Startseite
Icon Pfeil nach unten
Friedberg
Icon Pfeil nach unten

Friedberg-Derching: Abtreibung mit Kükenschreddern verglichen? Ärger über Tafel an Besinnungsweg

Friedberg-Derching

Abtreibung mit Kükenschreddern verglichen? Ärger über Tafel an Besinnungsweg

    • |
    Diese Tafeln auf dem Derchinger Besinnungsweg zum Thema Abtreibung ärgerten Frauen. "My Body - my Choice" - "Mein Körper - meine Entscheidung" kratzte jemand über die Aufschrift.
    Diese Tafeln auf dem Derchinger Besinnungsweg zum Thema Abtreibung ärgerten Frauen. "My Body - my Choice" - "Mein Körper - meine Entscheidung" kratzte jemand über die Aufschrift. Foto: Claudia Eser-Schuberth

    An 14 Stationen lädt der Derchinger Besinnungsweg zum Nachdenken ein, dazu, seine eigene Lebenseinstellung auf den Prüfstand zu stellen. Eine sorgt nun für Ärger: "Tötung menschlicher Embryonen ist nicht strafbar - Kükentötung ist verboten ???", steht darauf. Die Grünen-Stadträtinnen Claudia Eser-Schuberth und Marion Brülls fanden es unsäglich, diese beiden Themen in Zusammenhang zu setzen. Sie haben die Tafel daher abgeschraubt. Leonhard Knauer, Vorsitzender des Heimatvereins und Initiator des Rundweges, verteidigt sich - und greift seinerseits die Politikerinnen an. 

    Der fast zwölf Kilometer lange Weg startet an der Kirche St. Fabian und Sebastian und wurde in diesem Sommer eröffnet. Es geht um Themen aus den Bereichen Natur, Glaube, Industrie und Gemeinschaft. Die Station Nummer zehn ist mit "Friede in Freiheit" überschrieben. Und hier fand sich bis vor kurzem in einem Rondell neben anderen Tafeln auch die zum Thema Schwangerschaftsabbruch.

    Marion Brülls stach sie bei einem Spaziergang ins Auge und sie informierte umgehend ihre Fraktionsvorsitzende Eser-Schuberth. "Das ist keine Besinnung, sondern Verurteilung", kritisieren die beiden. "Frauen, die in einer schwierigen Lebenssituation sind, werden gleichgesetzt mit profitgierigen Mastbetrieben. Das geht gar nicht!" Solche Aussagen könne jemand am Stammtisch treffen, doch nicht im Rahmen eines Projektes, bei dem die Stadt als Träger fungiert. 

    Eser-Schuberth wandte sich an Bürgermeister Roland Eichmann. Dieser habe ihr versprochen, tätig zu werden. Doch die Politikerin schraubte das Schild sowie eine dazugehörige Darstellung von Embryonen kurzerhand selber ab. "Ich wollte dem Bauhof Arbeit ersparen."

    Derchinger Besinnungsweg entstand auf Wunsch des Heimatvereins

    Der Besinnungsweg ist ein Projekt des Heimatvereins, Leonhard Knauer hatte die Idee dazu. Die Projektträgerschaft jedoch liegt bei der Stadt Friedberg, die auch in etwa ein Drittel der Kosten von gesamt 130.000 Euro übernahm. Der Rest stammt aus EU-Fördermitteln sowie vom Erholungsgebieteverein. Drei Stationen - darunter Station 10 nördlich der Frechholzhauser Straße - finanzierte der Heimatverein selber.

    Knauer betont, es gehe ihm nicht um die Verurteilung von Frauen. "Wenn das so rübergekommen ist, tut es mir leid." Das Konzept sehe vor, dass Begeher über sich selber nachdenken. "Es wird keine Bewertung vorgenommen. Jeder muss das für sich und seine Lebenssituation selber definieren." 

    Tafeln mit der Aufschrift "Töten menschlicher Embryonen ist nicht strafbar. Kükentötung ist verboten???" brachten die Stadträtinnen Marion Brülls und Claudia Eser-Schuberth in Rage.
    Tafeln mit der Aufschrift "Töten menschlicher Embryonen ist nicht strafbar. Kükentötung ist verboten???" brachten die Stadträtinnen Marion Brülls und Claudia Eser-Schuberth in Rage. Foto: Marion Brülls

    Kurz nach der Eröffnung hatte Knauer unserer Redaktion gesagt, er halte Station zehn für die "bedeutendste und emotionalste" Station. Auch nun betonte er, es gehe hier insgesamt um schwierige Themen. So werde darauf hingewiesen, dass Töten verboten, im Krieg aber erlaubt ist. Die Station, ein Rondell, ist von Stacheldraht umzäunt. "Das sagt alles." 

    Allerdings schwante ihm bereits vor dem Einschreiten von Brülls und Eser-Schuberth, dass sein Anliegen nicht bei allen auf Verständnis stößt. Das Schild wurde zerkratzt, jemand ritzte den Satz "My Body my Choice" ein, zu Deutsch in etwa "Mein Körper, meine Entscheidung". Er habe deswegen ohnehin darüber nachgedacht, das Schild zu entfernen. Jetzt, wo es weg ist, will er es auch nicht wieder aufhängen, sondern in Ruhe überlegen, was dort stattdessen angebracht werden könnte. Schließlich wolle man ein Vorbild für Toleranz sein.

    Thema Abtreibung am Besinnungsweg Derching: "Brisanz nicht erkannt"

    Was ihn ärgert, ist, dass Eser-Schuberth ihn nicht kontaktierte. Bürgermeister Eichmann verteidigt die Stadträtin. Diese habe sich an ihn gewandt. Selbst ihm sei nicht bewusst gewesen, dass ausgerechnet dieses Schild dem Heimatverein gehört. Trotzdem betont er: "Der Besinnungsweg wird als städtisches Projekt begriffen, dann muss er auch einen neutralen Standpunkt einnehmen." Und für ihn sei der Text nicht in Ordnung, da er etwas zusammenführe, das nicht zusammengehört.

    Der Bürgermeister betont, es handle sich nicht um Zensur. Man könne über Schwangerschaftsabbruch diskutieren, auch kritisch. Der Gesetzgeber habe nach langer Diskussion festgesetzt, ab wann Embryonen nicht mehr abgetrieben werden dürfen. Doch gerade im Kontext mit dem Thema Krieg sei das Thema nicht adäquat umgesetzt.

    Die strittige Station zehn am Derchinger Besinnungsweg.
    Die strittige Station zehn am Derchinger Besinnungsweg. Foto: Archivbild

    Eichmann nahm daher mit Knauer und der Tourismusabteilung Kontakt auf. Diese habe die Aufschriften vor der Installation abgesegnet. Der Verwaltung sei bewusst gewesen, dass eines kontrovers sei. "Doch die Abteilung sah die Brisanz so offenbar nicht."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden