Siegfried Russwurm hat mit seinem Vorschlag für mächtig Wirbel gesorgt und eine Diskussion wiederbelebt, die in Deutschland immer wieder geführt wird. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) brachte die Idee ein, die Wochenarbeitszeiten in Deutschland auf 42 Stunden anzuheben. "Ich habe persönlich große Sympathie für eine optionale Erhöhung der Wochenarbeitszeit – natürlich bei vollem Lohnausgleich. Eine 42-Stunden-Woche wäre sicherlich leichter umzusetzen als eine allgemeine Einführung der Rente mit 70″, sagte Russwurm der Funke-Mediengruppe.
Ein Vorschlag, bei dem sofort zwei verhärtete Fronten aufeinandertreffen. "42-Stunden-Woche, Rente erst ab 70: Das ist Klassenkampf von oben", reagierte Dietmar Bartsch (Die Linke) im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Diese Debatten zündeln am Zusammenhalt des Landes. Corona, Inflation – die Folgen sollen Arbeitnehmer und Rentner tragen? Auch der BDI hat eine gesellschaftliche Verantwortung, der er gerecht werden sollte", führte der Fraktionschef seiner Partei im Deutschen Bundestag seine Sicht der Dinge aus. Doch wie ist die aktuelle Situation in der Bundesrepublik – und wie sieht es in anderen Ländern aus?
Wochenarbeitszeiten: Wie lange viele Stunden müssen deutsche Arbeitnehmer arbeiten?
In Deutschland herrscht derzeit eine 40-Stunden-Woche. Einige Arbeitnehmer müssen allerdings weniger Stunden arbeiten. Durch betriebliche und tarifliche Regelungen kommen viele von ihnen auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden oder 37,5 Stunden. In einzelnen Bundesländern kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Vorstößen rund um eine längere Wochenarbeitszeit. So führte Bayerns damaliger Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Jahr 2004 eine 42-Stunden-Woche für Beamte ein. Nach starken Protesten wurde diese wieder gekippt. Eine geplante 44-Stunden-Woche für Beamte in Nordrhein-Westfalen war im erst im letzten Jahr geplant, doch auch dieses Modell konnte sich nicht durchsetzen.
In Frankreich gilt die 35-Stunden-Woche
In Frankreich sind Diskussionen wie die um eine 42-Stunden-Woche fern. Im deutschen Nachbarland gilt für fast alle Arbeitnehmer eine 35-Stunden-Woche. Ausgenommen sind beispielsweise Führungskräfte oder Außendienstmitarbeiter, also Stellen, bei denen von Haus aus mehr Arbeitszeit anfällt. In diesen Fällen sorgt eine vertragliche vereinbarte Pauschale für den Überblick bei den wöchentlich und monatlichen Arbeitsstunden.
So viele Stunden arbeiten Arbeitnehmer in Italien und Spanien
In Italien und Spanien sind die Regelungen ähnlich wie die in Deutschland. In den beiden Ländern herrscht grundsätzlich eine 40-Stunden-Woche. Diese gesetzlich vereinbarte Arbeitszeit kann durch Tarifverträge auch kürzer ausfallen. Eine durchschnittliche Arbeitszeit von 48 Stunden in der Woche darf nicht überschritten werden. Das ist auch in Deutschland der Fall.
Ähnliche Regelung in Österreich – Modellversuch in Schweden
In Österreich sieht das Gesetz ebenfalls eine ähnliche Wochenarbeitszeit vor. Diese liegt bei acht Stunden am Tag, was 40 Stunden in der Woche macht. Auch hier gilt, dass die Arbeitszeit durch Tarifverträge kürzer sein kann. In der Regel liegt die Wochenarbeitszeit dann bei 38,5 Stunden. Rechtlich darf die tägliche Arbeitszeit auch neun Stunden betragen. Dann muss aber das Wochenende durch einen sogenannten "kurzen Freitag" verlängert werden.
In Schweden gilt ebenfalls die 40-Stunden-Woche. Die Skandinavier experimentieren allerdings gerne mit kürzeren Wochenarbeitszeiten. In der schwedischen Hauptstadt Stockholm und der Großstadt Göteborg wurden bereits der Sechs-Stunden-Tag getestet. Die Arbeitszeiten wurden vor allem in Krankenhäusern und Kindertagesstätten gekürzt. Durch ein solches Arbeitsmodell sollen die Jobs attraktiver werden.
Spannendes Konzept: Island und die Vier-Tage-Woche
In Island wird unterdessen ein Konzept eingesetzt, von welchem wohl viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der ganzen Welt träumen: das der Vier-Tage-Woche, die im vergangenen Jahr eingeführt wurde. Diese brachte eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 Stunden auf 36 oder 35 Stunden mit sich. Das Gehalt verändert sich dabei nicht.
Vorausgegangen waren Studien, welche belegt hatten, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein deutlich höheres Wohlbefinden zeigten. Die Produktivität hätte sich bei der Vier-Tage-Woche hingegen nicht verringert. Zu Teilen war sogar das Gegenteil der Fall. Im Juni soll auch in Großbritannien ein Pilotprojekt zur Vier-Tages-Woche beginnen. Rund 70 Unternehmen mit insgesamt mehr als 3.300 Beschäftigten nehmen an dem Versuch teil, der den Freitag zum neuen Samstag macht. Die Teilnehmer sollen sechs Monate lang den gleichen Lohn für 80 Prozent der geleisteten Arbeit erhalten.