Startseite
Icon Pfeil nach unten
Friedberg
Icon Pfeil nach unten

Friedberg-Wulfertshausen: Vom Reihenhäuschen zum Passivhaus: So viel hat Familie Zang investiert

Friedberg-Wulfertshausen

Vom Reihenhäuschen zum Passivhaus: So viel hat Familie Zang investiert

    • |
    Ein halbes Jahr lang bauten Miriam und Magnus Zang ihr 70er-Jahre-Reihenhaus in Wulfertshausen zu einem Passivhaus um. Parallel wurde die Wohnfläche um über 25 Quadratmeter erweitert.
    Ein halbes Jahr lang bauten Miriam und Magnus Zang ihr 70er-Jahre-Reihenhaus in Wulfertshausen zu einem Passivhaus um. Parallel wurde die Wohnfläche um über 25 Quadratmeter erweitert. Foto: Ute Krogull

    Viele Leute zeigen einem auf dem Handy stolz Urlaubsfotos oder Videos ihrer Katzen. Magnus Zang zeigt einem stolz auf einer App, wie viel Strom das Haus der vierköpfigen Familie gerade produziert und verbraucht. Das Eigenheim im Friedberger Ortsteil Wulfertshausen wartet mit allem auf, was energetisch state of the art ist, von der PV-Anlage auf dem Dach über Dämmung vom Ober- bis ins Untergeschoss, Lüftungsanlage bis zu Luft-Wärmepumpe und Stromspeicher im Keller. Es ist aber kein 2020 geplanter Architektentraum. Miriam und

    Gekauft haben Zangs das Häuschen mit Flachdach und kleinem Garten 2007. Da waren sie Mitte/Ende 30, ihre Kinder klein – und Kredite abzuzahlen. Doch von Anfang an war klar, dass es weitergehen würde, wenn die Anschlussfinanzierung ansteht. Vieles lag im Argen: Das Beton-Flachdach war ungedämmt, im ersten Stock war es im Sommer viel zu heiß, die Heizung machte Probleme, die Fenster waren alt, im Keller bildete sich Schimmel, die Balkone an Vorder- und Gartenfront raubten dem Erdgeschoss Licht. 

    Friedberger Familie auf dem Weg zum Passivhaus

    Obendrein trieb die Familie die Themen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Energie-Autarkie um. Sogar letztere haben sie nun zu 60 bis 66 Prozent erreicht. Doch auf dem Weg dahin gab es natürlich einige Überraschungen. 

    Unter den vielen Vorhaben war mit das drängendste der Austausch der Fenster. Dass das nicht viel bringt, wenn die Wände ungedämmt bleiben, war klar. Dass die beiden loggienartigen Balkone hierfür ein Problem darstellen, ebenfalls. 2016 schließlich hatte das Ehepaar zwei Gedanken. Idee eins: Das Haus wird nach vorne und hinten verlängert, und zwar über beide Stockwerke. So werden die Balkone zu Wohnraum. Idee zwei: Es muss ein Architekt her. Magnus Zang ist Disponent beim S. Fischer Verlag, Miriam Zang arbeitet in der Bürodienstleistung – ein solches Projekt hätten sie nicht allein durchziehen können. 

    So sah das Reihenmittelhaus der Familie Zang in Friedberg-Wulfertshausen vor der Sanierung aus.
    So sah das Reihenmittelhaus der Familie Zang in Friedberg-Wulfertshausen vor der Sanierung aus. Foto: Magnus Zang

    Sie hätten etwas Sorge gehabt, ob überhaupt jemand einen solchen Auftrag übernimmt, gestehen sie rückblickend. Doch mit einem Aichacher Architekten, der einen Energieberater mit ins Boot holte, hatten sie einen Glücksgriff getan. Und im Frühling und Sommer 2018 ging eine ganze Reihe von Maßnahmen über die Bühne, oft parallel: neue Fenster und Türen, Kellerdämmung bis zur Bodenplatte, Dachdämmung mit neuer Isolierung inklusive Dachfenster, Erweiterung der PV-Anlage, Erneuerung der Elektronik des Hauses, Verlegung von Sat- sowie Ethernet-Kabeln für alle Wohnräume, Einbau einer zentralen Lüftungsanlage, Austausch der Ölheizung gegen eine Luft-Wärmepumpe. Nicht alles war geplant. So war zum Beispiel nicht klar, wie marode die Elektrik war, dass sich das Parkett im Wohnzimmer nicht retten lassen würde und und und. 

