschlafen kann und deshalb unruhig wird, sollte besser aufstehen und einer ruhigen Tätigkeit nachgehen (etwa Bügeln, Musik hören). Sich im Bett herumzuwälzen und zu ärgern, ist eher kontraproduktiv. (toll)

    Oft ziehen Ärzte daher die neueren „Z-Substanzen“ vor, da sie insgesamt als harmloser gelten. Schwaninger erklärt: „Z-Substanzen wirken ähnlich wie Benzodiazepine, manche Wirkungen fallen aber geringer aus.“ So sind Überhang-Effekte am nächsten Tag seltener, außerdem ist das Abhängigkeitspotenzial geringer. Dennoch gilt für diese wie für alle klassischen Schlafmittel, dass sie nicht länger als vier Wochen genommen werden dürfen. Eine längerfristige Einnahme verändert nämlich unter anderem das Schlafmuster. So sagt Weeß: „Das kann dazu führen, dass der Tiefschlaf völlig unterdrückt wird.“

    Wenn Patienten über längere Zeit Schlafmittel brauchen, verordnen Ärzte auch Anti-Depressiva oder Neuroleptika, die ebenfalls dämpfend wirken. Sie machen zwar nicht so schnell abhängig wie Benzodiazepine, haben aber deutlich mehr Nebenwirkungen.

    Harmlose Schlaftablette bleibt Traum

    Und wie sieht es aus mit der harmlosen, zuverlässigen Schlaftablette? Sie bleibt ein Traum. Zwar gibt es ein paar Präparate, die als ungefährlich gelten, doch sind sie nur schwach wirksam. Dazu gehört Melatonin, das Menschen ab 55 Jahren als Schlafmittel (Handelsname „Circadin“) verschrieben werden kann. Das Hormon, das der Körper bei Dunkelheit ausschüttet, sorgt dafür, dass wir abends müde werden. Melatonin-Zufuhr soll vor allem bei Jetlag wieder zu einem geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus verhelfen.

    Möglicherweise profitieren vor allem Senioren von zusätzlichem Melatonin, weil der Körper im Alter weniger von dem Stoff produziert. Der Schlafmediziner Geisler hält es für ein eher unproblematisches Mittel, das aber allenfalls bei leichten Schlafstörungen hilft. „In den USA schlucken Millionen von Menschen Melatonin“, sagt er. „Wenn es größere Risiken und Nebenwirkungen hätte, gäbe es Prozesslawinen.“ Ähnlich wie Melatonin beurteilt der Schlafmediziner auch L-Tryptophan, eine Aminosäure, die schlaffördernd wirken soll: „Das ist ein sicheres Arzneimittel. Man kann es damit probieren, es hilft aber nur in leichten Fällen.“ Aus diesem Stoff, der unter anderem in Cashewkernen, Sojabohnen und Käse vorkommt, wird im Gehirn der Botenstoff Serotonin gebildet, der wiederum wichtig für die Melatonin-Produktion ist.

    Keine Bedenken zu haben braucht man bei pflanzlichen Präparaten, die Baldrian, Hopfen oder Melisse enthalten. Sie werden teilweise sogar im Discounter angeboten und haben so gut wie keine Risiken. Ob sie wirken, ist nicht ganz klar – nur für Baldrian- und Baldrian-Hopfen-Präparate gibt es vereinzelte Studien, die deren Wirksamkeit belegen.

    "Keine dauerhafte Lösung"

    In manchen Situationen, etwa bei starker psychischer Belastung, können Schlaftabletten eine große Hilfe sein – auch wenn der Beipackzettel lang ist. „Es kann in solchen Fällen sinnvoll sein, sie vorübergehend zu nehmen. Sie sind aber nur eine symptomatische Therapie, keine dauerhafte Lösung“, sagt Weeß.

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