Die Ära der Zeitzeugen geht zu Ende, die Schrecken der Shoa aber dürfen nicht vergessen werden. Mit der musikalischen Lesung „Ich wand’re durch Theresienstadt“ findet das Bläserquintett Opus 45 in Zusammenarbeit mit Schauspieler Roman Knižka, eine Darstellungsform, in der Erinnerungen an das Konzentrationslager fortleben. Zwei Musiker und eine Dramaturgin aus Wulfertshausen sind an der Aufführung beteiligt. Die Zeitzeugin Edith Erbrich war aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend.
Das Bläserquintett Opus 45 spielte unterschiedliche Stücke, die im Konzentrationslager Theresienstadt komponiert und aufgeführt worden waren. Begleitend dazu rezitierte Roman Knižka, der als Schauspieler und Hörbuchsprecher bekannt ist, Texte von Jugendlichen aus dem Lager. Durch die Kombination von Wort und Klang erzeugten die Künstler einen fühlbaren Eindruck von Theresienstadt.
Eine Aufführung, die berührt
Für die Gefangenen des Lagers boten Kunst und Kabarett die Möglichkeit, ihr schlimmes Schicksal für einige Augenblicke zu vergessen. Gleich zu Beginn führte die musikalische Lesung, mit der Performance „Willkommen im Kabarett“, die Zuhörer dieses Motiv vor Augen. Die Musikstücke und Texte des Programms wechselten zwischen teils absurder Heiterkeit, Bitterkeit und Verzweiflung. Teil des musikalischen Repertoires des Konzerts war ein Stück aus Bedřich Smetanas komischer Oper „Die verkaufte Braut“. Das Werk erfreute sich in Theresienstadt großer Beliebtheit und wurde etwa 35 Mal aufgeführt.
Das Spannungsverhältnis von literarischen und musikalischen Produktivität einerseits und den verheerenden Lebensbedingungen andererseits wurde im Verlauf der Aufführung immer wieder berührt. Ein von Knižka vorgetragener Text erzählte davon, wie sich die Lagerinsassen organisierten, um für Kranke und Sterbende in den Spitälern des Ghettos zu singen. Ein anderer Bericht thematisierte die Aufführungen der sehr beliebten Kinderoper Brundibár, geschrieben von Hans Krása, der auch in Theresienstadt untergebracht war und später in Auschwitz ermordet wurde. Die Aufführungen des Stücks waren oft mehrfach besetzt, weil immer wieder Mitwirkende im Lager starben. Deportation von Kindern in die Vernichtungslager, wie etwa Auschwitz, waren unvorhersehbar.
Was für die Gefangenen eine Strategie war, nicht psychisch gebrochen zu werden, bot für die Nationalsozialisten Stoff für Propaganda, erfährt der Zuhörer im Wittelsbacher Schloss aus mehreren der vorgelesenen Texte. Mit Filmaufnahmen von den Konzerten, erzeugten die Nazis den Schein, dass es den Gefangenen gut gehe. Tatsächlich wurden alle Komponisten bald in Vernichtungslager weitertransportiert und dort ermordet. Das Terrorregime betrieb viel Aufwand, um eine Besichtigungsgruppe des Roten Kreuzes zu täuschen. Die sollte sich ein Bild von den Verhältnissen in Theresienstadt machen. Deshalb führten die Nazis eine Verschönerungsaktion in Theresienstadt durch. Zu diesem Anlass wurden die Häuser im Ghetto gestrichen. Die Opern spielten für die wenigen Minuten während der Anwesenheit der Kommissionsmitglieder. Die Route der Besucher war genau geplant und sogar glückliche Passanten waren Teil der Inszenierung.
Der Hornspieler Benjamin Comparot, sein Bruder Florian Liebhäuser am Fagott und ihre gemeinsame Schwester, Kathrin Liebhäuser, die für die Dramaturgie der musikalischen Lesung zuständig war, sind in Wulfertshausen aufgewachsen. Gemeinsam mit den anderen Musikern es Quintetts, Roman Knižka und Edith Erbrich waren sie in der vergangenen Woche in Theresienstadt. Erbrich habe ihnen gezeigt, wo sie während ihrer Gefangenschaft gelebt hatte, erzählt Kathrin Liebhäuser. Knižka erklärte, der Besuch des Ortes habe die Art, wie er die Texte lese, verändert.
Wer noch einen persönlichen Eindruck der Theresienstadt-Überlebenden Edith Erbrich erhalten möchte, darf auf ein Konzert am 26. Januar im kleinen goldenen Saal in Augsburg vorausblicken, bei dem die Zeitzeugin anwesend sein wird.
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