In beeindruckender Schnelligkeit plappert der junge Asiate unverständliches Kauderwelsch in sein Mikrofon. Der mantraartige Singsang hat beinahe schon meditative Züge – doch die Holzblöcke, die der Moderator in regelmäßigen Abständen auf- und wieder zuklappt, sind mit bis zu sechsstelligen Zahlen beschriftet und lassen erahnen: Hier geht es um große Summen. Entsprechend angespannt sind die Gesichter der rund 50 anwesenden Personen, die augenscheinlich wenig auf das Geplapper des Asiaten auf der kleinen Bühne geben. Vielleicht, weil sie nicht der japanischen Sprache mächtig sind. Vielleicht, weil ihnen bewusst wird, dass sie gerade im Begriff sind, Geld im Gegenwert einer schönen Eigentumswohnung, vielleicht gar einer luxuriösen Villa zu investieren. Schweißperlen stehen einem älteren Herrn auf der Stirn, was auch der Hitze geschuldet sein kann. Sie alle starren gebannt auf den schlichten, blauen Bottich, der eben auf einem billigen Handkarren durch den engen Flur geschoben wird. Darin: das Objekt der Begierde. Ein Fisch. Nicht irgendein Fisch. Der König unter den Fischen.
Koi: Woher kommt das Wort?
„Koi“, das ist eigentlich ein Fantasiename. Erfunden von Europäern, die Schwierigkeiten mit der Aussprache der eigentlich korrekten Bezeichnung haben. „Nishikigoi“, wörtlich übersetzt „Brokatkarpfen“. Im Grunde also nichts anderes, als der sehr, sehr, sehr attraktive Bruder unseres heimischen Vertreters, der bei vielen von uns an Weihnachten zu Kartoffelsalat und reichlich Remoulade gereicht wird. Dafür ist der schwimmende Schönling aber freilich viel zu kostbar – vorausgesetzt man orientiert sich beim Kauf an internationalen Zuchtkriterien. Mindestens 16 Hauptformen und über 100 Unterformen wollen Koi-Kenner zu unterscheiden wissen. Tatsächlich weist jede der Züchtungen, die beispielsweise Kawarimono, Bekko oder Showa heißen und für Nicht-Japaner offenbar nach böhmischen Dörfern benannt wurden, eine charakteristische Farbgebung oder Musterung auf. Ein „Tancho“ etwa, übersetzt „Roter Scheitel“, trägt auf seinem sonst weißen Körper einen roten Fleck und sieht damit aus wie eine Japanflagge unter Wasser. Patriotischer ist eigentlich nur der Besitz eines Weißkopfseeadlers.
Preis eines Koi: Was kostet der Luxuskarpfen?
Wer eher zurückhaltend ist, seine Ersparnisse im Gartenteich zu versenken, dem sei gesagt: Ein Koi ist auch bereits für kleines Geld erhältlich. (Der ist dann freilich genauso klein, wie der zu bezahlende Betrag, aber immerhin…) Gesunde, artgerecht aufgezogene und somit robuste Exemplare sind im Handel durchaus ab fünf Euro erhältlich; soll der Fisch aber nach etwas aussehen, sollte man den Einsatz eines mittleren zweistelligen Betrags ins Auge fassen. Eine Endgröße von 50 Zentimetern ist durchaus realistisch, manche wachsen gar zu regelrechten Mini-Moby-Dicks von einem Meter Länge heran.
Was uns auch schon zum wichtigsten Kriterium für die Haltung von Kois im eigenen Gartenteich führt: Platz, Platz, Platz. Nicht nur, weil unser Luxusfisch zum echten Brummer heranwachsen kann, sondern auch weil er ein geselliges Kerlchen ist und sich gern mit Freunden (gleicher Größe) umgibt. Etwa 1.500 Liter Wasser pro Koi bei einer Teichtiefe von etwa zwei Metern sollten es schon sein. Apropos Wasser: Das sollte von bester Qualität sein. Nein, die Evian-Flaschen können Sie wieder ins Regal zurückstellen, der Einsatz hochwertiger Wasserfilter oder einer Belüftungstechnik reicht hier völlig. Auf aufwendige Teichbepflanzung sollte man übrigens verzichten, da die Kois als Allesfresser den Pflanzen binnen kürzester Zeit den Garaus machen würden.
Die eingangs erwähnte Auktion auf der Ogata Koi-Farm, eine der bekanntesten Japans, ist übrigens noch in vollem Gange. Der Auktionator redet sich den Mund fusselig, der ältere Herr schwitzt etwas stärker, seine königliche Hoheit fährt auf seinem Wagen durch die Stuhlreihen. Dann geht alles sehr schnell. Ein anonymer Bieter hat am Telefon den Höchstpreis geboten. 2.200.000 Dollar, etwas über zwei Millionen Euro. Der Fisch dreht ruhig seine Kreise im Bottich. Er kann ja auch entspannt sein: Er muss ja nicht zahlen. Und auf dem Weihnachtsteller landet er bestimmt auch nicht.
Koi-Karpfen: Steckbrief und Geschichte
Die Geschichte der Luxuskarpfen ist kurioserweise ein Ergebnis purer Langeweile: Vor rund 200 Jahren begann unter Bauern im japanischen Niigata-Gebirge während der langen Wintermonate ein Wettstreit, wer den schönsten Fisch züchten könne. Keiner von ihnen hätte wohl damit gerechnet, dass diese später zum regelrechten Protzobjekt für Reiche und Superreiche werden würden. Die in ihrem Ursprungsland als Glücksbringer verehrten Tiere sind übrigens eine langfristige Geldanlage: Kois haben bei artgerechter Haltung eine durchschnittliche Lebenserwartung von 70 Jahren, es soll sogar Exemplare geben, die mehr als 200 Lenze gezählt haben. So haben auch die Erben noch viel Freude an den Juwelen im Karpfenteich.
Steckbrief:
- Name: Koi (eigentlich Nishikigoi)
- Zoologischer Name: Cyprinus carpio
- Familie: Karpfenfische (Cyprinidae)
- Unterfamilie: Cyprininae
- Lebensraum: Teiche, Seen
- Lebenserwartung: durchschnittlich 70 Jahre
- Größe: 20 bis 100 Zentimeter
- Gewicht: 500 bis 5000 Gramm
- Nahrung: Insekten, Muscheln, Krebstiere
- Natürliche Feinde: Fischreiher, Katzen, Raubvögel
- Trivia: stammen ursprünglich vermutlich aus dem Iran; seit 1870 Statussymbol für japanische Adelige; passen ihren Stoffwechsel der Wassertemperatur an;benötigen sowohl Schatten, als auch Sonneneinstrahlung; dürfen während Winterruhe nicht geweckt werden