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Beruf: Ich bin der Neue hier! - Wie sich der Jobwechsel im Homeoffice anfühlt

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Ich bin der Neue hier! - Wie sich der Jobwechsel im Homeoffice anfühlt

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    Julian Valachovic hat im April einen neuen Job begonnen. Mit seinen neuen Kollegen trifft er sich bislang meist nur virtuell.
    Julian Valachovic hat im April einen neuen Job begonnen. Mit seinen neuen Kollegen trifft er sich bislang meist nur virtuell. Foto: Matthias Zimmermann

    Die Arbeitswelt ist in vielen Bürojobs seit Monaten auf den Kopf gestellt. Die Mehrzahl der Beschäftigten arbeitet in den eigenen vier Wänden und nicht mehr in den Firmenbüros. Diese große Umstellung des Alltags klappt in den meisten Betrieben mittlerweile erstaunlich gut. Dennoch gibt es immer noch Bereiche, in denen Unternehmen und Arbeitnehmer Neuland betreten müssen. Beim Jobwechsel zum Beispiel. Denn in der Regel arbeitet man ja nicht allein, sondern in einem Team. Aber wie kann man seine neuen Kollegen überhaupt kennenlernen, wenn man sie nur am Bildschirm sieht? Wie kommt man an das wichtige Hintergrundwissen, um sich schnell in so einem sozialen Gefüge zurechtzufinden? Und wo sind die Arbeitsabläufe überhaupt festgeschrieben?

    Solche Fragen haben auch Julian Valachovic beschäftigt. Der 31-Jährige hat Anfang April beim Münchner IT-Dienstleister Cancom begonnen, der auch Filialen in der Region unterhält. Aus privaten Gründen hat sich Valachovic für einen Wechsel aus Stuttgart, wo er bei einem Logistikunternehmen gearbeitet hat, nach München entschieden. Da er durch die Arbeitssuche während der Krise kaum gearbeitet hatte, war der Neustart für ihn eine doppelte Herausforderung. „Ich war die Arbeit im Homeoffice in diesem Ausmaß nicht gewöhnt. Aber ich bin überrascht, wie gut das funktioniert“, sagt er.

    Im Homeoffice muss die Technik funktionieren

    Valachovic kümmert sich unter anderem um Aktualisierungen auf der Webseite des Unternehmens, schreibt dafür Texte und sucht die richtigen Bilder und Videos für die jeweiligen Artikel. Dass zumindest die technischen Voraussetzungen für das Homeoffice passen, davon durfte er bei seinem Unternehmen, das andere Firmen, Behörden oder Organisationen mit der passenden IT-Ausrüstung ausstattet, wohl ausgehen. Aber für den Start in einer neuen Abteilung mit neuen Kollegen und Arbeitsabläufen ist das nur ein Baustein zum Erfolg. „Normalerweise gibt es bei Cancom zwei ,Welcome Days‘, zwei ganze Tage, an denen man einen Überblick darüber bekommt, was das Unternehmen macht und wer für was zuständig ist“, erklärt Valachovic.

    Das Unternehmen Cancom hat auch einen Standort in Jettingen im Landkreis Günzburg.
    Das Unternehmen Cancom hat auch einen Standort in Jettingen im Landkreis Günzburg. Foto: Bernhard Weizenegger

    Statt einer geführten Tour durch die Büros gab es für ihn viele Videokonferenzen. „Für Personen wie mich, die eher ein schlechtes Namensgedächtnis haben, hat das auch Vorteile. Man sieht ja immer den Namen der Person, die gerade spricht“, sagt Valachovic mit einem Lachen. Konferenzen gibt es in seinem neuen Alltag immer noch viele. Den Büro-Smalltalk, der zum besseren Kennenlernen dient und später dann oft zum Schmiermittel für so viele Prozesse wird, versuchen die Kolleginnen und Kollegen dafür anders zu organisieren. „Man verabredet sich schon mal zu einer digitalen Kaffeepause. Das ist sehr schön, ersetzt aber nicht den persönlichen Austausch. Dennoch fühle ich mich überhaupt nicht einsam“, sagt Valachovic. Dafür soll auch sein Buddy sorgen, eine Art Mentor, den er vom Unternehmen an die Seite gestellt bekommen hat.

