"Die Versäumnisse im Krankenhaus haben meinen Vater nicht getötet, aber sie haben zu seinem Tod geführt." Die Tochter eines Verstorbenen erhebt schwere Vorwürfe gegen die Friedberger Klinik. Nach dem Tod ihres Vaters ringt die Frau, die anonym bleiben möchte, lange mit sich selbst. Nun hat sie sich entschieden, das Friedberger Krankenhaus anzuzeigen. "Ich will nur wissen, was passiert ist. Es ist leider der einzige Weg." Doch was war passiert?
Nach einem Aufenthalt in der Klinik wurde ihr 89-jähriger Vater positiv auf das Coronavirus getestet. Wenig später starb er auf der Intensivstation im Aichacher Krankenhaus, erzählt die Tochter im Gespräch mit unserer Redaktion.
Alles begann mit einer Darminfektion, weshalb der Mann am 20. Dezember nach Friedberg gebracht wurde. Schon damals wunderte er sich, warum bei ihm kein Corona-Test durchgeführt wurde. Dieser wurde laut der Tochter auch beim Zimmernachbarn nicht durchgeführt: "Mein Vater hat mir erzählt, dass der Mann stark gehustet hat. Erst als es schlimmer wurde und der Mann kaum mehr Luft bekam, wurde er getestet." Der Test beim Zimmernachbarn fiel am 21. Dezember positiv aus.
Corona-Infektion: Hat sich der Mann im Friedberger Krankenhaus angesteckt?
Innerhalb einer Stunde sei ihr Vater in Quarantäne gekommen, doch die Tochter ist sich sicher: "Höchstwahrscheinlich hat sich mein Vater angesteckt. Es war laut meinem Vater sehr stickig in dem Raum und man konnte nicht lüften." Angst habe ihr Vater gehabt, getestet worden sei er aber nicht - und am 23. Dezember entlassen worden.
Daraufhin stand der 89-Jährige drei Tage unter Quarantäne. Zu dem Zeitpunkt sei es ihm noch gut gegangen: "Er war relativ fit für jemanden, der gerade aus dem Krankenhaus kommt und hat sogar den Christbaum aufgestellt und seine Wohnung dekoriert", erinnert sich seine Tochter. Am zweiten Weihnachtsfeiertag spürte der Rentner ein leichtes Kratzen im Hals, es folgten weitere Erkältungssymptome wie Schnupfen und Gliederschmerzen. "Ich habe gleich versucht, einen Corona-Test zu veranlassen, aber man sagte mir, dass das über die Feiertage nicht möglich ist." Nach längeren Gesprächen sei dann ein Bereitschaftsarzt vorbeikommen und habe einen Test gemacht: "Auf den warte ich bis heute", erzählt die Tochter.
Am 28. Dezember hatte ihr Vater schweren Durchfall. Einen Tag später wurde er mit dem Notarzt erneut ins Friedberger Krankenhaus gebracht. Dort brachte dann ein positiver Schnelltest Gewissheit und der 89-Jährige wurde ins Aichacher Krankenhaus auf die Intensivstation verlegt.
89-Jähriger stirbt im Aichacher Krankenhaus
Sein Zustand verschlechterte sich, am 5. Januar starb er. Eine invasive Beatmung lehnte der Mann zuvor ab, wie seine Tochter erklärt: "Er war trotz seines Alters sehr fit und klar und hätte so vermutlich seine Selbständigkeit verloren. Das wollte er nicht." Ausdrücklich lobt die Frau das Personal in der Aichacher Klinik: "Mein Vater war sehr angetan von der Betreuung."
Was nach dem Tod bleibt sind tiefe Trauer, aber auch Ärger: "Bis heute weiß ich nicht, was passiert ist. Ich bin mir aber sicher, dass es Versäumnisse im Friedberger Krankenhaus gegeben hat", so die Hinterbliebene, die immer noch auf eine Antwort wartet: "Ich habe das Krankenhaus und das Gesundheitsamt angeschrieben, aber ich bekomme keine Informationen."
Und noch etwas ärgert die Frau: "Der Tod meines Vaters taucht nicht in den Statistiken auf." Zwei Todesfälle vermeldete die Klinik-Leitung im Zeitraum von November bis Mitte Januar. Für die Tochter des 89-Jährigen ein Unding: "Das kann doch nicht sein. Ich bin mir sicher, dass es noch deutlich mehr Fälle gegeben hat, die hier möglicherweise vertuscht werden."
Nach Todesfall: Das wünscht sich die Tochter
Zwar gab es ein Telefonat mit Gesundheitsamtsleiterin Dr. Kirsten Höper, doch auf eine Antwort wartet die Tochter bis heute: "Ich fühle mich nicht ernst genommen. Fehler sind menschlich und ich habe Verständnis für das Personal, das am Anschlag arbeitet in dieser schwierigen Zeit. Wenn aber Fehler gemacht wurden, muss man sie auch eingestehen."
Das Landratsamt Aichach-Friedberg wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu dem Fall äußern. Pressesprecher Wolfgang Müller erklärte: "Wir können derzeit nicht allen Fällen nachgehen, aber wir arbeiten an der Aufklärung und haben deshalb auch die Task Force hinzugezogen", so Müller, der ergänzt: "Wir kommunizieren offen und vertuschen nichts."
Das sieht die Tochter des verstorbenen 89-Jährigen anders. Ihr gehe es aber nicht um Schmerzensgeld, sondern um Aufklärung, versichert die Frau, die am Dienstag die Anzeige aufgegeben hat. "Meinen Vater bringt das nicht zurück, aber vielleicht schützt es andere."
Matthias Nickolai, Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, kann die Anzeige auf Nachfrage zwar nicht bestätigen, aber er sagt: "Gut möglich, dass die Anzeige bereits losgeschickt wurde, aber ich habe noch keine Kenntnis. Ich kann das weder bestätigen noch dementieren." Bereits seit Mai ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen das Aichacher AWO-Seniorenheim. Nach dem Tod eines 82-jährigen Bewohners wurde im Mai wegen fahrlässiger Tötung Anzeige erstattet.
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