Seit zwanzig Jahren haben Verbraucher in Deutschland die Möglichkeit, ihre Strom- und Gaslieferanten frei zu wählen. Im Frühjahr 1998 trat nämlich das „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ in Kraft. Heute bieten Vergleichsportale wie Verivox und Check24 einen Überblick über bundesweit hunderte Tarife. Die Erfahrung aber zeigt, dass viele Bürger ihre Strom- und Gasanbieter nicht regelmäßig wechseln. Bequemlichkeit mag eine Rolle spielen. Schließlich ist der Aufwand der Suche nach neuen Anbietern erheblich, neue Verträge müssen geschlossen werden. In diese Lücke stößt jetzt eine kleine Gruppe neuer Unternehmen.
Sie versprechen, für die Kunden nicht nur den günstigsten Strom- und/oder Gasanbieter zu suchen. Sie übernehmen auch automatisch den Wechsel in den neuen Tarif – und zwar nicht nur einmalig, sondern jedes Jahr. Wie aber funktionieren diese Wechselhelfer genau, die auch unter dem Namen „Tarifoptimierer“ bekannt sind? Und was ist von ihnen zu halten?
Pro Jahr wechseln nur zehn Prozent der Kunden ihren Stromanbieter
Eine der neuen Firmen ist das Unternehmen SwitchUp aus Berlin, das seit Ende 2014 am Markt ist und eine zweistellige Zahl an Mitarbeitern beschäftigt. „Unsere Überlegung war, dass der Stromwechsel einfacher gehen muss“, sagt Céline Iding. „Obwohl seit gut 20 Jahren der Wechsel des Stromanbieters möglich ist, haben viele Menschen dies noch nie gemacht“, erklärt sie. Pro Jahr würden nur zehn Prozent der Stromkunden zu einer anderen Firma gehen. Bei manchen Kunden überwiege vielleicht die Angst, durch einen Wechsel auf die Nase zu fallen. „Manche haben auch keine Lust, sich um das Thema zu kümmern“, sagt sie.
Dabei könnten Verbraucher durch den Anbieterwechsel Geld sparen, argumentieren die Unternehmen. Wer noch nie gewechselt hat, befinde sich in der Grundversorgung – „diese Tarife sind recht teuer“, sagt Iding. Und wer sich erst einmal einen neuen Stromanbieter gesucht hat, für den bestehe das Risiko, dass er im ersten Jahr billigen Strom bezieht, der Tarif aber im zweiten Jahr teurer wird, erklärt sie.
Auf dieses Problem weist auch Tilo Vieten vom Augsburger Wechselhelfer-Portal Cheapenergy24 hin. Das Start-up ist seit 2015 am Markt, beschäftigt heute sechs Mitarbeiter und hat eine fast fünfstellige Zahl an Kunden. Vieten war früher selbst bei einem Energieversorger als Produktmanager tätig und kennt die Tricks der Branche. „Die Stromanbieter gewähren Neukunden sehr günstige Preise“, sagt er. Boni von hundert Euro oder mehr und Neukundenrabatte machen es möglich. Nach einem Jahr fallen die Vergünstigungen dann weg. „Neukunden bekommen von den Stromanbietern Top-Konditionen, Bestandskunden zahlen drauf“, sagt Vieten. Die Lösung wäre es, jedes Jahr den Stromanbieter zu wechseln. Das Problem: „Dazu sind viele Menschen zu bequem“, sagt er. Hier setzen die Wechselhelfer-Portale an.
Bei Strom und Gas mehr als 400 Euro sparen durch jährlichen Wechsel
Firmen wie SwitchUp aus Berlin und Cheapenergy24 aus Augsburg prüfen den aktuellen Stromtarif, suchen günstigere Anbieter und organisieren den Wechsel dorthin. SwitchUp hat berechnet, dass die Kunden des Unternehmens bei Strom und Gas dadurch im Schnitt 447 Euro im Jahr sparen konnten. Auch Cheapenergy24 verspricht finanzielle Vorteile: „Bei Strom und Gas macht der jährliche Wechsel zusammen 400 bis 600 Euro im Jahr aus, je nach Verbrauch“, sagt Vieten.
