Bunte Pizzapackungen buhlen um die Aufmerksamkeit der Kunden. Die Aufschriften verheißen Sorten wie Vegetaria, Speziale, Salami und mehr. Wer hier die gesündeste Variante finden will, steht vor einem schier aussichtslosen Unterfangen: Pizzen herausnehmen, Nährwerte und Zutaten auf der Rückseite vergleichen, Pizzen wieder einsortieren – das dauert.
Doch hier und da blitzen weiße Buchstaben hervor, die Erleichterung verheißen. Auf einer Mozzarella-Pizza prangt ein C, auf einer vegetarischen ein B. Es handelt sich um den Nutri-Score, ein System, das die negativen und positiven Inhaltsstoffe eines Lebensmittels miteinander verrechnet. Seit Anfang November dürfen Lebensmittelhersteller den Nutri-Score rechtssicher für ihre Produkte verwenden. Auf einem Rundgang durch einen Supermarkt erklärt Ernährungswissenschaftlerin Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern, wo die Überraschungen liegen und wo nach ihrer Meinung noch Verbesserungsbedarf herrscht.
Ernährungsberaterin: Nutri-Score gibt Aufschluss über Lebensmittel
Das Unternehmen McCain etwa hat seine Pommes mit der Lebensmittelampel versehen – und erstaunt: Die "Golden Longs" sind mit einem B auf hellgrünem Grund bewertet, die "1.2.3 Frites Original" sogar mit einem A. Ein hoher Kartoffelanteil, wenig Salz und die Verwendung von gesundem Sonnenblumenöl sind laut Krehl der Grund dafür.
Warum die "1.2.3 Frites Original" noch einen Tick gesünder sind, wird erst bei einem Blick auf die Nährwerttabelle auf der Rückseite klar: deutlich weniger ungesunde gesättigte Fettsäuren und dafür ein höherer Kartoffelanteil. Aber: "Beim Einkauf haben die Menschen in der Regel keine Zeit, überall hinten nachzuschauen", sagt Krehl. Umso besser, wenn der Score auf der Vorderseite schnellen Aufschluss gibt.
Mineral- und Zusatzstoffe werden beim Nutri-Score nicht beachtet
Ursprünglich stammt das System aus Frankreich, sagt Krehl. Es gebe zwar noch andere Logos, ihr zufolge zeigen aber Untersuchungen, dass die Menschen den Nutri-Score am besten verstehen – auch wenn es noch einige "Knackpunkte" gibt. Krehl wünscht sich etwa, dass der Algorithmus auch Mineral- und Zusatzstoffe miteinbezieht. Cola light ist ihr zufolge zum Beispiel mit einem B versehen, die normale Cola mit E. Denn die normale Cola enthält bekanntermaßen viel Zucker, der bei der Light-Variante durch Süßstoff ersetzt wird. Und der sei nicht besonders gut für den Körper.
Der Score zeige aber auch, dass gewisse Dinge "nur im Kopf gesund sind", zum Beispiel Orangensaft. Bei der vermeintlich gesunden Frühstückszugabe reicht es ihr zufolge gerade einmal für ein C. "Säfte enthalten viel Zucker und damit viel Kalorien, die auch nicht satt machen." Im Müsliregal wartet die nächste Überraschung: Die Nesquik-Schokokugeln sind mit einem B versehen, die Clusters mit gesunden Nüssen auf der Verpackung dagegen mit einem C. Damit hätte nicht einmal Fachfrau Krehl gerechnet. Wieder sind es offenbar unter anderem die gesättigten Fettsäuren, die den Ausschlag geben.
Im Weitergehen erklärt die Ernährungswissenschaftlerin anhand von Lasagne, wie der Nutri-Score Hersteller dazu bringt, ihren Produkten für bessere Wertungen Nährstoffe hinzuzufügen "Wenn sie Vollkorngetreide verwenden, gibt das mehr Ballaststoffe." Auch beim Fleisch könnten die Unternehmen nachjustieren und auf mageres – und somit fettarmes – Rindfleisch setzen. Schließlich noch mehr Tomatensoße für den Gemüseanteil hinzugeben und fertig wäre die gesündere Lasagnen-Variante.
Foodwatch fordert eine einheitliche Kennzeichnung der Lebensmittel
Der Nutri-Score habe auch seine Grenzen, schränkt Krehl ein: Für stark verarbeitete Produkte mache er durchaus Sinn, für "Monoprodukte" wie unverarbeitete Nüsse und Olivenöle sei er aber nie gedacht gewesen. Und: "Diabetikern zum Beispiel bringt so eine Gesamtbewertung nichts." Betroffene müssten weiterhin die Zutatenlisten und Nährwerttabellen durchgehen.
Kehl würde den Nutri-Score gerne in Supermärkten ganz Europas sehen. "Sonst ist das ein großes Durcheinander – auch für die Produzenten." Damit widerspricht sie den Forderungen des Lebensmittelverbandes Deutschland. "Wenn ein Unternehmen in Großbritannien die Ampel erfolgreich eingeführt hat, sollte es diese im Sinne einer einheitlichen Verpackungsgestaltung auch europaweit nutzen können", argumentiert der Verband. Die Organisation Foodwatch hält dagegen: "Die Folge wäre ein unübersichtlicher Kennzeichnungsdschungel, der eine gesündere Kaufentscheidung durch schnelles Vergleichen erschwert oder gar unmöglich macht."
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) appellierte indes an Wirtschaft und Handel, beim Nutri-Score mitzuziehen. Dass bis jetzt nur wenige Produkte das Logo tragen, liegt laut Krehl daran, dass Hersteller teilweise die Verpackungen für ein halbes Jahr vorproduzieren. "Das ist verständlich, dass sie die nicht wegschmeißen wollen." Krehl zeigt sich optimistisch: "Die Tendenz geht zum transparenter Arbeiten." Dauerhaft mache es keinen Sinn, einerseits gesundheitliche Vorteile zu versprechen und andererseits "Verstecken zu spielen". Kunden können also gespannt sein, welche Überraschungen der Nutri-Score noch offenbaren wird.
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