Plötzlich geht es ganz schnell. Das Seil beschleunigt innerhalb weniger Sekunden auf eine Geschwindigkeit von mehr als 50 Stundenkilometer. Für die Wasserskifahrer ist der Start allerdings die leichteste Übung. Viel schwieriger ist es, die Bojen auf der anderen Seite des Friedberger Sees zu durchfahren. Die Nachwuchs-Wassersportler des WSV Friedberg gleiten in der Abendsonne elegant über das Wasser.
Beinahe mühelos geht es durch den Slalom-Parcours. Hinter den Läufern katapultieren sich bei jedem Richtungswechsel Wasserfontänen mehrere Meter hoch in die Luft. Einer nach dem anderen lässt sich vom Lift über den See ziehen. Rund zwei Stunden dauert das Training. Alle sind mit voller Konzentration dabei, schließlich träumen sie von der Europameisterschaft Ende September. Die Wettkämpfe finden erstmals am Friedberger See statt. Ein ganzer Verein fiebert dem Event entgegen.
Wasserski: Fünf Friedberger im Nationalkader
So auch Christina Götz und Alexander Graw. Das Ehepaar trainiert seit rund vier Jahren den Nachwuchs. Etwa mehr als zehn Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren betreuen sie zwei Mal pro Woche. „Das macht sehr viel Spaß, wobei die Kids eigentlich jeden Tag auf den Skiern stehen. Die üben einfach für sich“, erklärt Götz. Die kommende Europameisterschaft macht es der Trainerin dabei umso leichter: „Die sind so heiß und wollen unbedingt dabei sein. Alle legen eine unheimliche Disziplin an den Tag.“ Denn die Plätze sind begehrt. Aktuell gehören mit Laura Hillenbrand, Paula Götz, Phoenix Baumgardt, Carlo Müller und Leni Bauer fünf Friedberger der Nationalmannschaft an. Das Quintett darf sich Hoffnungen auf einen Start machen. Götz: „Noch ist nichts entschieden. Jeder muss Leistung bringen, sonst fällt er raus“, so Götz. Mit Linus Quigley und Luis Bauer rechnen sich zwei weitere Friedberger noch Chancen aus.
Überhaupt sind die Wettkämpfe etwas ganz Besonderes für den Verein, wie Alexander Graw weiß: „Das gab es noch nie. Die Vorfreude ist riesig. Die Vorbereitungen laufen eigentlich schon seit einem dreiviertel Jahr.“ Auch die Corona-Pandemie soll die Friedberger nicht stoppen. Unter strengen Sicherheitsauflagen bestritten die Friedberger schon im vergangenen Jahr einige Meisterschaftsrennen. Für die EM wurde ein strenges Konzept ausgearbeitet. „Wir sind guter Dinge, was das betrifft, obwohl man sich natürlich Gedanken macht. Wir müssen zwar ein bisschen umplanen, aber als Individualsport sollte das kein Problem sein“, ist sich Graw, der selbst schon einige internationale Titel gewonnen hat, sicher, dass die Veranstaltung stattfinden kann.
Vom 23. bis 26. September messen sich Sportler aus ganz Europa sowie dem Nahen Osten auf dem Friedberger See. Sogar eine Eröffnungsfeier samt Einmarsch ins Wittelsbacher Schloss sind geplant. Soweit sind die Friedberger aber noch nicht. Zunächst gilt es, nach dem langen Winter in Form zu kommen. Seit Anfang April trainieren die Wasserskifahrer bei Wind und Wetter. „Selbst als es geschneit hat, wollten die Kleinen unbedingt fahren. Sie standen dann mit Mützen und Neoprenanzügen da, wir konnten gar nicht anders“, erklärt Christina Götz. Die Anzüge tragen die Fahrer aber auch bei sonnigem Wetter. Götz: „Das schützt vor dem Auskühlen und vor Verletzungen bei einem Sturz.“
Auch ein Sturz kann die Wasserskifahrer nicht stoppen
Apropos Sturz: Auch an diesem Trainingsabend gehen drei Läufer Baden. Sofort kommt aber der Daumen nach oben – das Signal, dass alles in Ordnung ist. Die Leine, an der sich die Sportler festhalten, wird dann einmal um den halben See wieder zum Gestürzten gefahren, damit derjenige aus dem Wasser starten kann. Ein kurzes Kommandos und der Lift katapultiert Fahrer samt Ski wieder nach oben und es geht mit Vollgas weiter. Nach einer erfolgreichen Runde hat jeder Läufer die Möglichkeit, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Ein nach oben gestreckter Daumen bedeutet: Schneller. Gerade bei Paula Götz geht der Daumen an diesem Abend häufig nach oben.
Die 14-Jährige wird als Tochter der Trainer besonders kritisch beäugt. Stiefvater Alexander Graw gibt zu: „ Ich habe auch am Frühstückstisch noch Zeit, Sachen anzusprechen. Zu verbessern gibt es eigentlich immer etwas.“ Auch wegen ihrer Tochter übernahm das Ehepaar den Trainerjob. „Das war schon auch ein Punkt, obwohl ich eigentlich nie wollte, dass meine Tochter auch fährt. Heute ist es aber das Größte, weil wir immer zusammen am Wasser sind“, erzählt Christina Götz, die ebenfalls einige Erfolge aufzuweisen hat, aber schon länger nicht mehr aktiv fährt.
Ein anderer Grund, als Trainer einzusteigen, war der fehlende Nachwuchs. Alexander Graw erinnert sich: „Es gab viele Jahre eine sehr gute Jugend, aber die sind nach und nach zu den Erwachsenen gekommen. Wir wollten so die Zukunft des Vereins sichern.“ Der Nachwuchs zahlt es mit Leistung zurück, wobei Neulinge jederzeit willkommen.
Insgesamt sind die Trainer zufrieden mit dem Training. „Das ein oder andere Mal war die Haltung aber nicht optimal. Die Grundlagen müssen passen und da müssen wir noch etwas arbeiten“, so Christina Götz. Gleiches gilt für die Vorbereitungen auf die Europameisterschaft. Besonders groß ist die Freude über die neue große Schanze, die bald geliefert werden soll.
Im September könnten auf dieser einige Europarekorde fallen. Ob sich dann die Gastgeber in die Rekordlisten eintragen, bleibt abzuwarten. Die Konkurrenz ist trotz Heimvorteil groß und bis September müssen sich die WSV-Fahrer weiter beweisen. Dann wird auch in den weiteren Disziplinen Trickski und Sprung fleißig trainiert. Auch in der Bootsklasse treten die Friedberger an, wobei das Training in Günzburg stattfindet.
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