Das Heimatmuseum in Mering bot eine außergewöhnliche Aufführung, die das traditionelle Bild des Puppenspiels wahrlich auf den Kopf stellte. Fernab vom typischen Kasperletheater-Klischee wurde hier die Kunst des Marionettenspiels präsentiert. Unter dem Titel „Die Welt am Faden“ brachten zwei wahre Virtuosen ihres Fachs ein buntes Programm auf die Bühne, das die über hundert Zuschauerinnen und Zuschauer von den Stühlen riss.
Albert Maly-Motta und Karl-Heinz Bille, die beiden Leiter des Tölzer Marionettentheaters, hielten an diesem Abend die Fäden in der Hand - für die vielen Gäste sichtbar. In dem Programm, das aus spieltechnischen Gründen ausschließlich für Erwachsene konzipiert war, verzichteten die Spieler nämlich auf Bühnenrahmen und Kulissen. So konnten die Puppenspieler ihre Kunst offen und transparent darbieten. „Das hat etwas ganz Magisches“, sagte Bille.
Die Anwesenden erlebten hautnah, wie die Marionetten an ihren Fäden zum Leben erweckt wurden. Die beiden Puppen-Zauberer konnten sich vor Applaus und Jubel fast nicht retten. „So sehen alle, wie wir den toten Figuren Leben einhauchen“, freute sich Maly-Motta. Die Bandbreite der Figuren und Szenen war auch wirklich beeindruckend: Von einer Parodie auf Udo Jürgens bis zum lyrischen Clown, vom tanzenden Balletthasen bis zur rassigen Carmen reichte das Spektrum.
Meister des Fadens: Bille und Maly-Motta in Mering
Höhepunkte des Abends waren es, als zwei Pinguine - der eine im Hochzeitskleid, der andere im Frack - „Ganz in weiß“ trällerten und sich formvollendet dazu bewegten oder, als ein bezauberndes Mädchen an Fäden den Holzschuhtanz aus „Zar und Zimmermann“ darbrachte. Eine besonders berührende Szene war die Darstellung des armen Milchmanns Tevje, der zur Melodie von „Wenn ich einmal reich wär“ aus dem Musical „Anatevka“ die Fäden vergessen ließ – eine Darbietung, die die Zuschauer tief bewegte. Die schlagfertige Tölzer Ratschkatl in ihrem geblümten Alte-Oma-Kleid durfte an diesem Abend natürlich nicht fehlen. „Mei, es gibt doch diese blöden Puppenspieler…“ murrte sie und blickte dabei ängstlich nach oben auf ihren Fäden-Zupfer. „Irgendwie fühle ich mich so abhängig“, räsonierte sie. Lautes Lachen aus dem Publikum gab ihr Recht.
Bodo Böhnke aus Merching schwärmte: „Die haben meine Erwartungen weit übertroffen. Diese Fingerfertigkeit und die Synchronisation von Text und Bewegung ist fantastisch.“ Die beiden Puppenspieler können auf reichlich Erfahrung zurückblicken: Karl-Heinz Bille ist Puppenspieler in der neunten Generation, seine Familie zählt zu den ältesten Puppenspieler-Dynastien Deutschlands. Albert Maly-Mottas Weg dagegen führte vom Marionettenspiel in frühen Kindheitstagen über das Münchner Marionettentheater „Kleines Spiel“ und das Salzburger Marionettentheater, mit dem er die Welt bereiste, bis er schließlich in Bad Tölz landete. Seit dem Jahr 2000 leiten die beiden Künstler das dortige Marionettentheater, eine der ältesten festen Bühnen dieses Genres.
Eine eindrucksvolle Probe davon, wie meisterhaft Maly-Motta und Bille ihre Kunst beherrschen, bekommen Interessierte in zwei 3D-Filmen, die die Mitorganisatoren des Abends, Verena und Günter Peschke, zusammen mit den Puppenspielern produziert haben. Der Link https://youtu.be/Z6tN4o6gOko führt direkt zu einem Trailer über das Programm „Welt am Faden“.
Auch Museumsleiter Joachim Pagel konnte seine Begeisterung nicht verbergen. „Nach einer so wundervollen Reise fällt die Landung schwer“, sagte er. Diese Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, dass das Puppenspiel viel mehr ist als Kinderunterhaltung – es ist eine anspruchsvolle Kunstform, die durch Fantasie, Präzision und emotionale Tiefe besticht.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden