Beim augenblicklichen April-Wetter möchte man keinen Hund vor die Tür jagen und die Natur ist in diesem Frühling mit einigem in Verzug. Nicht jedoch die Störche im Wittelsbacher Land. Die bekannten sechs Brutplätze sind alle wieder belegt, im Landkreis-Süden ist sogar ein weiteres Paar gesichtet worden. Das hat allerdings noch ganz andere Probleme als Regen und Kälte.
"Osterstörche" nennt der Artenschützer Gerhard Mayer scherzhaft das Paar, das sich in Alt-Kissing niederlassen möchte. Denn an diesem Fest haben die Vögel sich einen Strommasten an der Bachernstraße ausgeguckt und versuchen ein Nest zu bauen. Dabei haben sie allerdings zwei Probleme: Erstens halten die Zweige dort nicht - und zweiten sind die beiden ganz schön spät dran. Alle anderen Paare in der Region sitzen bereits auf ihren Gelegen. Die Zeit drängt: Bis die Küken schlüpfen, dauert es 28 Tage - und im August geht es schon wieder in den Süden.
Mayer nennt zwei mögliche Gründe für das Unglück im Glück der Kissinger Adebars: Entweder sie hatten eine lange Anreise aus dem Winterquartier in Afrika, während die meisten ihrer Artgenossen in Spanien und Südfrankreich überwintern, oder sie sind zu jung und unerfahren. Am Willen liegt es jedenfalls nicht. "Sie bauen, klappern und machen auf Liebe. Sie beweisen, dass sie eine Familie gründen wollen", berichtet Mayer, der in Kissing bereits im vergangenen Jahr Störche gesichtet hat - womöglich dieselben.
Geschlechtsreif werden die Vögel, die ein Alter von 35 Jahren erreichen können, allerdings frühestens mit drei. Dickköpfig sind sie offenbar schon jetzt. Denn wie der Vogelkundler erläutert, vermuten manche Ornithologen, dass Störche, die auf Masten geboren wurden, auch wieder dort ein Nest bauen - so schwer das auch ist. Dabei könnten sie es so schön haben: Nur wenige Kilometer entfernt thront auf Gut Mergenthau ein vorbereiteter Horst.
Hier nisten im Landkreis Aichach-Friedberg Störche
Auch andernorts benötigen die Klapperstörche teilweise eine Nisthilfe. Die ortstreuen Tiere sind dieses Jahr alle wieder an ihren gewohnten Horsten zu finden. "2021 könnte ein Jahr der Störche werden, wenn das Wetter mitspielt", meint Mayer daher.
- Der über 20 Jahre alte Dasinger Storch hat eine neue Partnerin. "Methusalem", wie Mayer ihn liebevoll nennt, hat eine bewegte Geschichte. Jahrelang nistete er mit einer Partnerin im Augsburger Zoo, dann zogen die beiden nach Dasing um. Die erkrankte Storchen-Dame wurde aber eines Tages von einem Mähnenwolf getötet, als sie einen Besuch in ihrer "alten Heimat" machte. Ihre "Nachfolgerin" ist ebenfalls verschollen.
- Am Nest im Friedberger Ortsteil Bachern wird seit Mitte Februar weitergebaut. Es befindet sich ebenso wie das Dasinger Nest auf einem Strommasten und wurde von den Lechwerken aufwendig geschützt.
- Im Pöttmeser Ortsteil Grimolzhausen ist der bisherige beringte Hausherr mit einem unberingten Weibchen liiert.
- In Pöttmes thront das aus Straßburg stammende Männchen wieder auf dem Oberen Tor.
- In Aichach besetzte wieder ein unberingtes Storchenpaar die Nisthilfe auf dem ehemaligen Kamin von Mondi.
- Auch der Neusa-Turm in Aichach ist wieder besetzt, nachdem sich im vergangenen Jahr drei Störche um die Turmspitze beworben hatten. Auf Bitten der LBV-Kreisgruppe hatte die Stadt Aichach die Kaminöffnung mit einem Gitter gesichert, das die Störche auch heuer wieder mit Nistmaterial zu überbauen versuchen.
An all diesen Standorten wird seit über zwei Wochen gebrütet. Der diensthabende Partner sitzt jeweils tief im Nest. So trotzen die Störche Schnee und Kälte. "Es ist zu hoffen, dass die Gelege keinen Schaden nehmen", so Mayer. Die Daunen der Eltern wärmen die Eier jedoch recht gut, darüber werden noch die Flügelfedern gebreitet - ein mehrfacher Schutz also. Gefährlich sind für Jungstörche allerdings auch Schlechtwetterphasen später im Jahr. Immer wieder ertranken Küken im Nest oder wurden krank und starben.
Vor 20 Jahren gab es in Aichach-Friedberg nur ein Storchenpaar
Trotz aller Rückschläge wächst die Population im Wittelsbacher Land. Vor 20 Jahren gab es laut Gerhard Mayer nur ein einziges Paar, nämlich in Pöttmes. Sie profitieren teilweise von der Unterstützung der Menschen. Der Landesbund für Vogelschutz Aichach-Friedberg hat eine eigene Arbeitsgruppe Störche, für die Mayer Ansprechpartner ist. Stromkonzerne sichern Masten ab, an anderen Stellen werden Nisthilfen vorgehalten (frei sind, liebe Störche, noch die in Blumenthal, auf der Kirche St. Afra im Felde, in Tödtenried und auf Schloss Mergenthau). Letztlich glaubt Mayer jedoch, dass der geringere Einsatz von Giftstoffen in der Landwirtschaft sich positiv ausgewirkt hat.
Weißstörche fressen gerne Mäuse, Frösche, Regenwürmer und Insekten; so gelangte das Gift in ihre Nahrungskette. Außerdem suchen sie gerne auf kurz geschnittenen Wiesen nach Nahrung; hier kommt ihnen die heutzutage übliche und eigentlich umstrittene häufige Mahd wohl zugute. Das könnte auch erklären, warum der Nachbarlandkreis Augsburg noch mehr Störchen ein Zuhause bietet, nämlich 22 Paaren: Dort gibt es größere Grünflächen, die häufig für Biogasanlagen genutzt werden, so Mayer.
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