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Derching: Besinnungsweg vereint alle Aspekte des Lebens in Derching

Derching

Besinnungsweg vereint alle Aspekte des Lebens in Derching

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    Hauptorganisator Leonhard Knauer erzählt die Geschichte der Station zwölf des Heiligenhäuschen St. Franziskus.
    Hauptorganisator Leonhard Knauer erzählt die Geschichte der Station zwölf des Heiligenhäuschen St. Franziskus. Foto: Manuel Rank

    2010 besuchte Leonhard Knauer mit seiner Familie den Jesus-Besinnungsweg in Naturns in Südtirol. Dort kam ihm die Idee - so etwas braucht es in Derching auch. Der Gedanke reifte und nahm Form an. Zwölf Jahre später müssen Besucherinnen und Besucher für ein ähnliches Erlebnis nicht mehr nach Italien reisen - sie finden einen Besinnungsweg auch ganz nah gelegen in der Region.

    Der neu eröffnete Weg schlängelt sich mit 14 Stationen und fast zwölf Kilometern durch die gesamte Derchinger Landschaft. Anfang und Ende bildet der Kirchplatz von St. Fabian und Sebastian: Dort laufen die erste und letzte Station zusammen.

    Die Lage der ersten Station ist bewusst gewählt: Denn dort befindet sich der Römerstein. Dieser erzählt die Geschichte des vor 2000 Jahren in Derching lebenden Flavius Vettius Titus, eines der reichsten Männer der Region. Durch seinen Tod änderte sich die Lebenssituation seiner beiden Sklaven Quintilianus und Fortunatus fundamental: Ihnen wurde Freiheit und Reichtum geschenkt.

    Auf die Ungewissheit und Vergänglichkeit des Lebens möchte auch diese Station hinweisen. Das Beispiel der beiden Sklaven zeigt, wie schnell sich unser aller Leben in kürzester Zeit wandeln kann - sei es ins Positive oder auch in weniger gute Entwicklungen. Der Mitgehgedanke regt dazu an, sich selbst mit der Frage zu konfrontieren, ob man so weiterleben möchte wie bisher. Lässt man sich darauf ein und taucht tief in seine Gedankenwelt ein, kann dies zu einer sehr intensiven Erfahrung werden.

    Das historische Schwungrad der Hasenbräu-Brauerei symbolisiert die Industriegeschichte Derchings und ist auch auf dem Logo des Besinnungswegs zu finden.
    Das historische Schwungrad der Hasenbräu-Brauerei symbolisiert die Industriegeschichte Derchings und ist auch auf dem Logo des Besinnungswegs zu finden. Foto: Manuel Rank

    Das Logo des Weges ist angelehnt an das Wappen von Derching. Im Schildfuß ist ein halbes goldenes Zahnrad abgebildet. Ines Bobinger von der Stadt Friedberg hatte die Idee, dieses Rad auch als Symbol für den Besinnungsweg zu verwenden.

    Die Begriffe Natur, Glaube, Gemeinschaft und Industrie, die für den Ort stehen, befinden sich zwischen den vier Speichen. Das Zahnrad soll die industrielle Geschichte versinnbildlichen. Bis zum Zweiten Weltkrieg war Derching noch ein kleines agrarisches Bauerndorf. Mit dem sprunghaften Anstieg der Bevölkerung industrialisierte es sich Schritt für Schritt und ein eigenes Gewerbegebiet siedelte sich an.

    Ein sinnliches Erlebnis am Derchinger Besinnungsweg

    Bei Station sechs kann man nun ein solches historisches Schwungrad bewundern und mehr über die Industriegeschichte der Region lernen. Gestiftet wurde das Rad von Dehner Recycling und entstammt ursprünglich dem Energiehaus der Brauerei Hasenbräu. Durch die Hartnäckigkeit Knauers konnte man Dehner Recycling nach drei Jahren überzeugen, das Rad zur Verfügung zu stellen.

    Station sieben - ein Sinnespfad - befindet sich nahe gelegen am Derchinger Badesee. Mit einem idyllischen Ausblick auf das Badeparadies können Besucherinnen und Besucher barfuß verschiedene Materialien wie Tannenzapfen, Kieselsteine und Grashalme ertasten. Ein sinnliches Erlebnis! Der Badesee bietet danach eine ideale Abkühlung.

