Energie wird immer teurer, trotzdem: Wir brauchen sie alle. Ohne geht es einfach nicht. Angesichts des Klimawandels kommt es auch darauf an, wie diese produziert und verwendet wird. Der Wittelsbacher Land Verein hatte nun zum Start der neuen LEADER-Förderphase von 2023 bis 2027 eine Veranstaltung zum Thema Energiesicherheit und Energieversorgung organisiert, bei der es auch um Klimaschutz und Widerstandsfähigkeit des Landkreises ging. Die Professoren Mojib Latif und Franz Josef Radermacher erklärten ihre Sicht des Problems. Firmen und Gemeinden aus dem Landkreis berichteten, wie sie der Energie- und Klimakrise praktisch begegnen.
Kommunalpolitiker und viele interessierte Bürger waren gekommen, um die bekannten Wissenschaftler zu hören. Der Saal des Friedberger Schlosses war bis auf den letzten Platz besetzt. "Mit Physik kann man nicht verhandeln oder Kompromisse schließen", sagte Mojib Latif, der Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome und seit Jahrzehnten der wohl bekannteste deutsche Klimaexperte. Trotzdem lohne es sich, die Flinte nicht ins Korn zu werfen: "Jedes Zehntelgrad zählt!" Nobelpreisträger vom Anfang des 20. Jahrhunderts hätten schon vor der Erderwärmung gewarnt, doch der Mensch sei einfach nicht weise genug.
Klimaforscher Mojib Latif in Friedberg: "Der Klimawandel kostet heute schon Milliarden"
Das Problem von CO₂ sei, dass man es nicht sehen oder riechen könne. Ansonsten würden alle Alarmglocken schrillen. "Der Klimawandel kostet heute schon Milliarden", so Latif, geredet werde aber nur von den Kosten des Klimaschutzes. Das heutige Hauptziel sei die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad. "Die 1,5 Grad sind nicht mehr zu erreichen!" Latif plädierte für gemeinsames Handeln: "Die Pole schmelzen ab, obwohl dort kein CO₂ ausgestoßen wird." Es verteilt sich über den ganzen Erdball. "Wir haben die besten Ingenieure, soll heißen, es geht alles – wir müssen es nur wollen!"
Franz Josef Radermacher war Professor für Datenbanken und Künstliche Intelligenz (KI) an der Universität Ulm und leitet seit 26 Jahren das Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung.. Er wollte das Problem weltumfassend sehen. Der CO₂-Ausstoß in Deutschland mache nur etwa zwei Prozent der weltweiten Emissionen aus. Gleichzeitig komme auf der Erde jedes Jahr eine Bevölkerung in der Größe Deutschlands dazu. "Deshalb ist das, was wir hier machen, für das Weltklima ziemlich belanglos", so Radermacher. Die reichen Länder hätten ihren Wohlstand mit riesigen Emissionen erreicht. Jetzt hätten die armen Länder dasselbe recht. China verursache viel CO₂, habe zwar hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt.
Firma Pfeifer verarbeitet in Unterbernbach nachhaltig Holz
Radermacher verwies auf Afrika, wo sich die Bevölkerung in absehbarer Zeit verdoppeln werde. "Es gibt keinen besseren Schutz fürs Klima, als wenn die Armen arm bleiben", meinte er provokant. Das Bevölkerungswachstum sei nur mit Bildung und Wohlstand zu bremsen. Deutschland solle die Emissionen in den Schwellenländern mit vorhandenen technischen Möglichkeiten klein halten. Maßnahmen dort kosteten nur einen Bruchteil von den Beträgen bei uns. In Deutschland wollte er weder die fossilen Brennstoffe noch die Kernenergie verteufeln.
Leonhard Scherer, der Vertriebsleiter der Firma Pfeifer aus Unterbernbach, stellte die Arbeitsweise seines Betriebs vor. Pfeifer verarbeitet Rundholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft und stellt damit Schnittholz her. Damit aber der ganze Baum verwendet wird, kommt die Rinde in das eigene Kraftwerk, das den Strom für den Eigenverbrauch herstellt. Die anfallende Wärme besorgt die Holztrocknung. Restholz wird zu Palettenklötzen und Sägemehl zu Pellets. "500.000 Tonnen CO₂ konnten wir schon einsparen", so Scherer.
Wassererzeugung wird durch steigende Energiepreise teurer
"Unser Wasser hat beste Qualität, die Verfügbarkeit wird allerdings schwieriger", sagte Rupert Reitberger, der seit 50 Jahren der Vorsitzende des Wasserzweckverbands Magnusgruppe in Aichach ist. Eine Million Kubikmeter Wasser im Jahr müssen erst mal herauf gepumpt werden. Die Energiekosten dafür hätten sich bei gleichem Verbrauch von 2013 bis 2019 verdoppelt, so Reitberger.
Aus diesem Grund wurde ein neues Wasserwerk in Unterbernbach gebaut, in dem nun nach Bedarf bis zu sechs Pumpen laufen. Das ganze Gebäude entspricht den neuesten Standards mit Fußbodenheizung, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Die konstante Wassertemperatur von zwölf Grad dient mit reversiblen Wärmepumpen als Wärmequelle oder Kühlung.
Um die Wertschöpfung am Ort zu halten, arbeitet die Gemeinde Todtenweis mit der Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) zusammen. Bürgermeister Konrad Carl und Peter Mießl stellten das Vorgehen vor. Vorhanden und geplant sind in der Gemeinde PV-Anlagen auf Flächen und Dächern, Windkraftanlagen, Nah- und Fernwärmenetz. Die Energie wird vor Ort produziert und verbraucht. Das Besondere an der Zusammenarbeit mit der BEG: Jeder Bürger kann sich daran mit Anteilen zu je 100 Euro beteiligen. Werden einzelne Projekte realisiert, kann jeder investieren.
Das neue umstrittene Heizungsgesetz verlangt von Städten und Gemeinden eine kommunale Wärmeplanung. Friedbergs Bürgermeister Roland Eichmann stellte diese für seine Stadt vor. Geplant seien Wärmenetze schon lange. Verwirklicht sind einige, zum Beispiel im Oberdorf von Derching und im Baugebiet an der Afrastraße. Als aktuelle Projekte stellte Eichmann das Gewerbegebiet Derching und die Siedlung Unterm Berg, Rinnenthal, und den Bereich Stadtbad und Schulzentrum vor.
Friedberg lässt keine neuen Gasheizungen mehr zu
Für Friedbergs Altstadt brauche es noch eine Machbarkeitsstudie. Für die kommunale Wärmeplanung sei der Förderantrag gestellt. Um die fossilen Energieträger zu reduzieren, hatte der Stadtrat bereits vor eineinhalb Jahren beschlossen, neue Gasheizungen nicht mehr zu genehmigen.