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Friedberg: Keine nächtlichen Christmetten: Die „Stille Nacht“ missfällt der Kirche

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Keine nächtlichen Christmetten: Die „Stille Nacht“ missfällt der Kirche

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    Wochenlange Vorbereitungen für die Christmetten der Pfarreien sind vergeblich: Die Staatsregierung hat die Ausnahmegenehmigung gekippt.
    Wochenlange Vorbereitungen für die Christmetten der Pfarreien sind vergeblich: Die Staatsregierung hat die Ausnahmegenehmigung gekippt. Foto: Julian Leitenstorfer (Symbolfoto)

    Ein Gesangsverbot in der Kirche für „Stille Nacht“ als beliebtestes Weihnachtslied ist für den Rieder Pfarrer Anton Brandstetter eigentlich unvorstellbar. Die ergreifende Stimmung, wenn die Gemeinde in der abgedunkelten Kirche im Lichterglanz gemeinsam dieses Lied singt, wird er schmerzlich vermissen. „Das hat es wohl in den letzten 200 Jahren seit es erstmals aufgeführt wurde, nicht gegeben!“, vermutet er. Nur wenige Tage vor Heiligabend hat er nun aber noch ein ganz anderes Problem.

    Der kurzfristige Beschluss der bayerischen Staatsregierung von Anfang dieser Woche, in dem die Ausnahmegenehmigung für den Besuch der nächtlichen Christmetten in der Heiligen Nacht zurückgenommen wurde, stürzt seine Pfarrei wie viele andere Kirchengemeinden in ein großes Chaos. Über Wochen entwickelten sie coronakonforme Konzepte mit Open-Air-Gottesdiensten, Krippenspielen in freier Natur und möglichst vielen Feiern im kleinen Rahmen. Anmeldelisten in den Pfarrbüros füllten sich zusehends und kreative Alternativkonzepte ermöglichten die Einhaltung von Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen.

    Der Pfarrer von Ried ist fassungslos

    Durch die neue Entwicklung ist nun vieles hinfällig. 15 Orte in zwei Landkreisen umfasst die mit Pfarrer Brandsteters Amtsantritt vor einem Jahr noch einmal erweiterte Pfarreiengemeinschaft. Zusammen mit einem Aushilfspfarrer aus Augsburg wollte er die Herausforderung stemmen, neben drei nachmittäglichen Kinderkrippenfeiern auch sechs Christmetten anzubieten. Fünf davon sind nach 21 Uhr geplant. „Ich weiß gar nicht, wie wir das in der kurzen Zeit nun alles umstellen können“, sagte er fassungslos.

    Etwas härtere Worte zur Entscheidung der Staatsregierung fand Pfarrer Thomas Schwartz aus Mering. „Ich bin tief enttäuscht und frustriert von dieser Regelung, die das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Kirche und Staat untergraben hat. Mit uns wurde nicht gesprochen.“ Weihnachten lebe von der Christnacht und das sei nun durch diesen Schnellschuss zerstört. „Aber wir beugen uns dem Diktat der Staatsregierung. Offensichtlich ist den Verantwortlichen Glaube egal.“

    Der Meringer Pfarrer Thomas Schwartz ist empört über die Entscheidung der Staatregierung.
    Der Meringer Pfarrer Thomas Schwartz ist empört über die Entscheidung der Staatregierung. Foto: Bernhard Weizenegger (Archivfoto)

    13 verschiedene Angebote von Andachten und Meßfeiern in Pfarr- und Filialkirchen sowie auch an der Meringer „Loamgrubn“ stellte die Pfarrei St. Michael zusammen mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern auf die Beine. Darunter auch drei Christmetten am Abend. „Mit einem Federstrich haben die sogenannten christlichen Politiker alles weggewischt, als wären wir die Superspreader“, zeigt sich Pfarrer Schwartz verärgert. An alles habe man gedacht, die Kirchgänger hätten für ihren Ausgang nach 21 Uhr sogar ein Zertifikat mit pfarramtlichen Siegel bekommen, dass sie im Gottesdienst waren.

    „Über allen unseren Bemühungen steht nun ein großes Fragezeichen“, kommentierte seine evangelische Amtskollegin Pfarrerin Carola Wagner die Nachricht. Auf dem neuen Kirchplatz vor der Meringer St. Johanneskirche war für 22 Uhr eine Christmette geplant. Dafür sei extra eine Solosängerin engagiert worden, die durch die geöffneten Fenster vom Gemeindesaal aus zu hören sein sollte. „Hoffentlich steht wenigstens unserer für nachmittags geplanten Waldweihnacht in Althegenenberg und dem Open-Air-Krippenspiel am Badanger nichts im Wege.“ Man haben jetzt nur noch wenig Infokanäle, um die Gemeindemitglieder über Änderungen zu informieren, bedauert Pfarrerin Wagner.

    Der Gute Hirte in Friedberg feiert schon nachmittags

    Nicht betroffen von dem kurzfristig ausgesprochenen Verbot sind die Angebote der evangelischen Pfarrei „Zum guten Hirten“ in Friedberg. „Bei uns hat die nächtliche Christmette keine Tradition“, erklärte Pfarrer Falko von Saldern. „Wir haben unsere Gottesdienste ausschließlich nachmittags.“ Für zwei große Lichter-Gottesdienste um 15.30 und 16.30 Uhr auf dem Marienplatz lagen ihm schon frühzeitig jeweils rund 200 Anmeldungen vor. Weitere finden in Stätzling und Dasing statt.

    Für die Zuhausegebliebenen wird am 24. Dezember ein Gottesdienst online gestellt. „Dafür konnten wir noch vor der kritischen Lockdown-Zeit ein Krippenspiel einüben“, freut sich Pfarrerin Nina von Saldern. Es habe auch Absprachen mit der katholischen Pfarrei.

    Für die Vorverlegung der Christmetten am Abend sah man in St. Jakob jedoch gewisse Schwierigkeiten und berief eine Krisensitzung ein. Über die Änderungen werden alle, die über Email oder telefonisch reserviert haben, informiert, heißt es im Friedberger Pfarrbüro. „Ich kann mich des Eindrucks von extremer Ignoranz, im Sinne von absoluter Unwissenheit, wie es in unseren Pfarreien funktioniert, nicht erwehren“, äußerte Stadtpfarrer Pater Steffen Brühl seinen Unmut über die Entscheidung der Staatskanzlei.

    Merings Pfarrer gibt sich kämpferisch

    Das Risiko einer Ansteckung, das man mit der Entzerrung durch viele Angebote vom Nachmittag bis in den späten Abend hinein vermeiden wollte, sei nun erhöht worden. „Denn die jetzt noch bestehenden Metten sind dann proppenvoll bis zur maximal erlaubten Besucherzahl“, erklärt Brühl. 850 Anmeldungen verzeichnete die Pfarrei St. Jakob für Heiligabend. Der Schnellschuss der Staatsregierung sei in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Bevorzugt werden aber nun auch Gottesdienst-Angebote per Live-Stream laufen.

    „Ich stehe jedenfalls in der Heiligen Nacht um 22.30 Uhr in meiner Pfarrkirche, auch wenn ich dann alleine bin. Ich lasse mir meine Christmette nicht verbieten“, gibt sich Merings Pfarrer Schwartz kämpferisch. Gleichwohl hat er auf die Schnelle für alle drei gestrichenen Christmetten Ersatz geschaffen.

    Über die aktuellen Gottesdienst-Angebote aller Pfarreien an den Feiertagen informiert unser Gottesdienst-Anzeiger Anfang kommender Woche.

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