    Zur Marienkapelle - einer inoffiziellen Station - erzählt Knauer eine Anekdote zur Entstehung des Gebäudes. Als glühende Marienverehrerin ließ die kinderlose Derchinger Gastwirtin Maria Anna Kastl im Jahr 1877 die Feldkapelle im neugotischen Stil errichten, um der Gottesmutter Maria, Patronin von Bayern, zu gedenken.

    46 Jahre später - im Jahr 1923 - kam es dann zu einem tragischen Vorfall. Ein Jäger war im nahegelegenen Wald unterwegs, als er einen Wilderer auf frischer Tat ertappte. Unsicher, wie er handeln sollte, kam es schlussendlich zu einem Schuss: Der Jäger hatte den Wilddieb mit seinem Gewehr getroffen. Dieser starb nach kurzer Zeit.

    Die Marienkapelle gehört aufgrund der Entfernung nicht offiziell zum Besinnungsweg. Es lohnt sich dennoch dem historischen Gebäude einen Besuch abzustatten.
    Die Marienkapelle gehört aufgrund der Entfernung nicht offiziell zum Besinnungsweg. Es lohnt sich dennoch dem historischen Gebäude einen Besuch abzustatten. Foto: Manuel Rank

    Es kam zur Verhandlung, in der geklärt werden sollte, ob der Jäger richtig gehandelt hatte. Nach einem langwierigen Prozess wurde er für unschuldig erklärt: Bei dem Getöteten handelte es sich um einen lange gesuchten Wildererkönig, der in der Region einen großen Schaden angerichtet hatte. Nichtsdestoweniger spürte der Freigesprochene große Gewissensbissen. Als persönliche Wiedergutmachung renovierte er die Marienkapelle und verputzte sie, weswegen heute die ursprünglichen Ziegel nicht mehr sichtbar sind.

    Beim Summstein - Station neun - ist Mitmachen gefragt! Besucherinnen und Besucher können ihren Kopf in die runde Auswölbung des Jurasteins stecken und in verschiedenen Tonlagen summen. Dabei vibriert der gesamte Stein samt eigener Körper und man "taucht für sich allein in eine geschlossene Welt ein, findet seinen Ton und der ganze Körper wird von Kopf bis Fuß in wohltuende harmonische Schwingen versetzt", wie es die Broschüre zum Besinnungsweg anschaulich erklärt.

    Wer den Kopf in die Aushöhlung des Stummsteins steckt und anfängt in unterschiedlichen Tönen zu summen, spürt die Vibration von Kopf bis Fuß.
    Wer den Kopf in die Aushöhlung des Stummsteins steckt und anfängt in unterschiedlichen Tönen zu summen, spürt die Vibration von Kopf bis Fuß.

    Gespendet wurde das Naturdenkmal mit seiner markanten Form vom Natursteinhandel A8 Stone. Auch die Kosten für den Steinmetz, der den Stein aushöhlte, wurde von A8 Stone bezahlt. Der Summstein soll die Besucherinnen und Besucher dazu bringen, sich zurückzubesinnen auf eine "Naturverbundenheit, die komplett erfasst", so Knauer.

    Station zehn ist für Knauer die persönlich "bedeutendste und emotionalste"

    Bei Station zehn handelt es sich für Knauer um die persönlich "bedeutendste und emotionalste" Station. Die Umgebung, in der sich die Station "Friede in Freiheit" befindet, erzählt die traurige Geschichte des Zweiten Weltkriegs: Im nahegelegenen Waldstück sind noch heute 43 Bombenkrater aus dieser Zeit zu finden und in der benachbarten Lichtung stürzte während des Kriegs ein Flugzeug ab.

    Konzipiert als Rondell soll die Station den Erdkreis darstellen und "wie diese von den Menschen geknechtet wird." Die Konstellation ist von unten nach oben mit dreifarbigem Beton versehen. Die Farben Schwarz, Rot, Gold stehen zum einen symbolisch für loderndes Feuer und zudem für die Flagge Deutschlands. Eingezäunt wird die Wand von Stacheldraht, der bewusst der Verwitterung ausgesetzt wird und schon zu rosten beginnt. Die als Sitzplätze gedachten Baumstämme versinnbildlichen die Natur. Es ist geplant, auf den linken Sockel eine Bombenattrappe zu stellen.

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