Montag, 9.30 Uhr, Segmüller-Parkplatz: So langsam füllen sich die Parklücken vor dem Einrichtungshaus in Friedberg. Günzburg, Donauwörth, Fürstenfeldbruck - aber auch viele Friedberger und Aichacher sowie Augsburger Nummernschilder sind zu sehen. Die Schlange vor dem Eingang wächst minütlich an. Kurz vor 10 Uhr sind es rund 50 Leute, die darauf warten, dass sie endlich rein dürfen. Dann öffnen sich die Eingangstore. Es ist die Wiedereröffnung des Einzelhandels im Landkreis Aichach-Friedberg. Das Wittelsbacher Land bildet weit und breit die Ausnahme. Die Inzidenzwerte der Nachbarlandkreise und auch der Stadt Augsburg liegen über 50. Deshalb bleiben die Läden dort zu. Das hat Auswirkungen für die heimischen Firmen.
Auch Karl-Heinz Richter darf um 10 Uhr endlich eintreten. Mit seinem Meterstab in der Hand wartet er seit 20 Minuten auf die Öffnung. Der 71-Jährige ist aus Neusäß gekommen: "Ich brauche dringend ein Sofa für meine Ferienwohnung im Allgäu. Da alles zu hat, bin ich jetzt nach Friedberg gefahren." Richter wollte extra früh da sein. "Ich habe den Andrang erwartet. Deshalb bin ich lieber zu früh als zu spät da", sagt er - und fügt an: "Ich fürchte, dass vielleicht in zwei Wochen die Inzidenzen wieder steigen und dann wieder alles zu ist." Das Sofa online zu bestellen, kommt für ihn nicht infrage: "Ein Sofa muss ich austesten. Ich kann im Internet nicht einschätzen, ob es bequem ist oder nicht. Das geht nur vor Ort."
So lief die Wiedereröffnung beim Einrichtungshaus Segmüller
So wie Richter erging es vielen Kunden, sagt Christof Gerpheide, Vertriebsleiter bei Segmüller: "Es waren sehr viele Kunden da, die genau wussten, was sie wollen. Das war weniger Bummeln, sondern es wurde gezielt die Beratung gesucht." Einige Menschen hätten sich zuvor telefonisch beraten lassen. Insgesamt ist der Vertriebsleiter zufrieden: "Das bringt uns jetzt die drei verlorenen Monate zwar nicht wieder, aber es war ein guter Anfang, gerade auch um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen", so Gerpheide.
Neben den Kunden waren vor allem die Mitarbeiter froh, dass es endlich wieder los ging: "Die Stimmung war sehr gut und sehr herzlich. Man hat allen die Freude angemerkt. Für einen Verkäufer gehört die Kommunikation mit dem Kunden einfach dazu", meint Gerpheide, der hofft, dass die Inzidenzen niedrig bleiben. "Wir haben ein umfangreiches Hygienekonzept und haben Platz für mehr als 2.000 Leute. Die Sicherheit steht im Vordergrund und dafür haben wir die nötigen Umbaumaßnahmen vorgenommen." Aber nicht nur dahingehend wurde etwas verändert, wie Gerpheide betont: "Wir haben die Zeit genutzt und auch für die Kunden optisch etwas verändert. Auch unsere Stammkunden werden das feststellen."
Sport Förg zieht positive Bilanz
Auch gegenüber auf dem Parkplatz von Sport Förg sind mittlerweile fast alle Plätze belegt. Geschäftsführer Christoph Schmid freut sich, dass die Kunden nun endlich wieder kommen: „Die letzten Wochen sind uns ganz schön auf das Gemüt gegangen. Vor allem weil keine Perspektiven aufgezeigt wurden vonseiten der Politik. Wir sind nun sehr erleichtert, dass wir wieder öffnen dürfen. Meine Mitarbeiter haben sich sehr darüber gefreut.“ Laut Schmid waren es am Montag sogar mehr Autos als an einem normalen Samstag. Alle Kunden wären unglaublich dankbar und wirklich jeder habe etwas eingekauft, stellt Schmid fest. „Nun ist es wichtig, dass wir auch längerfristig geöffnet haben dürfen und die Zahlen nicht wieder ansteigen. Sonst würde das Ganze wieder von vorne losgehen, und das will keiner.“
Sein Personal war gut gerüstet, sagt Schmid: „Wir arbeiten strikt an den Hygieneschutzmaßnahmen. Jeder Mitarbeiter hat unterschreiben müssen, dass er sie verstanden und zur Kenntnis genommen hat. Hier müssen wir aufpassen, dass sich niemand ansteckt." Die Kunden hätten den Abstand vorbildlich eingehalten und ihre Maske getragen.
Auch Einzelhändler in Friedberger Altstadt profitieren
Auch ein paar Hundert Meter weiter in der Friedberger Altstadt ist mehr los als in den vergangenen Wochen. Das gilt auch für das Modegeschäft Tamaro fashion in der Ludwigstraße. Laut dem ehemaligen Filialleiter Otto Hengster, der nach wie vor mit hilft, ist das Geschäft sehr gut angelaufen: "Wir sind sehr zufrieden mit dem ersten Tag. Es haben sich zwar keine Schlangen gebildet, aber es war wirklich ein sehr guter Anfang." Vor allem viele Stammkunden hätten vorbeigeschaut.
Rund 30 Kunden dürfen bei Tamaro zeitgleich einkaufen, mit dem Einhalten der Schutzmaßnahmen habe es keine Probleme gegeben. Hengster berichtet: "Man hat den Kunden die Freude richtig angemerkt. Online-Shopping kann den Besuch im Geschäft in unserer Branche einfach nicht ersetzen."
Zwar wurde in den vergangenen Wochen Click & Collect angeboten, doch finanziell hat sich das, laut Hengster, nicht ausgezahlt. "Wir haben am ersten Tag der Öffnung so viel Umsatz gemacht wie in einem Monat davor." Click & Collect habe man gemacht, um präsent zu bleiben und für Stammkunden. Neben den Kunden freuten sich auch die Mitarbeiter über die Wiedereröffnung: "Das ist für unserer Personal die Rückkehr in die Normalität. Alle wollten helfen, das Geschäft für die Kunden herzurichten."
So erleben Einzelhändler in Mering den Neustart
In Mering sind kurz nach 9 Uhr fast alle Parkplätze im Zentrum belegt. Auf den Gehwegen sind viele Menschen unterwegs. Einige bleiben vor dem frühlingshaft gestalteten Schaufenster von Maria Bösl stehen. "Endlich können meine Kunden wieder direkt zu mir in den Laden kommen", freut sie sich. Seit 44 Jahren ist sie bei Haushaltswaren Bösl die gute Seele. "Das ich nach so vielen Jahren Berufstätigkeit so etwas miterleben muss, hätte nicht gedacht", sagt sie. Momentan überwiegt aber die Freude über die Wiedereröffnung nach der lange Pause. "Meine Kunden haben mir nach dem ersten Lockdown die Treue gehalten und ich bin mir sicher, dass sie auch diesmal mich wieder unterstützen."
Mitten im Lockdown hat Bianca Franke das alteingesessene Bettenfachgeschäft Froese übernommen. Normalerweise hat der Laden im Meringer Ortszentrum montags Ruhetag. Weil aber für Franke es auch das erste Mal ist, dass sie als Geschäftsinhaberin öffnen kann, ließ sie sich die Gelegenheit nicht nehmen und sperrte ihren Laden auf. "Ich freue mich so auf meine ersten Kunden", sagt Franke. Endlich könne Beratung vor Ort wieder stattfinden.
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