Wie aber funktionieren die Tarifoptimierer genau? Das Berliner Unternehmen SwitchUp berichtet, auf die Angebote von 1200 Energielieferanten zurückzugreifen, rund 12.000 Tarife würden verglichen. „Anbieter mit fragwürdigen und unseriösen Geschäftspraktiken schließen wir von vornherein aus“, sagt Iding. SwitchUp vergleicht die Angebote am Markt mit dem bestehenden Stromvertrag des Kunden. Gibt es ein besseres Angebot, kündigt das Unternehmen dem alten Stromanbieter und schließt einen neuen Vertrag.
Die SwitchUp-Kunden müssten dafür eine Vollmacht erteilen, dass das Unternehmen den Wechsel durchführen darf. Der Kunde wird dann per E-Mail über den Wechsel informiert. Widerspricht er nicht, übernehme SwitchUp die Formalitäten. Der Check finde rechtzeitig jedes Jahr aufs Neue statt.
Normalerweise kämen Kunden über die Website zu SwitchUp, berichtet Iding. Auch telefonisch sei der Kontakt möglich. Der Einstiegszeitpunkt sei egal – das Unternehmen nutze einfach den nächstmöglichen Zeitpunkt zum Vertragswechsel. Die Kunden können dabei auch Kriterien angeben, die ihnen wichtig seien, neben dem Strompreis zum Beispiel Ökostrom.
Jährliche Überprüfung des bestehenden Stromtarifs
Ganz ähnlich arbeitet das Augsburger Unternehmen Cheapenergy24: „Die Kunden kommen auf unsere Homepage, geben ihren Stromverbrauch an und bekommen ein Angebot, was sie sparen könnten“, sagt Vieten. Erst nach dieser unverbindlichen Anfrage muss man sich anmelden. Cheapenergy24 kündigt dann dem alten Stromversorger des Kunden und schließt mit dem neuen einen Vertrag. „Wir übernehmen dann Jahr für Jahr die Prüfung seines Stromtarifs“, sagt Unternehmensgründer Vieten. „Der Kunde muss also an keine Kündigungsfristen mehr denken.“ Auch Cheapenergy24 macht dem Kunden vor jedem Wechsel per E-Mail einen Vorschlag für einen neuen Tarif und holt sich dessen Okay. „Bei 90 bis 95 Prozent unserer Kunden ist es der Regelfall, dass gewechselt wird“, sagt Vieten.
Geld müssen aber auch die Wechselhelfer-Portale verdienen. Das Berliner Portal SwitchUp verdient an den Provisionen, die es bei einem Vertragsabschluss von den Stromanbietern erhält, berichtet Iding. Die Firma Cheapenergy24 berichtet, sie agiere anbieterunabhängig und lasse sich an der Ersparnis beteiligen – im ersten Jahr zu 30 Prozent, im zweiten Jahr zu 25 Prozent und ab dem dritten Jahr zu 20 Prozent. „Wer als Kunde also im ersten Jahr 100 Euro spart, gibt uns 30 davon ab“, erklärt Vieten.
Dieser Kosten für die Dienstleistung müssten sich die Kunden auch bewusst sein, sagt Esther Jontofsohn-Birnbaum von der Verbraucherzentrale Bayern. „Wer selbst nicht viel Energie in das Thema Stromtarife hineinsteckt, für den können Wechselhelfer-Dienste Sinn haben“, sagt sie. „Die Dienste erhöhen aber auch den Preis, den der Verbraucher zu zahlen hat.“ Am Ende sei es eine Abwägung, die der Kunde treffen müsse: Will er eines der Wechselhelfer-Portale beauftragen? Oder sei es einfacher und ähnlich günstig, bei dem lokalen Stromanbieter einen festen Vertrag mit günstigen Konditionen zu schließen, meint sie.