    Ganz auf einen Schreibtisch im Büro muss Valachovic auch nicht verzichten. Derzeit geht er in einem rollierenden System zwei Mal die Woche in die Räume des Unternehmens nahe der Donnersbergerbrücke. „Das ist auch ungewohnt, weil es dort natürlich ziemlich leer ist. Man kann sich einen Schreibtisch aussuchen, der genügend Abstand zum nächsten Kollegen hat. Wenn man geht, desinfiziert man den Tisch“, beschreibt Valachovic den Ablauf. Er geht davon aus, dass der derzeitige Alltag noch eine ganze Weile so aussieht. Nie mehr ganz verschwinden wird seiner Meinung nach aber das Homeoffice.

    Unternehmen müssen auf ihre Angestellten zugehen

    Das sehen mittlerweile auch sehr viele Unternehmen so. Damit steigt der Bedarf an neuen Lösungen und Prozessen für die Integration von Neueinsteigern wie Valachovic. Dass dabei vor allem in vielen kleineren Unternehmen noch Nachholbedarf besteht, sagt Personalberater Thomas Kratzer aus Augsburg. „Die Haltung: Der kämpft sich schon durch funktioniert heute nicht mehr, vor allem nicht bei der Generation Z, die ganz andere Ansprüche hat.“ Ein Willkommensgespräch und vier Wochen vor Ende der Probezeit ein weiteres Treffen seien zu wenig. Das gelte erst recht in Homeoffice-Zeiten.

    Gerade jüngere Bewerber erwarteten einen perfekt organisierten Arbeitsplatz und regelmäßiges Feedback: Gefällt man dem anderen auch? Stimmt die Erwartungshaltung mit der Realität überein? „Die Neueinsteiger wollen wissen: Gibt es jemanden, der sich um mich kümmert, nicht nur fachlich, sondern einen, der auch mal nachfragt, ob man sich wohlfühlt“, erläutert der Experte.

    Wer für die Arbeit im Homeoffice einen Laptop nutzt, sollte einen externen Bildschirm und eine Tastatur anschließen. So lassen sich Zwangshaltungen vermeiden.
    Wer für die Arbeit im Homeoffice einen Laptop nutzt, sollte einen externen Bildschirm und eine Tastatur anschließen. So lassen sich Zwangshaltungen vermeiden. Foto: Christin Klose, dpa

    Digitales Onboarding ist der Fachbegriff für den Neustart im mobilen Arbeiten. Bei dieser Herausforderung stelle sich schnell heraus, wie weit ein Unternehmen schon bei der Digitalisierung ist, so Kratzer. „Die Frage ist, welche Prozesse sind schon digitalisiert? Gibt es Dokumentationspflichten, die festlegen, wie ein bestimmter Prozess zu laufen hat? In großen Unternehmen ist ein Intranet heute etwa Standard. Das kann man von kleinen Betrieben nicht verlangen. Aber auch für sie gilt: Es ist eine Holschuld des Unternehmens“, sagt Kratzer.

    Der Einstand gelingt auch digital

    Gerade wenn es um Beschäftigte in Mangelberufen gehe, müssten sich Unternehmen intensiv um die Neueinsteiger kümmern. „Warum spendiert man dem neuen Teammitglied am ersten Tag zum Beispiel nicht einfach ein Mittagessen vom Lieferdienst um die Ecke? Wenn schon im Homeoffice die Kantine nicht besucht werden kann. So etwas wird sich ganz positiv einprägen“, sagt Kratzer. Wichtig sei auf jeden Fall ein direkter Ansprechpartner im Unternehmen, der in der wichtigen Startphase immer zugänglich ist. Sich darauf zu verlassen, dass sich alles von allein fügen wird, sei keine Lösung. Die Erfahrung zeige, dass gerade bei kleineren Unternehmen jeder genug mit seinen Aufgaben zu tun habe und sich am Ende niemand richtig kümmert. „Man kann auch einen festen Termin vereinbaren: Einmal am Tag schaltet man sich für zehn Minuten kurz zu einer Videokonferenz zusammen und bespricht aktuelle Probleme und Projekte“, schlägt der Personalberater vor.

    Auch das Kennenlernen der verschiedenen Abteilungen sei unverzichtbar, selbst wenn Gefühle und Zwischenmenschliches dabei schlechter zu vermitteln sind. „Zu dem Termin müssen dann aber auch alle Personen da sein und die Technik muss stimmen“, betont Kratzer. Für jemanden, der neu hinzukommt, sei die Situation immer schwieriger. Daher müsse das Bemühen des Unternehmens ersichtlich sein. Aber auch die oder der Neue dürfen sich einbringen: Für einen Einstand lassen sich ebenfalls digitale Formen finden.

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