Der Bundesgerichtshof hat klagenden VW-Käufern den Rücken gestärkt: Im VW-Abgas-Skandal hat der BGH einem Diesel-Kläger recht gegeben und im Wesentlichen ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz bestätigt. Demnach haben leitende Mitarbeiter und auch Vorstände des Konzerns von den Manipulationen zumindest gewusst und diese gebilligt. Klagende Kunden können damit ihr Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis teilweise zurückverlangen.
Schadenersatz im Diesel-Skandal – was bedeutet das genau?
Das BGH-Urteil stellt nun die Weichen für die rund 60.000 noch laufenden Verfahren gegen den Wolfsburger Autokonzern. Im Grunde muss VW den Kauf ungeschehen machen, also das Auto zurücknehmen und dem Kunden das gezahlte Geld erstatten. Das gilt sogar für Gebrauchtwagen aus zweiter Hand.
Welche Auswirkungen hat das BGH-Urteil zum Diesel-Skandal?
Durch das Urteil ist für viele Kläger der Weg zum Schadenersatz frei. Denn an den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Karlsruhe orientieren sich alle Gerichte der unteren Instanzen. Experten wie Professor Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen, sind sicher: „Das Urteil könnte zur Blaupause werden und auch zu Klagen gegen andere Automobilhersteller jenseits von VW führen. Auch Mercedes könnte betroffen sein.“
VW: Wie wirkt sich die Nutzungsentschädigung aus?
Die klagenden Käufer haben die Möglichkeit, ihr Auto zurückgeben und das Geld dafür einzufordern. Aber: Den vollen Kaufpreis erhalten sie nicht zurück. Die gefahrenen Kilometer werden als Nutzungsentschädigung angerechnet, da davon ausgegangen wird, dass der Fahrer einige Zeit gefahren ist und davon profitiert hat. Das Geld wird auch nicht mit der Gießkanne an alle Betroffenen ausgeschüttet: Nur die Kunden, die VW bereits verklagt haben und deren Verfahren noch läuft, haben Anspruch.
Wem nützt das Urteil des BGH im Diesel-Skandal?
Grundvoraussetzung ist, dass über die Klage noch nicht abschließend geurteilt wurde wie auch ein Diesel-Käufer selbst geklagt haben muss, um von dem Urteil profitieren zu können. Für einen Großteil der Verfahren dürfte das BGH-Urteil also eine wichtige Richtschnur sein. Volkswagen will es aber erst gar nicht auf tausende Gerichtsentscheidungen ankommen lassen und kündigte nach der Urteilsverkündung an, viele der klagenden Kunden zu entschädigen. Man werde Einmalzahlungen als „pragmatische und einfache Lösung“ anbieten, erklärte der Konzern. Das würde es den Klägern ersparen, ihren Prozess zu Ende zu führen. VW begründete die angekündigten Angebote damit, dass viele Kunden im Fall eines Urteils ihren Dieselwagen zurückgeben müssten, das aber nicht wollten.
Diesel-Skandal: Kann ich noch klagen?
Kommt drauf an. In Bezug auf den bislang betrachteten Skandalmotor mit der Nummer EA-189 hängt das auch von der Verjährungsfrist ab. Die Rechtslage ist kompliziert, trotzdem rät Rechtsanwalt Jens Dötsch vom Deutschen Anwaltverein (DAV) bislang untätigen Klagewilligen mit einer Rechtsschutzversicherung dazu, aktiv zu werden. Grundsätzlich gilt in Bezug auf eine Verjährung eine Frist von drei Jahren, gerechnet vom Ende des Jahres, in dem die Kunden Kenntnis vom Mangel bekamen. Nach Ansicht von VW aber sind Fälle, in denen bis heute noch nicht geklagt wurde und auch nicht zum Musterverfahren angemeldet waren, verjährt.
Wem nutzt das Urteil zum Diesel-Skandal bei VW nicht?
Mit dem Urteil ist längst nicht alles entschieden. So gibt es rund 10.000 Kläger, die ihr Dieselauto erst nach dem September 2015 kauften, als die Abgasaffäre öffentlich wurde. Diesen Fall wird sich der BGH in weiteren Verfahren genauer ansehen. Auch vonseiten des Automobilkonzerns wird mit wenig Entgegenkommen zu rechnen sein. VW sagte: „Wir sind davon überzeugt, dass Kläger keine Ansprüche haben, wenn sie beim Kauf von der Umschaltlogik in der Abgas-Software wissen mussten, und dass Klägern keine Deliktzinsen zustehen.“ Daher werde der Konzern in den anhängigen Verfahren ihre Position verteidigen. Ebenso hat das Urteil auf den im Rahmen einer Musterfeststellungsklage ausgehandelten Vergleich keine Auswirkungen mehr.
Genauso müssen andere Konstellationen in Verfahren erst geklärt werden. So haben manche nicht gegen Volkswagen, sondern gegen ihren Autohändler geklagt. Noch einmal andere haben das Software-Update aufgespielt, andere nicht. Und dann gibt es noch zahlreiche Klagen gegen andere Autohersteller wie etwa Daimler. Ebenso ist es weiterhin möglich, dass VW sich mit Klägern auf einen Vergleich einigt, also ohne Urteil Geld zahlt. Der Fall ist daher nur beispielhaft und viele Rechtsfragen noch immer ungeklärt. Die Karlsruher Richter haben daher bereits für Juli die nächsten drei Verhandlungen zu anderen Diesel-Fällen angesetzt, weitere sollen folgen. (dpa, mells)
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