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Bundestagswahl 2021: "Ehegattensplitting" in der Kritik: Drohen höhere Steuern für Paare?

Bundestagswahl 2021

"Ehegattensplitting" in der Kritik: Drohen höhere Steuern für Paare?

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    Das Ehegattensplitting ist seit vielen Jahren umstritten. Befürworter wollen Familien damit stärken, Kritiker sehen darin eine steuerliche Zementierung alter Familienmodelle.
    Das Ehegattensplitting ist seit vielen Jahren umstritten. Befürworter wollen Familien damit stärken, Kritiker sehen darin eine steuerliche Zementierung alter Familienmodelle. Foto: Hans-Jürgen Wiedl, dpa (Symbolfoto)

    Mit Begriffen aus dem Steuerrecht bringen Politikerinnen und Politiker das Publikum üblicherweise nicht zum Jubeln - einmal ausgenommen den Fall, es besteht aus Steuerberatern. Das sogenannte Ehegattensplitting fällt trotzdem in fast jeder Diskussion zur Bundestagswahl 2021. Nicht ohne Grund: Diese Berechnungsmethode hat großen Einfluss darauf, wie viel Geld bei Ehepaaren am Ende des Monats auf dem Konto landet, besonders wenn einer der beiden Partner ein hohes Einkommen hat. Und umgekehrt wirkt sich das Ehegattensplitting auch darauf aus, wie viel stärker unverheiratete Personen im Vergleich zu Eheleuten belastet werden.

    Ehepaare und Lebenspartnerschaften, die nicht dauerhaft getrennt leben oder sich selbst für eine getrennte Besteuerung entscheiden, werden bisher nach dem Ehegattensplitting besteuert. Das funktioniert so: Zuerst wird das Einkommen beider Partner addiert, dann halbiert, anschließend die Steuerschuld pro Hälfte wieder addiert. Das klingt kompliziert, hat aber einen einfachen Effekt: Verdient einer der Partner besonders viel Geld, wird sein Steuersatz durch das niedrigere Einkommen des anderen Partners etwas heruntergezogen. Noch dazu ermöglicht das Ehegattensplitting, dass selbst die Steuerfreibeträge von Personen, die überhaupt nichts verdienen, die Steuerlast reduzieren.

    Paare sparen sich durch Ehegattensplitting bis zu 16.200 Euro pro Jahr

    Dadurch ergibt sich ein sogenannter Splittingvorteil. Das ist der Betrag, den sich verheiratete Paare durch das Ehegattensplitting gegenüber einem unverheirateten Paar sparen. Dieses kann das Ehegattensplitting nämlich nicht nutzen, der besser verdienende Partner muss also genau den Steuersatz entrichten, der seinem eigenen Einkommen entspricht. Er wird nicht durch das niedrige Einkommen des anderen Partners gesenkt.

    Die Vereinigte Lohnsteuerhilfe veranschaulicht das mit einem Rechenbeispiel für das Jahr 2020 so: Angenommen, ein Paar verdient gemeinsam 60.000 Euro im Jahr, wobei ein Partner 45.000 Euro verdient, der andere nur 15.000 Euro. Ist es unverheiratet, zahlt einer 10.244 Euro, der andere 1085 Euro - macht insgesamt 11.329 Euro. Wäre dasselbe Paar verheiratet, würde sein Einkommen gemeinsam versteuert. 10.374 Euro Steuern müsste es entrichten, dank des Ehegattensplittings also 955 Euro weniger, als wenn es nicht verheiratet wäre.

    Steigen die Einkommen, sind noch deutlich höhere Ersparnisse möglich. Bei einem gemeinsamen Einkommen von über 510.000 Euro sparen Paare so bis zu 16.200 Euro pro Jahr, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet hat. Je größer der Unterschied zwischen den Einkommen der beiden Partner ist, desto stärker wächst der Splittingvorteil. Verdient die Person mit geringerem Einkommen mehr, schrumpft der Steuervorteil. Die Kritik: Die Partner mit geringerem Einkommen - häufig sind das Frauen - würden so ermuntert, einem Beruf in geringerem Maße oder überhaupt nicht nachzugehen.

    Manche Politiker und Experten wollen das Ehegattensplitting deshalb abschaffen oder verändern. Jetzt schlägt auch Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts in München, eine Reform des Verfahrens vor. „Aus ökonomischer Sicht setzt das Ehegattensplitting für die Zweitverdiener, in der Regel Frauen, starke Anreize, nicht erwerbstätig zu sein oder allenfalls eine Teilzeitstelle anzunehmen – und sich stattdessen auf Haushaltsarbeit und Kindererziehung zu konzentrieren", sagt er. Er schlägt stattdessen das sogenannte Realsplitting vor.

    ifo-Ökonom Fuest fordert Realsplitting statt Ehegattensplitting

    Dabei würden die Ehepartner im Prinzip unabhängig voneinander besteuert. Allerdings kann der besser verdienende Partner steuerlich einen gewissen Betrag auf denjenigen mit dem geringeren Einkommen übertragen. Das sei sinnvoll, weil die Ehepartner gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet sind, betont Fuest. Die Arbeitsanreize für den Zweitverdiener würden zwar nicht so stark eingeschränkt wie beim Ehegattensplitting, allerdings wäre die Zahl derjenigen, die dadurch stärker einer Beschäftigung nachgehen, dennoch überschaubar. Allerdings würden die Steuereinnahmen des Staates nach Fuests Vorschlag steigen: Würde das Realsplitting eingeführt, müssten viele verheiratete Paare mehr Steuern zahlen als bisher.

    Fuest hält die Steuerpolitik daher nur für einen Pfeiler, um die Frauenerwerbstätigkeit zu erhöhen. "Es ist ein Maßnahmenbündel erforderlich, das die Kinderbetreuung weiter ausbaut sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stark verbessert“, fügt der Ökonom hinzu.

    Die Parteienlandschaft ist beim Ehegattensplitting gespalten

    Die Beibehaltung, Abschaffung oder Veränderung des Ehegattensplittings ist auch im Bundestagswahlkampf ein umstrittenes Thema. Von den sechs im Bundestag vertretenen Parteien wollen nur CDU und FDP am Ehegattensplitting in seiner jetzigen Form festhalten. Grüne, Linke, SPD und AfD wollen es abschaffen oder durch ein andere Verfahren ersetzen, die sich jedoch stark voneinander unterscheiden.

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