    Zwischendrin wurde eine Nachfinanzierung nötig. 230.000 Euro investierten Zangs letztlich, davon wurden 100.000 über einen günstigen KfW-Kredit finanziert. Auch Gelder aus dem 10.000-Häuser-Programm des Freistaats und einen Zuschuss für den Energieberater gab es. Trotz allem sehr viel Geld, doch Miriam Zang rechnet vor, dass ihr Ziel war, monatlich nicht mehr abzuzahlen, als die Kaltmiete kosten würde. Die niedrigeren Nebenkosten sind hier noch nicht einmal eingerechnet.

    Umbau zum Passivhaus: Friedberger Familie campiert im eigenen Haus

    Finanzierung ist das eine, die Umsetzung das andere. "Umbau im laufenden Betrieb" heißt das in Amtsdeutsch. Der "laufende Betrieb" bestand aber aus einer vierköpfigen Familie, Sohn und Tochter in der neunten bzw. sechsten Klasse. Das Haus sah aus wie ein Rohbau, im Gärtchen türmte sich der Schutt, Lärm und Staub begleiteten die Arbeiten. Ein Foto von damals zeigt die Toilette, die eine Pappwand gegen Blicke schützte, als Mauern eingerissen waren. Die neue Fassade entstand in Holzständerbauweise, in welche die Dämmung aus Cellulose eingebracht wurde. Erst als sie fertig war (und Staubwände aufgebaut waren), wurden die alten Wände abgerissen. 

    Die Kinder zogen ins Gästezimmer im Keller, die Eltern schliefen phasenweise im Wohnzimmer, von einem Raum zum anderen kam man teils nur über Stege, weil der neue Boden noch nicht belastet werden durfte. Die Küche verschob sich Richtung Wohnzimmer. Und gegessen wurde oft draußen. "Es war wie Camping", erinnern sich die Friedberger. 

    Die strombetriebenen Infrarot-Heizstrahler sind an der Decke befestigt. 
    Die strombetriebenen Infrarot-Heizstrahler sind an der Decke befestigt.  Foto: Ute Krogull

    Zum Glück hatten sie ein zweites Bad im Keller. "Das war unsere Rettung." Zum Glück war es ein schöner Sommer. Zum Glück halfen Freunde. Zum Glück legten sich die Handwerker sehr ins Zeug – wohl auch ein bisschen aus Mitgefühl mit der Familie. Und zum Glück schaffte Miriam Zang, obwohl der Verzweiflung manchmal nahe, es immer wieder, Kuchen zu backen. Im August, als die Männer zum Verputzen kamen, flohen die Vier aber zwei Wochen nach Italien. 

    Und irgendwann war die Wende sichtbar. "Als wir die ersten Fliesen gesehen haben, waren wir einfach nur begeistert, wie schön das ist." Noch mehr, als sich die Wirkung der vergrößerten Räume entfaltete. Und auch jetzt noch sind Zangs, mittlerweile 51 und 52 Jahre alt, rundum glücklich mit ihrem Haus. "Es ist ein ganz neues Wohngefühl", sagen sie. "Das Haus ist jetzt nicht 50, sondern fünf Jahre alt." 

    Familie im Passivhaus: Ein Tesla in der Garage, einer im Keller

    Die Energiebilanz: Vorher entsprach allein der Ölverbrauch 25.000 Kilowattstunden, dazu kamen 3000 kWh Hausstrom – jetzt sind es 5.100 kWh Warmwasser/Infrarotwärme (also Heizstrom) und Hausstrom zusammen. Davon sind ca. 2100 kWh zugekauft. Dazu verhalf ihnen ein damals etwa 6000 Euro teurer Akku der Firma Tesla, der den bei Sonnenschein produzierten Strom später bei Bedarf abgibt. "Wir haben einen Tesla im Keller und einen in der Garage", sagt Magnus Zang scherzhaft. 

    Im Keller ist der Stromspeicher von Tesla installiert, der die von der PV-Anlage erzeugte Energie bei Bedarf abgibt.
    Im Keller ist der Stromspeicher von Tesla installiert, der die von der PV-Anlage erzeugte Energie bei Bedarf abgibt. Foto: Magnus Zang

    Letzterer kann aber, da die Garage 40 Meter entfernt steht, nicht mit hausgemachtem Strom betankt werden. Noch nicht. Denn es ist klar, dass Zangs zwar weit gekommen sind, aber noch nicht am Ende stehen. "Irgendwie macht das auch ein bisschen süchtig." Tipps und Erfahrungen geben sie gerne weiter. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden