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Unwetter in Kissing: Tote Tiere, Verwüstung und Verletzte

Vielerorts richtete der Sturm im Landkreissüden Schäden an.
Kissing

Verletzte, tote Tiere, Verwüstung: So groß sind die Schäden in Kissing

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    Die Fassungslosigkeit ist groß. Stellenweise erinnern die verwüsteten Straßen in Kissing an ein Kriegsgebiet – vom Hagel zerschossene Fassaden, zersplitterte Fenster, niedergemähte Gärten. Das Unwetter, das am Wochenende und vor allem am Samstagnachmittag über den Landkreis fegte, gehört zu den heftigsten seit vielen Jahren. In Kissing laufen auch am Montag noch zahlreiche Aufräumarbeiten, die Schäden sind enorm. Nächtliche Rettungseinsätze, dramatische Stunden: Das berichten die Kissingerinnen und Kissinger. 

    Evakuierung des Hauses Gabriel in Kissing
    Evakuierung des Hauses Gabriel in Kissing Foto: Gönül Frey

    Das Wasser sei überall an den Wänden herabgelaufen, aus Lampen, aus dem Aufzug: Im Seniorenheim Haus Gabriel hatte der Wind am Samstag Teile des Dachs heruntergerissen. Marion Lang und ihr Mann, die direkt in der Nähe wohnen, versuchten zu helfen: "Wir haben angefangen, die Bewohner mit dem Personal zusammen vom zweiten in den ersten Stock zu bringen", erzählt sie. "Sie waren überraschend gefasst und ruhig." Dann sei das Wasser auch dort eingedrungen.

    Bürgermeister Reinhard Gürtner habe einen Krisenstab einberufen und man beschloss, das Haus zu evakuieren. Er zeigt sich überwältigt von der Zusammenarbeit: "Die Feuerwehren, das BRK, das Landratsamt, die Firma, die noch am selben Abend das Dach abgedichtet hat – das ist so gut gelaufen." Wie eine Sprecherin vom Betreiber Compassio sagt, seien alle 104 Bewohner noch in derselben Nacht umgezogen, die meisten direkt in andere Häuser in der ganzen Region, andere zu ihren Angehörigen nach Hause. Die Evakuierung hätten sie gut überstanden: "Alles lief unaufgeregt und professionell, niemand wurde verletzt." Wie lang die Reparaturen am Haus dauern, stehe noch nicht fest. 

    Viele Verletzte durch den Hagelsturm
    Viele Verletzte durch den Hagelsturm Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Die Altortjugend, die sich auf das geplante Jubiläum am kommenden Wochenende vorbereitete und am Samstag noch mit dem Aufbau des Festzeltes beschäftigt war, wurde am Samstag von dem heftigen Hagelsturm überrascht. Der Sturm fegte das Festzelt mit sich. Zehn Verletzte wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, eine Person davon mit einem Rettungshubschrauber. 100 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdiensten waren im Einsatz. Zu den Vorkommnissen will sich der Vorstand der Kissinger Altortjugend nicht äußern. Wie es mit dem Fest weitergeht? Vorsitzender André Rummel sagt, es gibt eine Entscheidung – die möchte man jedoch erst den Mitgliedern mitteilen. Auch andere Kissingerinnen und Kissinger, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, berichten von Verletzungen durch den Hagel – blaue Flecken, Prellungen, Platzwunden. 

    Schäden an Häusern, Autos und Gärten
    Schäden an Häusern, Autos und Gärten Foto: Trixi Almstetter

    Zahlreiche Fotos erreichten die Redaktion. Bergeweise Hagel, der ganze Straßen bedeckte, abgeplatzte Fassaden, zerbeulte Autos mit zerbrochenen Fenstern. Fliegende Trampoline, die auf ihrem Weg ganze Sträucher mit sich rissen. Gartenhütten, die dem Wind nicht standhielten, kaputte Schornsteine und Dachziegel. "Das Aufräumen wird noch dauern", sagt Bürgermeister Gürtner. Die Grüngutannahmestelle in Kissing öffnet am Dienstag außerplanmäßig. Ein zusätzlicher Container für Sperrmüll steht in den drei am stärksten betroffenen Kommunen zur Verfügung, in Kissing, Mering und Friedberg. 

    Feuerwehren im Dauereinsatz
    Feuerwehren im Dauereinsatz Foto: Gönül Frey

    Von Samstagabend bis Montagnachmittag verzeichnete allein die Freiwillige Feuerwehr Kissing rund 220 Einsätze. Etwa 30 Einsatzkräfte waren im Schnitt pro Einsatz dabei, wie Kommandant Matthias Rawein bestätigt: "Es war wie im Akkord. Einsatz, kurz schlafen und wieder weiter." Bis zu zwölf Stunden kämpften die Feuerwehrler gegen die Auswirkungen des Unwetters. "Allein hätten wir nie alles bewältigen können. Wir hatten zum Glück Hilfe. Die Zusammenarbeit mit allen Einsatzkräften verlief sehr gut, ein großes Kompliment an alle." 

    Selbst am Montag waren Rawein und Co. noch im Einsatz, um Sturmschäden zu beseitigen. "Auch jetzt bitten wir, nur im Notfall anzurufen. Die Koordinierung übernimmt die Leitstelle." Vorrang hatten am Wochenende jene Einsätze, bei denen Personen gefährdet waren. "Um ein paar Zentimeter Wasser im Keller konnten wir uns nicht kümmern, wir hatten andere Aufgaben", so Rawein, der hofft, in den nächsten Tagen etwas zur Ruhe zu kommen. "Das war schon enorm für uns. Ich bin aber insgesamt sehr zufrieden. Wirklich vorbereiten kann man sich auf solche Situationen nicht, denn sie sind immer anders."

    Paartalhalle, Spielplätze und Friedhof gesperrt
    Paartalhalle, Spielplätze und Friedhof gesperrt Foto: Verena Sumperl

    Auch dem KSC bot sich ein verheerender Anblick: die meterhohen Zaunfelder umgestürzt, die Tore zum Teil bis über die Paar geweht, überflutete Rasenflächen. Wie Bürgermeister Gürtner berichtet, habe der Hagel an der Paartalhalle eine Lichtkuppel zerschlagen und Wasser drang ins Gebäude. Der Spielbetrieb ist vorerst eingestellt. Auch die öffentlichen Spielplätze und der Friedhof in Kissing sind gesperrt, die Bücherei hat wegen des Unwetters geschlossen. 

    Zerstörte Äcker
    Zerstörte Äcker Foto: Claudia Rottmair

    Landwirt Ludwig Asam resümiert: "Auf 40 Hektar Totalschaden." Während er die Maisreste noch silieren oder in die Biogasanlage geben könne, seien die Sojabohnen völlig zerstört. "Da stehen nur noch die Stängel." Er habe anders als Kollegen noch Glück gehabt, erzählt er, seine Äcker sind versichert, pro Hektar auf 2800 Euro. Aber trotzdem: "Die ganze Arbeit umsonst." Auch das Gemüsefeld zum Selberpflücken an der Paartalhalle ist niedergemäht, wie die Betreiber auf Instagram zeigten. 

    Tiere in Not
    Tiere in Not Foto: Gerhard Mayer

    Tote Störche, Graureiher, Tauben – vor den Hagelkörnern, zum Teil so groß wie Tennisbälle, konnten nicht alle Schutz suchen. In Gartenteichen verendeten Goldfische. Einige Kissingerinnen und Kissinger brachten Turmfalken und Bussarde zu Vogelhilfen, auch verletzte Rehe wurden gesichtet. Merings Feuerwehrkommandant Andreas Regau berichtet von einem anderen traurigen Einsatz: In Alt-Kissing sind durch den Hagel auch Pferde gestorben. Zwei durch den Hagel, ein weiteres hatte sich die Vorderbeine gebrochen und musste eingeschläfert werden. 

    Unwetterschäden und Versicherung
    Unwetterschäden und Versicherung Foto: Ida König

    Bei Versicherer Rainer Kölbl steht am Montag das Telefon kaum still. Zahlreiche Versicherungsnehmer und Versicherungsnehmerinnen meldeten sich beim Friedberger aufgrund der Unwetterschäden: "Wie viele Fälle es sind, kann man aktuell unmöglich sagen. Es war ein heftiges Unwetter und dementsprechend groß sind die Schäden", so Kölbl. Die meisten meldeten sich aufgrund von Schäden an Autos oder am Gebäude. Bereits nach dem Unwetter am Donnerstag bekam der Friedberger Schäden gemeldet. "Der Großteil ist aber vom Wochenende."

    Kölbl empfiehlt Geschädigten, sich mit der jeweiligen Versicherung in Verbindung zu setzen. "Das wird dann individuell mit dem Berater ausgemacht. Bei so vielen Schäden wird es Sammeltermine bezüglich der Schadensbesichtigung geben." Kölbl kann sich an ein noch schlimmeres Unwetter 1993 erinnern. "Der 27. Mai. Das Datum ist mir in Erinnerung geblieben. Damals traf es Ottmaring und Rederzhausen ganz schlimm. Es waren mehr als 1000 Versicherungsfälle, so viele werden es diesmal nicht werden."

    Unwetter Kissing - Sturm - Hagelschaden 2023
Aufruf Leserfotos Hagelschaden - Sturm. 26. August 2023
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    Kaputte Rollläden, Löcher in den Fassaden: Das Unwetter am Wochenende hat vor allem in Kissing massive Schäden verursacht. Unsere Leserinnen und Leser haben uns Fotos geschickt.
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