Gebannt lauschen die gut 70 Zuhörerinnen und Zuhörer als die ersten Klänge von Schuberts Winterreise erklingen - dieses Zyklus schauriger Lieder, wie der Komponist sie selbst bezeichnete. So passend ist an diesem trüb-nebligen Novemberabend die melancholische Stimmung des Liederzyklus. Die beiden namhaften Künstler Jörg Hempel, Gesang, und Alexander Schmalcz, Klavier entführen das anwesende Publikum im Gymnasium Mering in die Welt des einsamen Wanderers. Barbara aus Mering ist beeindruckt: „Es war sehr innig. Mir hat sehr gefallen, dass die Künstler die Winterreise in einem Stück gespielt haben. Es gab keine Pause, die unterbrochen hat. Da ist man in der Stimmung geblieben.“ Auch die 14-jährige Sophie aus Kissing ist fasziniert: „Es war mal etwas anderes. Doch es war schon sehr melancholisch, die Lieder sehr traurig. Aber es hat mir gut gefallen.“
Auf Einladung von Margit Henschel, Vorsitzende des Konzertvereins Mering, waren die beiden bedeutenden Musiker Jörg Hempel und Alexander Schmalcz nach Mering gekommen. „Ich kenne Jörg Hempel bereits aus meiner Zeit in Leipzig“, sagt Margit Henschel, „gemeinsam mit Alexander Schmalcz hat er schon oft Schuberts Liederzyklus gespielt. Beide Künstler sind national und international erfolgreich tätig. Ich freue mich, dass beide heute die Zeit gefunden haben, zu uns nach Mering zu kommen“.
Beim Konzertabend ist deutlich zu spüren, wie eng die Zusammenarbeit der beiden Künstler ist. Das Zusammenspiel von Klavier und Gesang fängt die Zuhörer ein und nimmt sie mit auf die winterliche Reise dieses einsamen Wanderers vor fast 200 Jahren. Dem einfühlsamen Klavierspiel von Alexander Schmalcz gelingt es meisterhaft, die atmosphärische Spannung zu erhalten und weiterzuführen – sie noch dichter zu gestalten. Das Klavier bleibt eigenständig und untermalt doch eindrucksvoll den Gesang Jörg Hempels. In den tiefen Tönen wuchtig, in den Höhen leise und ausdrucksvoll. Jörg Hempel füllt Schuberts Winterreise mit eigener Interpretation. Man fühlt mit dem Wanderer. Man spürt seine Verzweiflung, sein Bangen und sein Hoffen. Sein Streben nach Erlösung.
24 Lieder umfasst Schuberts Winterreise
24 Lieder umfasst Schuberts Winterreise. Es ist wohl sein bedeutendster Liedzyklus und entstand nur ein Jahr vor seinem frühen Tod mit 31 Jahren. Die Texte von Wilhelm Müller, ausdrucksstark und vielseitig, führen hinein in die romantische Sehnsucht. Schubert verstand es meisterhaft, mit der Vielschichtigkeit seiner Komposition den Text des Dichters auszumalen. Mal in einem Anflug von Ironie, doch meist in der spürbaren Melancholie des einsamen Wanderers. Schuberts Kompositionen sind nie nur Begleitung des Gedichttextes. Sie bieten eine eigene Interpretation. Diese musikalische Genialität Schuberts zeigt sich beispielhaft im 19. Lied des Zyklus „Täuschung“. Ein fröhliches Lied, so scheint es. Doch weiß der Wanderer nur zu gut, dass das zu sehende Licht nur Täuschung ist. Die Hoffnung auf Wärme - vergebens. Die Dur-Tonalität der Komposition konterkariert hier auf unnachahmliche Weise den Text des Gedichtes.
Bekanntestes Lied des Liederzyklus ist wohl „Der Lindenbaum“, das häufig fälschlicherweise dem volkstümlichen Liedgut zugesprochen wird. Der Beginn so bekannt wie einprägsam: „Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum“. Die beschriebenen Sehnsüchte bleiben unerfüllt – nicht nur beim Wanderer, sondern auch bei Schubert – dessen früher Tod ihn wohl daran hinderte.
Der letzte Ton verklingt. Die Tasten schweigen. Kommt da noch mehr? Nein, der Wanderer ist am Ziel. Angekommen in der Einsamkeit und versunken im Spiel des Leiermanns, des letzten Liedes von Schuberts Zyklus. Ein kurzer Moment der Stille, ein Nachhall der Akkorde, dann erklingt der erlösende Beifall. Und es scheint, als sei das Publikum selbst erlöst - erwacht aus der Winterreise Schuberts – am Abend des 9. November im Gymnasium Mering.
Im nächsten Jahr dürfen sich die Musikliebhaber auf voraussichtlich drei Konzerte in Mering freuen. Der organisierende Musikverein Mering freut sich auf neue Mitglieder.
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