Hinter AstraZeneca, dem britisch-schwedischen Impfstoffhersteller, liegen turbulente Monate. Nachdem im Zusammenhang mit AstraZeneca-Impfungen mehrere Fälle einer seltenen Hirnvenenthrombose aufgetreten waren, wird das Vakzin nur noch für Menschen über 60 Jahren empfohlen. Jüngere Personen, die eine erste AstraZeneca-Dosis bekommen haben, müssen sich deshalb vor der Zweitimpfung entscheiden: Lassen sie sich mit dem gleichen Präparat impfen – oder setzen sie auf das Vakzin des Herstellers Biontech?
Studie: Eine Kreuzimpfung ist besonders effektiv
Die Ständige Impfkommission, kurz Stiko, empfiehlt in Deutschland Betroffenen die Zweitimpfung mit Biontech. So eine Kreuzimpfung sorge trotz unterschiedlicher Präparate für eine volle Wirksamkeit, wie nun auch eine spanische Studie erwiesen hat. Demnach sei sie sogar höher als eine Impfung mit demselben Vakzin. Erfolge die zweite Impfung mit Biontech, produziere der Körper sieben mal mehr Antikörper, heißt es. Bei einer Zweitimpfung mit AstraZeneca verdoppele sich die Anzahl dagegen nur.
Auch Immunologe Carsten Watzl sagt, eine Kreuzimpfung sei besonders effektiv: „Die Antikörperspiegel sind laut erster Studien bei Kreuzimpfungen höher als wenn man zweimal AstraZeneca nehmen würde, und sogar höher, als wenn man zweimal mit Biontech geimpft wird.“ Die Kombination der Impfstoffe scheine eine sehr gute Immunreaktion auszulösen und führe wahrscheinlich zu einem besseren Schutz, sagt Watzl. Er empfiehlt die Kreuzimpfung allen unter 60-Jährigen, die bereits mit AstraZeneca geimpft sind.
Die Über-60-Jährigen seien nicht so häufig von Thrombosen betroffen. Wenn es mehr Informationen zur Kreuzimpfung bei dieser Zielgruppe gebe, könne die Stiko eine andere Empfehlung aussprechen, und auch über 60-Jährige könnten wegen der Wirkung Biontech bei der Zweitimpfung erhalten, sagt Watzl.
Manche wollen zweimal mit AstraZeneca geimpft werden
Die Impfreaktionen könnten bei der Kreuzimpfung generell stärker sein, sagt Watzl. Das liege aber auch am kurzen Abstand der Impfungen: Laut Studien aus England und der Berliner Klinik Charité seien die Impfreaktionen bei längerem Abstand schwächer. „Ich empfehle deshalb bei einer Erstimpfung mit AstraZeneca eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff und einen Impfabstand zwischen neun und zwölf Wochen“, sagt Watzl. Ein weiterer Vorteil sei, dass bei den mRNA-Impfstoffen die seltenen Thrombosen überhaupt nicht auftreten würden.
Die Kreuzimpfungen werden von Impfzentren durchgeführt. „Unter 60-Jährige, die von Ende Februar bis Mitte März den AstraZeneca- Impfstoff bekommen haben, sind davon betroffen“, erklärt Axel Heise von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Vor allem Menschen, die in Krankenhäusern arbeiten oder Teil der sogenannten kritischen Infrastruktur sind, seien geimpft worden. Als Beispiel nennt Heise Geschäftsführer von örtlichen Stromunternehmen. „Über-60-Jährigen wird der AstraZeneca-Impfstoff weiter empfohlen und auch verabreicht.“
Doch es gibt auch kritische Stimmen im Bezug auf Kreuzimpfungen. Jakob Berger, der Bezirksvorsitzende für Schwaben im Bayerischen Hausärzteverband, empfiehlt die Kreuzimpfung nicht: „Ich habe viele Patienten geimpft, die unter 60 sind und beim ersten Mal mit AstraZeneca geimpft wurden, und auch beim zweiten Mal damit geimpft werden wollten.“ Das mache er dann auch, sagt Berger und fügt an: „Die Impfzentren machen das ja anders, aber ich sehe keinen Grund dafür, die Zweitimpfung nicht mit AstraZeneca zu machen.“ Thrombose-Komplikationen wie bei AstraZeneca seien bei allen Impfstoffen vorgekommen und vor allem bei der Erstimpfung aufgetreten, sagt er.
Kreuzimpfungen widersprechen den Empfehlungen der WHO
Außerdem gebe es einen weiteren Nachteil: Der Impfprozess für Biontech-Geimpfte verzögere sich durch die Kreuzimpfungen: „Man hat dadurch ja nicht mehr Impfstoff, der fehlt dann für Erstimpfungen“, erklärt Berger. Vom Biontech-Impfstoff seien große Dosen versprochen worden, sagt Berger, fügt aber an: „Ich habe meine Zweifel, ob die auch wirklich ankommen.“
Auch ob der Wirksamkeit der Kreuzimpfung ist Berger unsicher: „Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu, auch wenn es die spanische Studie gibt, kann man dazu noch keine sichere Aussage treffen.“
Wer mit zwei verschiedenen Impfstoffen geimpft ist, darf aktuell nicht in manche Reisegebiete. „Viele Fluglinien und andere Länder halten sich an die Impfempfehlungen der WHO. Die sieht keine Kreuzimpfung vor, sondern eine, mit demselben Impfstoff“, erklärt Berger, warum Kreuzgeimpfte von einigen Reiseländern derzeit nicht als vollständig Geimpfte anerkannt werden.
Lesen Sie auch:
- Münchner Chefarzt Clemens Wedtner fordert mehr Mut bei Impfungen für Kinder
- Priorisierung in Bayerns Impfzentren bleibt wohl über den 7. Juni erhalten
- Das Impf-Tempo steigt - und immer mehr Deutsche wollen sich impfen lassen