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Kunstradfahren: Die Kunst ist, oben zu bleiben

Kunstradfahren

Die Kunst ist, oben zu bleiben

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    Ihre Spezialräder ermöglichen Sarah (links) und Laura Schnippering akrobatische Darbietungen.
    Ihre Spezialräder ermöglichen Sarah (links) und Laura Schnippering akrobatische Darbietungen. Foto: Peter Stöbich

    Mit seinem Rad darf Simon Riemer alles, was im Straßenverkehr verboten ist: Freihändig fahren, auf Lenker und Sattel steigen und andere akrobatische Vorführungen mehr. Denn der 16-Jährige ist Kunstradfahrer im Radsportverein (RSV) Kissing und in der von Mädchen dominierten Abteilung der einzige männliche Jugendliche. Nach ihren Erfolgen 2011 – in Friedberg gewannen die Kissinger im Herbst den Bezirks- und Nachwuchspokal – bereiten sich die Sportler jetzt auf zwei Großereignisse vor: Nach der Austragung des Paartalcups im Frühjahr 2012 kann der RSV sein 90-jähriges Bestehen feiern.

    Das wird die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf einen Sport lenken, der im Gegensatz zu Fußball oder Handball eher ein Nischendasein führt. „Kunstradfahren hat ähnlich wie Eiskunstlauf oder Kunstturnen viel mit Ästhetik zu tun“, sagt Ingrid Ortlieb, eine der fünf Trainerinnen. Anmut, Eleganz und Kraft sind gefragt, wenn zu Musik eine der fast 300 Übungen gezeigt wird.

    „Man braucht einen sehr guten Gleichgewichtssinn und perfekte Körperkoordination“, schildert Ortlieb, die heuer ihren Trainerschein gemacht hat. Unterstützt wird sie von vier Kolleginnen, zu denen auch ihre 19-jährige Tochter Kathrin gehört. Jeden Mittwochabend und Samstagvormittag wird in der Paartalhalle geübt, die jüngste Teilnehmerin Greta Koch ist erst sieben. Gefahren wird auf speziell konstruierten und bis zu 2000 Euro teuren Rädern ohne Bremse, Schaltung und Licht. Vorder- und Hinterrad sowie dem Lenker und Sattel kommen für die verschiedenen turnerischen Elemente besondere Bedeutung zu. Der Lenker ist so geformt, dass man sich dort aufstützen, draufstellen oder -setzen kann – und er lässt sich um 360 Grad drehen.

    Dass aller Anfang schwer ist, macht das Training in der Paartalhalle deutlich: Immer wieder gibt es bei den Drehsprüngen und Pirouetten Stürze – zwar meist ohne ernste Verletzungen, doch hart im Nehmen müssen die Sportler schon sein. „Im Wettkampf muss der Sportler Übungen wie Handstände, Stützwaagen oder Stützgrätschen in einer bestimmten Zeit ausführen“, erläutert die Trainerin. Die Kür wird vorher bei der Wettkampfleitung und den Kampfrichtern eingereicht. Gewertet wird wie beim Eiskunstlauf. „Für Stürze, Bodenberührungen oder das Überfahren der Begrenzungslinie gibt es Punktabzüge“, so Ortlieb.

    Beim Zweier-Kunstradfahren ist die Kür in zwei Teile gegliedert. In einem Teil fahren zwei Sportler auf zwei Rädern und zeigen ihre Übungen, im anderen Teil wird zu zweit auf einem Rad gefahren und verschiedene Figuren ausgeführt.

    Einige der besten Fahrer aus ganz Bayern werden am 29. April zum Paartalcup nach Kissing kommen, den der RSV künftig jährlich organisieren will.

    Im Juli 2012 wird der Verein sein 90-jähriges Bestehen feiern. 16 radsportbegeisterte Kissinger hatten am 16. Juni 1922 beim Marxenwirt den „Radfahrerklub Hiasl“ gegründet, Vorsitzender war Kaspar Gaier.  Im Juli 1929 zählte man die für damalige Verhältnisse enorme Mitgliederzahl von 142.  Am 10. März 1933 wurde das gesamte Vereinsvermögen mit Inventar beschlagnahmt und der Gendarmerie in Mering übergeben. Dank des Einsatzes der damaligen Vereinsführung gelang es, ein Jahr später die Genehmigung zur Weiterführung im „nationalen Sinne“ zu erreichen. Schließlich riefen 20 Radsportler am 24. September 1947 den Verein wieder ins Leben. Das erste Nachkriegsrennen fand bereits zwei Jahre später statt. In den folgenden Jahren kam auch der Saalsport mit Kunstradfahren und Radball hinzu. 1970 richteten die Kissinger erstmals ein Volksradfahren aus.

    Seit den 50er-Jahren nimmt auch der Hallenradsport eine wichtige Stellung im Verein ein. Zunächst spielten die Radballer beim „Lassl-Wirt“, später in der alten Schule. Beim Marxenwirt und Gasthaus Grundler traten die Kunstradfahrer auf. Nach der Errichtung der Mehrzweckhalle nahm der Hallenradsport großen Aufschwung: Im Kunstradfahren gewann Hildegard Kieferle 1979 den Bayernpokal. 1985 stiegen die Radballer erstmals in die Landesliga auf, 1991 in die Bayernliga – mittlerweile ist man in der 2. Bundesliga vertreten.

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