Startseite
Icon Pfeil nach unten
Geld & Leben
Icon Pfeil nach unten

Arbeitsleben: Warum Tratsch im Job so verbreitet ist

Arbeitsleben

Warum Tratsch im Job so verbreitet ist

    • |
    Berufsanfänger vermeiden Gerüchte über die eigene Person, indem sie den Kollegen von sich aus ein wenig aus ihrem Privatleben erzählen.
    Berufsanfänger vermeiden Gerüchte über die eigene Person, indem sie den Kollegen von sich aus ein wenig aus ihrem Privatleben erzählen. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa

    Dem einen ist der Klatsch das Salz in der faden Kantinen-Suppe, dem anderen vergeht dabei der Appetit: Tratsch ist aus der Arbeitswelt kaum wegzudenken. "Hast Du schon gehört?" - so geht es meistens los. "Kollegin S ist schwanger - die streicht sich im Meeting ständig über den Bauch." "Kollege N hat ein Verhältnis mit Kollegin C aus der Nachbarabteilung." - "Und sag' es keinem weiter, aber: Kollege Y hat einen ganz schwierigen Sohn. Der steht jetzt vor Gericht wegen Vandalismus."

    Keine Frage: Klatsch macht aus den langweiligsten Mitarbeitern schillernde Figuren einer Seifenoper. Doch ist Klatsch immer schlecht? Wie wehrt man sich gegen Klatsch über die eigene Person? Und wie erfährt man überhaupt davon?

    Klatsch zu definieren, ist gar nicht so leicht: Wo endet er - und wo fängt das Gerücht oder sogar Mobbing an? "Klatsch ist unspezifischer als ein Gerücht", versucht sich Coach Regina Michalik mit einer Definition. Sie hat ein Buch zum Thema Intrigen geschrieben. Klatsch sei quasi eine Art Small-Talk, ein Gerücht richte sich dagegen gezielt gegen eine Person - und werde als Wahrheit verkauft. "Klatsch sind negative Informationen über das Privatleben einer Person, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind", ergänzt der Soziologe Christian Schuldt. Er hat eine Zeit lang für ein Boulevardmagazin geschrieben und dann später ein Buch zum Thema Klatsch veröffentlicht.

    Das Wort stammt aus dem 18. Jahrhundert. Damals wuschen die Frauen auf öffentlichen Plätzen ihre Wäsche und tauschten dabei den neuesten Tratsch aus, wie Prof. Birgit Althans von der Leuphana Universität Lüneburg erklärt, die eine Kulturgeschichte des Klatsches veröffentlicht hat. Dabei klatschte die Wäsche auf das Waschbrett - das Wort für diese Art der Unterhaltung war geboren. Aus dieser Zeit stammen auch Redewendungen wie "Schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen" oder "jemanden durchhecheln" oder "Klatschbasen" und "Klatschtanten".

    Und auch, wenn Führungskräfte ihn nicht gerne sehen, weil er Arbeitszeit frisst: Tratsch habe durchaus positive Funktionen, sagt Prof. Althans. Er helfe dabei, in stressigen Situationen Druck abzulassen und sich von eher langweiligen Routineaufgaben abzulenken. Wenn es bei der Arbeit wieder einmal stressig wird, sorge Klatsch oft für Entspannung. Er könne zur Verbrüderung der Mitarbeiter führen.

    Tratschen schweißt zusammen

    Und er schweiße die Klatschenden zusammen, ergänzt Autor Schuldt: "Er ist etwas Böses, das Gutes tut." Wer gemeinsam über Dritte redet, fühle sich miteinander eng verbunden. Und nebenbei würden bei solchen Gesprächen die Werte ausgehandelt, die in einer Gruppe gelten. Wird über eine Affäre des Kollegen getuschelt, wird damit auch deutlich, dass Affären vom Team nicht akzeptiert, sondern verurteilt werden.

    Trotzdem ist auch klar: Die Grenze zwischen Klatsch und Mobbing ist schmal, eine rote Linie schnell überschritten. "Klatsch zeugt mitunter auch von einem geringen Selbstbewusstsein von demjenigen, der klatscht", erklärt die Psychologin Juliane Dreisbach. Er diene auch dazu, sich über andere zu erheben. Und für denjenigen, den er trifft, sei er alles andere als angenehm.

    Und noch eins komme hinzu: In Zeiten, in denen immer mehr Privates in sozialen Netzwerken veröffentlicht wird, müsse Klatsch tendenziell immer krasser werden, sagt Dreisbach. Die Informationen müssten häufig schon sehr intim sein, um als Klatsch dienen zu können. Sonst hat der Betroffene den Inhalt gar nicht selten schon selbst ins Netz gestellt.

    Sich beim Thema Klatsch ganz herauszuhalten, ist jedoch häufig keine gute Idee. Man isoliere sich im Team, erklärt Autor Schuldt. In der Folge bekommen Berufstätige viele Informationen nicht mehr mit. Und sie würden auch selbst leichter zum Gegenstand von Klatsch, weil sie außerhalb der Gruppe sind und zum Außenseiter werden.

    Tipp für Berufseinsteiger

    Wer als Berufseinsteiger neu in eine Firma kommt, sollte deswegen ruhig ein bisschen aus seinem Privatleben erzählen, rät Coach Michalik. Das verhindert von Anfang an, dass Gerüchte entstehen, weil es so wenig Informationen über einen gibt. Ansonsten sollte man beim Gerede über Kollegen genau hinhören. Wer gut im Beobachten ist, wird schnell heraushaben, was in der Gruppe toleriert wird und welche Werte in der Abteilung gelten. Selbst sollte man sich mit Klatsch über Dritte als Berufsanfänger zurückhalten, schließlich hat man die Vertrauensbasis der Kollegen noch nicht.

    Und was ist, wenn über einen selbst geredet wird? Wer gut integriert ist, über den wird in der Regel wenig geredet, sagt Schuldt. Und wer über ein enges Netzwerk verfügt, hat auch eher einen Freund, der einem Gerüchte über die eigene Person steckt. Erfährt man dann davon, gibt es unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten.

    In einigen Fällen mache es Sinn, das Gerücht zu ignorieren, sagt Coach Michalik. Denn eins sollten sich Berufstätige klarmachen: Setzen sie sich dagegen zur Wehr, spitzt sich die Situation häufig zu - und am Ende bleibe immer irgendetwas hängen. Trotzdem werde es immer Situationen geben, in denen man reagieren muss, weil das Gerücht einem sehr schadet.

    Das kann zum Beispiel sein, wenn über einen Kollegen gesagt wird, dass er zuviel trinkt. Hier helfe es im ersten Schritt zu überlegen: Wer profitiert davon, dass es dieses Gerücht gibt? Das helfe dabei, den Urheber des Gerüchts auszumachen. Dann kann man denjenigen direkt zur Rede stellen - oder man wendet sich direkt an den Vorgesetzten, wenn es ein sehr schädliches Gerücht ist.

    Am Ende ist es mit dem Klatsch im Arbeitsleben ein bisschen wie mit dem Salz in der Suppe. Ein bisschen davon lässt sie besser schmecken. Doch wer zu stark würzt, versalzt die Suppe. Von Kristin Kruthaup, dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden